Im Krieg verloren – nun zurück im Kunstgewerbemuseum: Permosers Elfenbeingruppe „Herkules und Omphale“

Pressemitteilung vom 31.07.2007

Die zweiundzwanzig Zentimeter hohe Figurengruppe „Herkules und Omphale“, die der Barockbildhauer Balthasar Permoser um 1700 aus Elfenbein geschnitzt hatte, kehrte nach Jahrzehnten des Verlustes an ihren angestammten Platz in das Berliner Kunstgewerbemuseum zurück. Das Werk war 1873 mit der Stiftung des Rentiers Mossner zunächst in die Berliner Kunstkammer gelangt. Nach deren baldiger Auflösung wurde es in das Kunstgewerbemuseum, das sich ab 1921 im Berliner Schloss befand, integriert. Das Werk galt als kriegsbedingt verschollen, bis es 2005 im Kunsthandel auftauchte und nun durch Vermittlung des Auktionshauses Sotheby´s in New York ins Berliner Kunstgewerbemuseum zurückgebracht werden konnte. Es wird heute nach gründlicher Reinigung und Untersuchung zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorgestellt und nun dauerhaft im Kunstgewerbemuseum am Kulturforum präsentiert. Das Museum ist das älteste seiner Art in Deutschland. Es besitzt trotz immenser kriegsbedingter Verluste eine der bedeutendsten Sammlungen von europäischem Kunsthandwerk vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Es hat neben dem Haus am Kulturforum einen zweiten Standort im Schloss Köpenick.

Verlust und Wiedererlangung

Im Jahr 1943 wurde die mit der Inventar-Nummer K 8718 registrierte Elfenbeingruppe zu­sammen mit anderen Werken zum Schutz vor Kriegsschäden zunächst in das Schloss Oegeln bei Beeskow (Brandenburg) ausgelagert. Dies belegen mit Einzelstückangaben ver­sehene Packlisten. Beim Weitertransport im März 1945, der nach Schloss Arolsen (Hessen) führen sollte, ging das Werk offenbar bei Melsungen (Hessen) verloren, wo im April 1945 amerikanische Truppen auf offener Strecke zwei teilweise bereits beraubte Eisenbahn­wag­gons mit verlagerten Kunstwerken aus den Berliner Museen sicherstellten. Dies bestä­tigt – speziell auch für die Kiste mit der Permoser-Gruppe –  das im Zentralarchiv der Staatli­chen Museen zu Berlin befindliche „Protokoll vom Melsungentransport“ vom 10. Juni 1958.

Seither galt das Werk als verschollen und war als solches in einschlägiger Literatur publi­ziert. Nachdem das Werk dem Auktionshaus Sotheby´s von privater Hand zur Versteigerung angeboten worden war, ergaben deren sorgfältige Provenienzrecherchen Hinweise auf die Herkunft aus der Berliner Sammlung. Im März 2005 erhielten die Staatlichen Museen zu Berlin erste Informationen und Fotografien aus New York. Der Einlieferer bekundete von Anfang an seine Bereitschaft, bei Nachweis der Berliner Provenienz das Stück gegen Zah­lung eines Finderlohns zurückzugeben, was dann auch geschah. Zuvor hatten detaillierte Vergleiche mit historischen Aufnahmen und der Echtheitsprüfung durch einen Experten des Berliner Museums die Identität zweifelsfrei festgestellt. Der Anbieter, der anonym bleiben möchte, hatte das Werk nach eigenem Bekunden einige Jahre zuvor bei einem kleinen Auk­tionshaus in Kalifornien in Unwissenheit der Herkunft des Stückes erworben. Weitere Hin­weise darauf, wo es sich in den Jahrzehnten zuvor befunden hatte, waren nicht zu ermitteln.

Die Skulptur war bisher eines der vielen Werke, die die Berliner Museen als Verluste zu be­klagen haben. Auch Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg geht es dabei, sowohl was die Anzahl als auch was die Bedeutung der Werke angeht, um Dimensionen von immensem Ausmaß. Der überwiegende Teil davon betrifft die in die damalige Sowjetunion verlagerten Kulturgüter, die bei der Aufsehen erregenden Rückgabe-Aktion in den fünfziger Jahren an die damalige DDR nicht enthalten waren beziehungsweise diejenigen Kulturgüter, die von deut­schen Stellen noch vor Kriegsende in heute osteuropäische Länder verlagert worden waren. Einzelne Werke, wie das nun wieder erlangte, tauchen ab und an im Kunsthandel auf und die Stiftung unternimmt dann alle Anstrengungen, das Werk zurückzugewinnen. Im ak­tuellen Fall ist es auch der vorbildlichen Haltung des Auktionshauses zu verdanken, dass dies ein so glückliches Ende nahm. Ähnlich erfreuliche Ergebnisse konnten in den letzten Jahren in Be­zug auf zwei Menzel-Gouachen aus dem Kupferstichkabinett und einem Flo­rentiner Da­men­porträt des Manierismus aus der Gemäldegalerie erzielt werden.

Balthasar Permoser (1651–1732) und sein Werk

Der Künstler gilt neben Andreas Schlüter als bedeutendster deutscher Bildhauer des Ba­rock. Nach fünfzehnjähriger Tätigkeit in Italien wurde er 1689 als Hofbildhauer nach Dresden berufen. Dort arbeitete er zwischen 1711 und 1719 in kongenialer Weise mit Matthäus Da­niel Pöppelmann beim Bau des Dresdner Zwingers zusammen, wo als Höhepunkt seines Schaffens eine einzigartige Verschmelzung von Architektur und Skulptur entstand. Permoser schuf auch außerhalb Dresdens bedeutende Bildwerke, wie die Hermen mit der Darstellung der Jahreszeiten für das Portal IV des Berliner Schlosses (jetzt am ehemaligen Staatsrats­gebäude). Gleichrangig neben der Monumentalplastik stehen in Permosers Werk zahlreiche miniaturhaft fein gearbeitete Kabinettstücke aus Holz und Elfenbein, die zum Teil in Zusam­menarbeit mit dem sächsischen Hofjuwelier Johann Melchior Dinglinger entstanden.

Einen besonderen Rang nehmen in seinem Werk die Elfenbein-Gruppen „Herkules und Omphale“ ein, die in mehreren Fassungen erhalten sind. Vier sehr ähnliche Versionen sind bekannt, die sich jedoch in Details und auch in ihrem künstlerischen Rang unter­scheiden. Zwei der um 1700 entstandenen Gruppen befinden sich heute im Grünen Ge­wölbe zu Dres­den, eine dritte in der Eremitage zu St. Petersburg. Die vierte ist die des Berli­ner Kunstge­werbemuseums. Eine der beiden Dresdner Gruppen wurde von Permoser sig­niert. Es ist die Grundlage für die Zuschreibung der drei anderen. Das Berliner Werk zeigt bei eingehender Betrachtung nicht nur die merkwürdige Kombination der rundplastisch ge­arbeiteten Figuren des Herkules und des Cupido mit der rückseitig beschnittenen und für eine andersartige Montage vorbereiteten Omphale in einer Gruppe, sondern auch deutliche Unterschiede in der künstlerischen Qualität der einzelnen Figuren: Während der Herkules voll physischer Spannkraft dargestellt ist und Oberfläche und Körper der Figur höchst artifi­ziell aufeinander bezogen sind, erscheint die Omphale-Figur bildhauerisch weniger raffiniert gearbeitet. Es ist möglicherweise ein Hinweis darauf, dass nicht alle Teile der Gruppe von Permoser eigen­händig geschaffen wurden. Dies wird Gegenstand der weiteren kunsthistori­schen Forschung sein.

Herkules und Omphale

Die Darstellung von Herkules und Omphale nimmt ein im Barock besonders beliebtes und gerade auch für herrschaftliche Geschenke – wie es solcherart preziöse Elfenbeingruppen wohl häufig waren – reizvolles Thema der antiken Mythologie auf und behandelt die Bezie­hung der Geschlechter: Omphale, Königin von Lydien, hatte Herkules als Sklaven ge­kauft, wie es diesem durch Orakelspruch auferlegt war. Er verbrachte drei Jahre im Dienst der Königin. Als sie erfuhr, wer der Sklave war, nahm sie ihn zum Gemahl. In blinder Liebe zu ihr und verweichlicht durch üppiges Leben ließ sich Herkules auf Geheiß der Königin dazu herab, Wolle zu spinnen und andere Frauenarbeit zu verrichten, wogegen Omphale sein Löwenfell trug, was die Elfenbein-Gruppe widerspiegelt. Nach drei Jahren erkannte der Held seine Verblendung und verließ Omphale.

Zu weiteren Informationen:

Die Publikationen zur Dokumentation der Verluste der Staatlichen Museen zu Berlin sind zu bestellen im Online-Shop.

Lehmann, Klaus-Dieter / Schauerte, Günther (Hg.): Kulturschätze – verlagert und vermisst. Eine Bestandsauf­nahme der Stiftung Preußischer Kulturbesitz 60 Jahre nach Kriegsende. Berlin 2004

Im Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüterschutz. Veröffentlichungen der Koordinierungsstelle für Kultur­gutverluste Band 5. Magdeburg 2007

Kulturgüter im Zweiten Weltkrieg. Verlagerung – Auffindung – Rückführung. Veröffentlichungen der Koordinie­rungsstelle für Kulturgutverluste Band 4. Bearbeitet von Uwe Hartmann. Magdeburg 2007

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