Kriegsbedingt verlagerte Kulturgüter in Russland

Ende des Zweiten Weltkrieges wurden zahlreiche Kulturgüter in die damalige UdSSR abtransportiert. Ein großer Teil befindet sich noch heute dort. Die Bundesrepublik und die betroffenen Kultureinrichtungen bemühen sich um eine Rückgabe.

Kriegsbedingte Verlagerungen von Kulturgüter

Unmittelbar zum Ende des Zweiten Weltkrieges wurden deutsche Kulturgüter widerrechtlich in die ehemalige Sowjetunion abtransportiert. So genannte Trophäenkommissionen der Roten Armee beschlagnahmten in großem Umfang die Bestände von Museen, Bibliotheken und Archiven in Deutschland. In Deutschland wird hierfür in der Öffentlichkeit häufig der Begriff „Beutekunst“ verwendet. Über 2,6 Millionen Kunstwerke, mehr als 6 Millionen Bücher und Kilometer von Archivmaterialien wurden so in die UdSSR gebracht. Auch die Museen, Bibliotheken und Archive, die heute zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz gehören, erlitten dadurch immense Verluste.

Die Sowjetunion betrachtete den Abtransport deutscher Kulturgüter als Ausgleich für ihre eigenen Verluste während des Krieges. Deutsche Truppen hatten in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten zuvor im unglaublichem Ausmaß Kunstwerke und Bücher bewusst zerstört und auch geraubt. Die Sowjetunion war von diesem beispiellosen deutschen Kulturraub und den unwiederbringlichen Verlusten besonders betroffen.

Rückgaben im geteilten Deutschland

Nach Kriegsende übergaben die West-Alliierten alle Kunstwerke, die auf westdeutschem Gebiet aufgefunden wurden und sowjetisches Eigentum waren, an die Sowjetunion. Später gaben deutsche Behörden Objekte an die Sowjetunion beziehungsweise deren Nachfolgestaaten zurück. Etwa eine halbe Million Objekte gelangten so bis zu Beginn der 1950er Jahre wieder in die Sowjetunion. Auch danach wurden vereinzelt entdeckte Werke an die Russische Föderation restituiert. In den öffentlichen Sammlungen Deutschlands sind heute keine während des Zweiten Weltkrieges aus der Sowjetunion verbrachten Kulturgüter mehr bekannt.

Die Sowjetunion übergab in mehreren Aktionen bis 1960 etwa 1,5 Millionen Werke an die Regierung der damaligen DDR. Nach offizieller Lesart gab es danach keinen nennenswerten Bestand an deutschem Kulturgut mehr in sowjetischer Verwahrung. Im Rahmen der größten Rückgabeaktion kehrten 1958/59 unter anderem die Friesplatten des Pergamonaltars und zahlreiche berühmte Gemälde, wie z.B. das „Eisenwalzwerk“ von Adolph Menzel, nach Berlin zurück.

Heute weiß man, dass noch weiteres Kulturgut aus deutschen Sammlungen in Depots und Magazinen in Russland und den umliegenden Staaten lagert. Circa eine Million Kunstwerke, mehr als vier Millionen Bücher und Handschriften sowie umfangreiches Archivgut werden dort vermutet.

Unterschiedliche rechtliche Auffassungen in Deutschland und Russland

Die Bundesregierung führt seit der Wende  Verhandlungen über die Rückführung deutscher Kulturgüter mit Russland. Sie betrachtet die in Russland verwahrten Objekte weiterhin als deutsches Eigentum. Grundlage für diese Haltung ist die Haager Landkriegsordnung von 1907, die den Umgang mit Kulturgütern in Kriegszeiten völkerrechtlich verbindlich regelt. Sie verbietet es, Kulturgut zur Reparation kriegsbedingter Schäden heranzuziehen. Daraus leitet Deutschland einen Anspruch auf Rückgabe ab. Die Bundesrepublik beruft sich zudem auf zwei Abkommen aus den Jahren 1990 und 1992. Darin verpflichteten sich die deutsche und die sowjetische beziehungsweise die russische Regierung gegenseitig, die kriegsbedingt verlagerten Kulturgüter zurückzugeben.

Die russische Seite blockiert die Umsetzung der beiden Abkommen. 1996 erklärte ein nationales russisches Gesetz alle deutschen Kulturgüter aus öffentlichen Sammlungen, die in Folge des Zweiten Weltkrieges nach Russland abtransportiert worden waren, zu russischem Eigentum. Dies wurde von russischer Seite als kompensatorische Restitution bezeichnet. Die Bundesrepublik Deutschland betrachtet dieses Gesetz als völkerrechtswidrig und strebt weiterhin eine einvernehmliche Lösung des Problems an.

Intensivierung der Fachkontakte eröffnet neue Wege in der Frage der Rückführung

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz bemüht sich, intensive Kontakte auf der Fachebene zu russischen Kultureinrichtungen zu knüpfen. Besonders hervorzuheben sind die deutsch-russischen Ausstellungskooperationen in den Jahren 2007 und 2013 zu den Beständen der Merowinger- und der Bronzezeit. In beiden Präsentationen wurden erstmals seit 1945 wieder die Altbestände des Museums für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin gezeigt. Diese waren gemeinsam mit Beständen aller Kooperationspartner zu sehen. Beiden Ausstellungsprojekten lag ein gemeinsam entwickeltes Konzept zugrunde.

Die Intensivierung der Fachkontakte geschieht auch gemeinsam mit der Kulturstiftung der Länder über den Deutsch-Russischen Museumsdialog und den Deutsch-Russischen Bibliotheksdialog. Über eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den russischen Partnern sollen weitere Informationen zum Verbleib von Objekten aus Berliner Beständen gesammelt werden. Ein wesentliches Ziel hierbei ist es, diese seit 1945 in der Russischen Föderation verwahrten Kunstwerke für die Wissenschaft und für die Museumsbesucher zugänglich zu machen.

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