Ein Phoenix für das Schloss

05.03.2018Aus der Asche des Stadtschlosses: Der Phönix-Schirm

Er ist unglaublich farbenprächtig, er ist erstaunlich groß und er ist ein vielschichtiges historisches Zitat: Der Koromandel-Lack-Stellschirm, der ab 2020 das Humboldt Forum bereichert. Bis dahin ist er in der Vis-à-Vis-Ausstellung im Kunstgewerbemuseum zu sehen.

Zwölfteiliger Stellschirm mit Darstellung von einem Phönixpaar umringt von Vögeln und Blüten, spätes 17. Jh.Koromandel-Lack auf Holz, 272 x 569 cm
Zwölfteiliger Stellschirm mit Darstellung von einem Phönixpaar umringt von Vögeln und Blüten, spätes 17. Jh.Koromandel-Lack auf Holz, 272 x 569 cm © Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Asiatische Kunst, Foto: David von Becker

Im Humboldt Forum wird man nicht nur die Weite und Vielfältigkeit der Welt erfahren, sondern auch die Verflechtungen der Geschichte erleben können – und zwar auf mehreren Ebenen. Ein – im doppelten Sinne – schönes Beispiel ist der kürzlich von der Ernst von Siemens Kunststiftung erworbene, chinesische  Koromandel-Lack-Stellschirm aus dem 17. Jahrhundert.

Einerseits zeigt er die ästhetische Exzellenz des chinesischen Kunsthandwerks im 17. Jahrhundert: Bei der Koromandel-Lack-Technik wird auf Holzpaneele eine einige Millimeter starke Schicht aus Kreide vermischt mit Leim aufgetragen, und darüber wieder eine dünne Schwarzlackschicht. Die bildlichen Darstellungen werden durch die Lackschicht in die Kreideschicht eingeschnitzt. Die freigelegten Partien der hellen Unterschicht, von schwarzen Flächen oder Stegen getrennt, werden mit Farben koloriert und teilweise vergoldet. Diese Schirme wurden in China gerne als Geschenke verwendet, hauptsächlich zu Geburtstagen oder Titelverleihungen. In der Fülle ostasiatischer Exportgüter, die im 17. Jahrhundert nach Europa gelangten, stellten mit Koromandellack verzierte Stellschirme die mit Abstand größten und repräsentativsten Objekte dar.

Auch der Stellschirm fürs Humboldt Forum ist mit Ausmaßen von gut drei mal sechs Metern ziemlich groß. Er beeindruckt durch motivischen und koloristischen Reichtum ebenso wie durch die insgesamt sehr gute Erhaltung. Besonders ist der Schirm auch, da sein Hauptmotiv ein Phönix-Paar ist – eine absolute Rarität. Von mehreren Randbordüren eingefasst, nimmt die Darstellung des Hauptmotivs breiten Raum ein. Während der weibliche Phönix sich auf einem Felsen niedergelassen hat, ist der männliche im Augenblick des Aufsetzens noch halb schwebend erfasst. Ihre majestätische Erscheinung mit pfauenartig langen Schwanzschleppen trägt ihrer Rolle als Herrscher über die Gefiederten und als solche das Kaiserpaar symbolisierend aufs Eindrucksvollste Rechnung.

In einer üppig grünenden und blühenden Flora haben sich die anderen Vögel eingestellt, um – auch ihrerseits paarweise auftretend – dem Phönixpaar ihre Aufwartung zu machen. Es sind genau einhundert Vögel, die hier in exakt benennbaren Arten in den Schwarzlack eingeschnitten und farbig ausstaffiert sind, um das glückkonnotierte Thema der „Hundert Vögel, die dem Phönix huldigen“ in seltener Vollzähligkeit zu repräsentieren.

Soweit zur ästhetischen Ebene des Stellschirms – aber auch seine Geschichte ist interessant. Der Große Kurfürst von Brandenburg, der mit der brandenburg-preußischen Kunstkammer die gedankliche Keimzelle des Humboldt Forums schuf, war nämlich großer Freund von Ostasiatika. Darum richtete er um 1695 im Berliner Stadtschloss das erste Lackkabinett in einem deutschen Schloss überhaupt ein – mit zwei chinesischen Koromandellack-Stellschirmen als Herzstück. Einer davon war ein Phönix-Lackschirm. Das Lackkabinett und die Schirme wurden bei einem Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg zerstört. Allein die 1944 angefertigten Schwarzweißaufnahmen vermochten noch eine Vorstellung des Chinesischen Kabinetts und des darin eingebauten Phönixschirms zu vermitteln.

Der nun erworbene Stellschirm ist nahezu identisch mit dem im Lackkabinett des Großen Kurfürsten. Mit ihm zitiert das Humboldt Forum die für seine Entstehung so wichtige brandenburg-preußische Kunstkammer im Stadtschloss – und dokumentiert zugleich den hohen Stellenwert ostasiatischer Kunst in den Anfängen der Berliner Kunstsammlungen.

Chinesisches Kabinett im Berliner Schloss, Ansicht der Türwand (Nord)
Chinesisches Kabinett im Berliner Schloss, Ansicht der Türwand (Nord) © Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum
Chinesisches Kabinett im Berliner Schloss, Ansicht der Stirnwand (Süd)
Chinesisches Kabinett im Berliner Schloss, Ansicht der Stirnwand (Süd) © Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum

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