Der Umzug: Von Dahlem nach Mitte

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Die Objekte der außereuropäischen Sammlungen befinden sich seit Beginn 2016 auf dem Weg ins Humboldt Forum. Denn bevor es ins Stadtschloss geht, muss jedes Ding begutachtet, restauriert und eingepackt werden. Die spannendsten Objekte und ihre Geschichten im Überblick.

Nulis-Maske - Ikone des Humboldt Forums

Sie ist so etwas wie die Nofretete des Humboldt Forums: die Verwandlungsmaske der Kwakwaka‘ – genannt Nulis-Maske – ist eine Ikone der Sammlung des Ethnologischen Museums. Darum war das Einpacken der Nulis-Maske im April 2016 im Beisein des SPK-Präsidenten Hermann Parzinger der symbolische Start der Umzüge von Dahlem nach Mitte. Der norwegische Kapitän Adrian Jacobsen hatte die Maske im Zuge einer Sammlerreise an die pazifische Nordwestküste erworben und 1883 nach Berlin gebracht. Auf der Maske dargestellt ist der Nulis, ein Urahne der Kwakwaka’wakw. Ist die Maske geschlossen, zeigt sie ein dunkles, zorniges Gesicht; offen zeigt sie ein viel freundlicheres, farbenfrohes Antlitz. Getragen wurde die Maske vermutlich bei Potlatch-Festen. Diese dienten dazu, Geschenke zwischen den verschiedenen Clan-Mitgliedern auszutauschen und so eine gerechte Güterverteilung zu gewährleisten.

Hermann Parzinger (r.) verfolgt das Herausholen der Nulis-Maske

Hermann Parzinger (r.) verfolgt das Herausholen der Nulis-Maske © SPK / photothek.net / Thomas Trutschel

Lienzo Seler II - Überdimensionierte Landkarte der Mixteken

Fast 50 Jahre hing das 4x4 Meter große, mixtekische  Baumwolltuch aus dem 16. Jahrhundert unberührt in seiner Glasvitrine im Ethnologischen Museum in Dahlem. Der Lienzo Seler II fungiert einerseits als riesige Landkarte des Tals von Coixtlahuaca – inklusive mythologischer Sphäre, die durch eine kleine Mauer aus Leopardenfell von der realen Topografie getrennt wird. Über den Lienzo verteilt finden sich nicht nur Ortszeichen, vorspanische Pyramiden und Tempel, Wasserläufe, Felder und Fußwege, sondern auch kriegerische Auseinandersetzungen wie die Hängung von Indianern durch einen spanischen Richter. Für den Umzug wird der Lienzo Seler II nun erstmals freigelegt, detailliert naturwissenschaftlich und kunsthistorisch erforscht und restauriert. Nach Abschluss dieser Arbeiten stellt sich für die Logistiker die Herausforderung, das entfaltet immerhin 17 Quadratmeter große Tuch durch die Türen des Dahlemer Museums zu bekommen.

Angkor Vat – Neues altes Prachtstück aus dem Depot

Die fast in Vergessenheit geratenen Abgüsse der prächtigen Reliefs der kambodschanischen Tempelanlage Angkor Vat aus dem Museum für Asiatische Kunst  werden umfassend restauriert. Mit der Neukonzeption der Ausstellungsgestaltung für das Humboldt Forum stehen die Objekte nun wieder im Fokus der Kuratoren und Gestalter. Angkor Vat, die großartigste Schöpfung der Khmerarchitektur, entstand bis Mitte des 12. Jahrhunderts. Die Reliefs erzählen Legenden und berichten von Heldentaten ihrer Hauptgestalten Krishna und Rama. Die zu Beginn des 20. Jahrhunderts erworbenen Abgüsse galten seit dem Zweiten Weltkrieg als vernichtet. Bis Anfang der 1980er Jahre zufällig 442 Papierformen in der Gipsformerei der wiederentdeckt wurden, auf deren Basis neue Abgüsse hergestellt werden konnten, die in das damalige Museum für Indische Kunst eingebaut wurden. Mit dem Umbau des Dahlemer Museums wurden die Objekte 1997 aus der Dauerausstellung entfernt. Nach ihrer Restaurierung finden die Reliefs dann ihren gebührenden Platz im Humboldt Forum.

Der lange Weg der Südseesammlung

Verwandlungsmaske des „Nulis“, Kwakiutl, Sammlung Jacobsen 1881
Verwandlungsmaske des „Nulis“, Kwakiutl, Sammlung Jacobsen 1881 © Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum/Claudia Obrocki
Lienzo Seler II in der Dahlemer Vitrine
Lienzo Seler II in der Dahlemer Vitrine © SPK/photothek.net
Museen Dahlem
Auf dem Weg zum Humboldt Forum
Die Baustelle in der Südseeabteilung des ethnologischen Museums (öffnet Vergrößerung des Bildes)
Seit Januar 2016 ist die Südseeabteilung für Besucher geschlossen. Im Hintergrund sind die Räumungsarbeiten in vollem Gange © SPK / Stefan Müchler
Leere Vitrinen im Ethnologischen Museum in Dahlem (öffnet Vergrößerung des Bildes)
Nach und nach verschwinden die Objekte aus ihren Vitrinen. Sie werden vor dem Umzug ins Humboldt Forum fotografiert, restauriert und sicher verpackt © SPK / Stefan Müchler
Zu sehen ist neben bereits leeren Vitrinen eine noch ausgestellte farbige Pfahlskulptur aus Südwest-Neubritannien (öffnet Vergrößerung des Bildes)
Einsam in der Vitrine: Zu sehen ist eine farbige Pfahlskulptur aus Holz, die aus Arawe südwestlich Neubritanniens stammt. Sie gehört zur Sammlung Mencke 1901 © SPK / Stefan Müchler
Eine Gruppe bunter Masken aus Ozeanien und Australien (öffnet Vergrößerung des Bildes)
So eng kommen sie nie wieder zusammen: Das bunte Parlament der Masken aus Ozeanien und Australien © SPK / Stefan Müchler
Eine neuirische-Tatanua-Maske mit beeindruckender Haarraupe, die als Tanzmaske auf Trauerfeiern diente (öffnet Vergrößerung des Bildes)
Tatanua-Masken sind die bekanntesten Masken aus Neuirland. Dieses Exemplar stammte aus einem Privathaus und repräsentierte mit ihrer Trauerfrisur einen Toten © SPK / Stefan Müchler
Eines der berühmten Südseeboote vor dem Umzug (öffnet Vergrößerung des Bildes)
Die riesigen Südseeboote sind Besucherattraktion in Dahlem. Eines dürfen Kinder sogar erklettern. Der Umzug stellt aber eine logistische Herausforderung dar © SPK / S. Müchler
Arbeiter bereiten eine Säule auf den Transport vor (öffnet Vergrößerung des Bildes)
Arbeitende am Werk: Nach einer langen Prozedur inklusive Reinigung und Entwesung werden die wertvollen Einzelstücke gut gepolstert auf den Weg gebracht © SPK / Stefan Müchler
Abguss eines Reliefs aus Angkor Vat, derzeit zur Restaurierung in Friedrichshagen
Abguss eines Reliefs aus Angkor Vat, derzeit zur Restaurierung in Friedrichshagen © SPK / photothek.net / Thomas Trutschel
Öffnen der Cotzumalhuapa-Stelen mit Hammer und Meißel
Öffnen der Cotzumalhuapa-Stelen mit Hammer und Meißel © SPK /Stefan Müchler
Demontage zweier Wandgemälde in der Seidenstraßenausstellung in Dahlem
Demontage zweier Wandgemälde in der Seidenstraßenausstellung in Dahlem © SPK / photothek.net /Thomas Imo
Detailaufnahme eines hölzernen Bootes (öffnet Vergrößerung des Bildes)
Auslegerboot von der Sepik-Mündung / Neu Guinea aus dem Ethnologischen Museum © SPK / photothek.net / Thomas Koehler
Detailaufnahme mit einer Schrifttafel, die das Objekt beschreibt (öffnet Vergrößerung des Bildes)
Auslegerboot von der Sepik-Mündung / Neu Guinea aus dem Ethnologischen Museum © SPK / photothek.net / Thomas Koehler
Mehrere Menschen bereiten ein hölzernes Boot zum Transport vor (öffnet Vergrößerung des Bildes)
Verpackung des Auslegerbootes für den Transport © SPK / photothek.net / Thomas Koehler
Mehrere Menschen bereiten ein hölzernes Boot zum Transport vor (öffnet Vergrößerung des Bildes)
Verpackung des Auslegerbootes für den Transport © SPK / photothek.net / Thomas Koehler
Ein Mann hält die Seitenwand einer Holzkiste, in der sich ein Boot befindet (öffnet Vergrößerung des Bildes)
Verpackung des Auslegerbootes für den Transport © SPK / photothek.net / Thomas Koehler
Ein Mann blickt auf eine an einer Seite offene Holzkiste, in der sich ein hölzernes Boot befindet (öffnet Vergrößerung des Bildes)
Verpackung des Auslegerbootes für den Transport © SPK / photothek.net / Thomas Koehler
Detailaufnahme eines Messgerät in einer Holzkiste (öffnet Vergrößerung des Bildes)
Messgerät in der Transportkiste © SPK / photothek.net / Thomas Koehler
Detailaufnahme einer verpackten Spitze eines Holzbootes in einer Holzkiste (öffnet Vergrößerung des Bildes)
Verpackung des Auslegerbootes für den Transport © SPK / photothek.net / Thomas Koehler
Zwei Männer stehen auf einer mit Gurten umspannten Kiste, zwei weitere sehen von unten zu (öffnet Vergrößerung des Bildes)
Befestigung für den Krantransport durch das Fenster © SPK / photothek.net / Thomas Koehler
Zwei Männer befestigen einen Gurt an einem Haken (öffnet Vergrößerung des Bildes)
Zwei Männer befestigen einen Gurt an einem Haken
Befestigung für den Krantransport durch das Fenster © SPK / photothek.net / Thomas Koehler
Zwei Männer befestigen Seile an einem Kran (öffnet Vergrößerung des Bildes)
Befestigung für den Krantransport durch das Fenster © SPK / photothek.net / Thomas Koehler
Zwei Männer befestigen eine große Holzkiste an einem Kran (öffnet Vergrößerung des Bildes)
Zwei Männer befestigen eine große Holzkiste an einem Kran
Befestigung für den Krantransport durch das Fenster © SPK / photothek.net / Thomas Koehler
Ein Kran hebt eine Holzkiste durch ein Fenster ins Freie (öffnet Vergrößerung des Bildes)
Heben der Transportkiste durch das Fenster des Martin-Gropius-Baus © SPK / photothek.net / Thomas Koehler
Blick von unten auf eine Holzkiste, die von einem Kran durch ein Fenster nach draußen gezogen wird (öffnet Vergrößerung des Bildes)
Heben der Transportkiste durch das Fenster des Martin-Gropius-Baus © SPK / photothek.net / Thomas Koehler
Eine große Holzkiste und mehrere Personen steht auf einem geplasterten Platz vor einem Fahrzeug (öffnet Vergrößerung des Bildes)
Transportkiste am Kran © SPK / photothek.net / Thomas Koehler
Eine große Holzkiste und mehrere Personen steht auf einem geplasterten Platz vor einem Fahrzeug (öffnet Vergrößerung des Bildes)
Verladen auf den LKW © SPK / photothek.net / Thomas Koehler

Cotzumalhuapa-Stelen – Steinerne Zeugen des rituellen Ballspiels

Ihr Platz war der Eingang zum Mesoamerika-Saals in Dahlem: Acht gewaltige Stelen der Cotzumalhuapa-Kultur (400 bis 900 n. Chr.). In Guatemala säumten sie einen Platz für das rituelle Ballspiel. Dieses symbolisierte den Kampf zwischen irdischer Welt und Unterwelt, zwischen widerstreitenden Paaren wie Licht und Finsternis, Leben und Tod. Die reliefierte Seite der Stelen, Ballspieler mit Schutzkleidung und Himmelsgottheiten zeigend, wurde in den 1870er Jahren abgesägt, um das tonnenschwere Gewicht für den Transport nach Europa zu reduzieren. Beim Aufbau des Mesoamerika-Saales des Ethnologischen Museums, Staatliche Museen zu Berlin, im Jahre 1970, wurden die an ihrem Herkunftsort entfernten rückwärtigen Stelenteile in Steinoptik ergänzt, um eine Vorstellung der ursprünglich massiven Stelen zu vermitteln. Für den Umzug ins Humboldt Forum musste der hinzugefügte, rückwärtige Teil der Stelen ab Mai 2016 vorsichtig aufgemeißelt und von den originalen Reliefplatten entfernt werden. Dank dieses Eingriffs mit Hammer und Meißel können Restauratoren und Gestalter den konservatorischen Zustand und Restaurierungsbedarf der dann erstmals seit Jahrzehnten vollständig untersuchbaren Objekte abschätzen, und die erneute Montage im Humboldt Forum präzise planen.

Seidenstraßenobjekte – Das Schwerste am Schluss

Mit dem Herauslösen zweier fest eingebauten Malereien wurde im Mai 2016 eine weitere Etappe für den anstehenden Umzug der Sammlung des Museums für Asiatische Kunst geschafft. Die Dauerausstellung zur Seidenstraße im Dahlemer Museum ist damit bereits nahezu vollständig abgebaut worden. Im November 2016 folgt der komplizierte Abbau der tonnenschweren buddhistischen Kulthöhle „Höhle der Ringtragenden Tauben“ aus dem fünften Jh. n. Chr.

Aufwendig verpackt und vom Kran durchs Fenster gehoben – mit handwerklichem Geschick und unter den wachsamen Augen der Wissenschaftler reiste ein Südsee-Boot im Juli 2015 aus dem Martin-Gropius-Bau zurück nach Dahlem. Im Martin-Gropius-Bau war das große Auslegerboot neben zahlreichen Objekten der bedeutenden Südsee-Sammlung des Ethnologischen Museums in der Ausstellung „Tanz der Ahnen. Kunst vom Sepik in Papua-Neuguinea“  zu sehen. Der Transport des Bootes war auch ein Probelauf: Bald treten die Südsee-Boote ihre große Reise ins Humboldt Forum an.

Auf dem Weg zum Humboldt Forum

Seit Januar 2016 bereitet Dahlem den Umzug der außereuropäischen Sammlungen ins Humboldt Forum vor. Der mehrstufige Prozess findet passgenau zu den laufenden Baumaßnahmen am Schlossplatz statt. Zugleich werden alle Objekte vor ihrem Weg nach Mitte baulich freigelegt, restauriert und in den Dahlemer Werkstätten für ihre Präsentation im Humboldt Forum vorbereitet. Die zentrale Sonderausstellungshalle in Dahlem wurde hierzu in einen Depot- und Werkstattbereich umfunktioniert. Dank  ihrer strategischen Lage im Museumskomplex dient sie als „Verschiebebahnhof“ zum Humboldt Forum.

Der Standort Dahlem


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