„Bronzezeit – Europa ohne Grenzen“. Ausstellung mit kriegsbedingt verbrachten Beständen aus dem Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte in der Eremitage

Pressemitteilung vom 18.06.2013

Am 21. Juni 2013 wird in Anwesenheit von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Staatspräsident Vladimir Putin in der Staatlichen Eremitage in St. Petersburg die Ausstellung „Bronzezeit – Europa ohne Grenzen“ eröffnet. Sie ist ein Kooperationsprojekt der Eremitage, des Staatlichen Historischen Museums (Moskau), des Staatlichen Puschkin Museums der Schönen Künste (Moskau) und des Museums für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz. Viele Objekte, die während oder unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkrieges aus Berlin nach Russland verbracht worden waren, werden in der Ausstellung erstmals wieder öffentlich zu sehen sein.

Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, sagt dazu: „Dieses Ausstellungsprojekt zeigt deutlich, wie erfolgreich und vertrauensvoll die Zusammenarbeit der deutschen und russischen Museumsfachleute mittlerweile funktioniert. Selbstverständlich bleibt die politische Lösung im Raum, dass die deutschen Bestände, die seit 1945 in Russland verwahrt werden, den Weg in ihre angestammten Sammlungen zurückfinden sollten. Aber der Zeitpunkt der Rückführungen scheint noch nicht gekommen. Wir konzentrieren uns daher weiterhin auf den Ausbau und die Intensivierung der Fachkontakte und hoffen, damit auch den Weg für die Lösung der anderen Fragen zu ebnen.“

Ausstellungsorte und Laufzeit:
Staatliche Eremitage, St. Petersburg: 21.06. – 08.09.2013
Staatliches Historisches Museum, Moskau: 15.10.2013 – 13.01.2014

Die Ausstellung ist das Ergebnis jahrelanger Zusammenarbeit der Museumskollegen aus Russland und Berlin. Sie präsentiert anhand von mehr als 1700 Objekten aus allen beteiligten Museen die kulturellen, gesellschaftlichen und religiösen Entwicklungen im bronzezeitlichen Europa. Diese Epoche beginnt mit den Ursprüngen früher Metallverarbeitung im 4. Jahrtausend vor Christus und reicht bis zum Beginn des ersten Jahrtausends vor Christus. Es ist der Zeitraum, in dem erstmals größere, hierarchisch strukturierte Zivilisationen vom Westen des heutigen Europa bis weit nach Russland und Eurasien entstehen. Geographisch umfasst die Ausstellung daher den Raum zwischen Atlantik und Ural bis zum Kaukasus. Sie präsentiert die neuesten Forschungsergebnisse aller beteiligten Museen zur Bronzezeit.

Zu den Höhepunkten der Präsentation zählen Gold- und Silberarbeiten vom „Schatz des Priamos“ aus Troja, Objekte aus dem Maikop-Kurgan in Südrussland, der Schatz von Borodino und herausragende Fundkomplexe aus Deutschland wie etwa der berühmte Schatzfund von Eberswalde in Brandenburg, die Goldfunde aus Werder und die Luren von Daberkow.

Der Schatz von Eberwalde gehört, wie auch viele weitere Ausstellungsstücke, zum Vorkriegsbestand des Berliner Museums für Vor- und Frühgeschichte. Heute befindet er sich als so genanntes kriegsbedingt verlagertes Kulturgut in Russland. Zahlreiche Objekte der Staatlichen Museen zu Berlin, darunter auch unersetzliche Kernstücke, waren nach dem Zweiten Weltkrieg als so genannte Beutekunst von der Roten Armee in die UdSSR abtransportiert worden. Sie galten bis in die 1990er Jahre als im Krieg verschollen oder gar zerstört. Erst nach der Wiedervereinigung Deutschlands konnten die Museen Fachkontakte knüpfen und nach und nach intensivieren. Seit Ende der 1990er Jahre  wurde nach und nach bekannt, dass ein großer Teil des kriegsbedingt verlagerten Kulturgutes erhalten geblieben ist und sich heute in russischen Museen befindet. Die unterschiedlichen Rechtsauffassungen von Deutschland und der Russischen Förderation in Bezug auf die Eigentumsfrage dieser Objekte sind Grund dafür, dass die Ausstellung  nicht im Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte gezeigt werden kann, obwohl es einer der Kooperationspartner ist. Deutschland vertritt die durch Völkerrecht gestützte Auffassung, die Objekte müssten zurückgegeben werden. Russland hat diese durch ein 1996 erlassenes Duma-Gesetz zu nationalem Eigentum erklärt und damit eine Rückgabe bislang ausgeschlossen.

Von den mehr als 1700 Exponaten der Ausstellung sind annähernd 600 kriegsbedingt verlagerte Gegenstände aus dem Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte. Diese Objekte haben wegen ihrer wissenschaftlichen und historischen Bedeutung für die Analyse der Kultur im bronzezeitlichen Europa besonderes Gewicht in der Ausstellung. Knapp 230 weitere Stücke sind befristete Leihgaben aus dem Berliner Museum. Die übrigen Ausstellungsstücke haben die beteiligten russischen Museen aus ihren eigenen Sammlungen beigesteuert. Wesentlich für das Zustandekommen der Ausstellung war, dass die verlagerten Altbestände aus Berlin in der Ausstellung ausdrücklich als „Kriegsbedingt verlagert. Bis 1945 MVF Berlin“ gekennzeichnet sind. 

Mit ihrer Präsentation in der Ausstellung sind die kriegsbedingt verlagerten Objekte aus dem Museum für Vor- und Frühgeschichte wieder zurückgekehrt in den wissenschaftlichen Kreislauf. Ihr Aufbewahrungsort und ihr Erhaltungszustand sind endlich bekannt. Das ist die Grundlage für jede weitere wissenschaftliche Arbeit mit ihnen. Das Projekt diente auch der Intensivierung der Zusammenarbeit russischer und deutscher Fachleute. Gemeinsam haben die Experten aus beiden Ländern die kriegsbedingt verlagerten Bestände erschlossen und fotografisch dokumentiert. Auch in Fragen der Restaurierung und bei Konservierungsmaßnahmen war die Zusammenarbeit von großer Offenheit geprägt. Die deutschen Museumsfachleute hatten uneingeschränkten Zugang zu den Objekten, soweit dies für die Vorbereitung der Ausstellung nötig war. Diese gemeinsame wissenschaftliche Bearbeitung der Bestände fördert den Ausbau eines funktionierenden Netzwerkes für zukünftige, ähnliche Projekte.

„Bronzezeit – Europa ohne Grenzen“ ist die zweite Ausstellung, die die Berliner Museen mit russischen Kooperationspartnern in dieser Form verwirklichen. Die erste Ausstellung  im Jahr 2007 widmete sich der Merowingerzeit. Wie damals, ist nun mit „Bronzezeit – Europa ohne Grenzen“ trotz willkürlich zerrissener Sammlungsbestände die wissenschaftliche Aufarbeitung eines großen zusammenhängenden Kulturraums gelungen, die für die internationale Forschung hervorragende weitere Ansätze liefert.

Die Eröffnung von „Bronzezeit – Europa ohne Grenzen“ bildet auch den Abschluss der Kreuzjahre „Deutschlandjahr in Russland / Russlandjahr in Deutschland“. Die Ausstellung steht als deutsch-russisches Kooperationsprojekt unter der Schirmherrschaft des Petersburger Dialoges, dessen AG Kultur gemeinsam von dem Generaldirektor der Eremitage, Michail Piotrovsky, und dem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, geleitet wird. Der Petersburger Dialog ist ein deutsch-russisches Gesprächsforum im Rang einer Nichtregierungsorganisation, das einmal im Jahr abwechselnd in Russland und in Deutschland zusammentrifft. Seine Arbeitsgruppen beschäftigen sich mit allen Gesellschaftsbereichen.

Zur Ausstellung erscheint auch ein zweisprachiges Begleitbuch mit zahlreichen Fachbeiträgen deutscher und russischer Wissenschaftler, ein künftiges Standardwerk zum Thema. Im Katalogteil sind alle Exponate abgebildet. Die seit 1945 in Russland befindlichen Berliner Bestände aus dem Museum für Vor- und Frühgeschichte sind auch im Katalog jeweils ausdrücklich gekennzeichnet. Zudem werden neben den aktuellen russischen auch die ehemaligen deutschen Inventarnummern genannt. Der Katalog wurde ermöglicht durch die großzügige Förderung der Ernst von Siemens Kunststiftung.

Ausstellungskatalog (deutsch / russisch):
Бронзовый век. Европа без границ. Четвертое - первое тысячелетия до н. э. / Bronzezeit. Europa ohne Grenzen. 4. – 1. Jahrtausend v. Chr.
Verlag Tabula Rasa, St. Petersburg, 2013; 648 Seiten. Erhältlich in  Russland über die Staatliche Eremitage St. Petersburg und das Staatliche Historische Museum Moskau; in Deutschland in Kürze bei den Staatlichen Museen zu Berlin.

Konferenz:
Vom 16. bis 17.10.2013 findet im Staatlichen Historischen Museum in Moskau die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und den Staatlichen Museen zu Berlin veranstaltete Konferenz „Die Bronzezeit in Europa. Aktuelle Forschungen und Perspektiven“ statt.

Pressekontakte in Russland:
Staatliche Eremitage, St. Petersburg:
Frau Larissa Korabelnikova, E-Mail
Staatliches Historisches Museum, Moskau:
Frau Olga Gukovskaya, E-Mail
Deutsches Generalkonsulat in St. Petersburg:
Herr Ricco, E-Mail
Deutsche Botschaft in Moskau:
Frau Althauser, E-Mail
Frau Linke, E-Mail
Goethe Institut Moskau:
Frau Voigt, E-Mail

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