Zwei lange verschollene Werke von Adolph Menzel kehren in das Berliner Kupferstichkabinett zurück

Pressemitteilung vom 10.07.2006

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat heute zwei kapitale Gouache-Bilder des Berliner Künstlers Adolph von Menzel (1815–1905) zurück erhalten, die seit über sechzig Jahren als verschollen galten. Die Werke wurden aufgrund eines Hinweises des Auktionshauses Christie’s, bei dem sie versteigert werden sollten, identifiziert: Nachforschungen hatten ergeben, dass die Bilder aus dem Altbestand der Königlichen Nationalgalerie Berlin stammen könnten. Experten des Berliner Kupferstichkabinetts, das die umfangreichste Menzel-Sammlung der Welt besitzt, stellten ohne Zweifel fest, dass es sich bei den beiden angebotenen Blätter tatsächlich um die vermissten Werke aus dem eigenen Bestand handelt.

„Bauernhof in Hofgastein“ (1874) und „Schmiede zu Gastein“ (1879) entstanden während Menzels Aufenthalten im österreichischen Kurort Hofgastein. Diesen besuchte er in den Sommermonaten der Jahre 1872-74 und 1879, als er sich auf dem Höhepunkt seiner künstlerischen Schaffenskraft befand. Schon Menzels Zeitgenossen priesen die außerordentliche Qualität der Werke. 1881 erwarb die Königliche Nationalgalerie Berlin, deren Sammlung von Zeichnungen heute zum Berliner Kupferstichkabinett gehört, die zwei Deckfarbenbilder. 1934 wurden sie an die Reichskanzlei verliehen. Seitdem diese nach Ende des Krieges geplündert wurde, galten die Gouachen, wie viele weitere Werke aus den Beständen der Staatlichen Museen zu Berlin, als vermisst. Bis zu der Anfrage von Christie’s im  September 2004 gab es keinerlei Hinweise auf den Verbleib der beiden Blätter. Sie sind in relativ gutem Zustand erhalten und bereichern in herausragender Weise die exzellente Menzel-Sammlung des Berliner Kupferstichkabinetts.

Die Werke

Als Menzel 1874 den „Bauernhof in Hofgastein“ malte, war er wie schon in den beiden vorausgegangenen Jahren Gast im Haus seines Berliner Freundes Magnus Herrmann, der zu seinen frühesten Bewunderern und Sammlern zählte. Der Kaufmann, Bankier und Kunstsammler besaß in Hofgastein ein Landhaus, das er in den Sommermonaten mit seiner Familie bewohnte. Das so genannte „Gärtnerhaus“, in dem er ein großes Atelier einrichten hatte lassen, nutzten Menzel und die Familie seiner Schwester während der Aufenthalte 1872-74 als Unterkunft. In dieser Zeit schuf Menzel vor allem Studien des Ortes und seiner Umgebung. Der bildmäßig ausgeführte „Bauernhof in Hofgastein“ lenkt den Blick vom Fenster des Ateliers raffiniert über Gärten und Bauernhäuser hinweg in das Gasteiner Tal. Er zählt zu den besonders im späteren Werk seltenen „reinen“ Landschaftsbildern Menzels und faszinierte bereits dessen Zeitgenossen: So schwärmte der Menzel-Spezialist Lionel Donop 1895 von dem „Bild aus Hofgastein, wo alles in Licht und Naturfrische zu leuchten scheint. Man athmet Alpenluft, die Blumen des Gartens blühen frisch, feuchter Nebel umschleiert leicht die blauen Berge.“

Während seines späteren Aufenthaltes in Hofgastein 1879 wählte Menzel ein anderes Thema. Nach seinen Beobachtungen der ländlichen Bevölkerung und ihrer Lebensgewohnheiten rückte er das Thema der Arbeit in den Vordergrund. 1875 hatte er mit dem „Eisenwalzwerk“ eines seiner Hauptwerke abgeschlossen, das als eindrucksvolle Darstellung der Fabrikarbeit ebenfalls dieser Thematik gewidmet war. In der „Schmiede zu Gastein“ hingegen beschäftigte er sich mit dem traditionellen ländlichen Handwerksbetrieb. Das Interieurbild, das besonders durch die meisterhafte Beherrschung des Helldunkels beeindruckt, kann deshalb als kleineres Gegenstück zu dem älteren Werk verstanden werden. Ebenso wie „Bauernhof in Hofgastein“ ist es ein besonderes Highlight, da es nicht den bei Menzel so häufig anzutreffenden skizzenhaften Charakter hat, sondern bildmäßig ausgeführt ist.

Verluste der Stiftung Preußischer Kulturbesitz

Der Zweite Weltkrieg und die Zeit der Besatzung Deutschlands haben für die Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz erhebliche Verluste mit sich gebracht. Zahlreiche Werke wurden vernichtet, viele wurden von den russischen Trophäenkommissionen beschlagnahmt und etliche werden bis heute vermisst, ohne dass die Art des Verlustes näher bezeichnet werden kann. Dies systematisch zu erfassen und zu dokumentieren, war für die Berliner Museen aufgrund der Teilung der Sammlungen in Ost und West jahrzehntelang nicht möglich.

1995 erschien schließlich der erste Band der „Dokumentation der Verluste“, der die Sammlung der Gemäldegalerie aufarbeitet. Seitdem wurden vier weitere Bände (Nationalgalerie, Museum für Indische Kunst, Museum für Vor- und Frühgeschichte, Antikensammlung) veröffentlicht, die bereits etliche Rückgaben bewirkt haben. Für das Kupferstichkabinett, das mit 110.000 Handzeichnungen und ca. 550.000 druckgrafischen Blättern zu den besten und umfangreichsten grafischen Sammlungen der Welt zählt, existiert noch kein Katalog, doch sind die beiden Menzel-Bilder in einschlägigen Werkverzeichnissen, Studien und Katalogen immer wieder publiziert worden.

Die Bände der „Dokumentation der Verluste“ sind beziehbar über den Online-Shop der Staatlichen Museen zu Berlin.

Abbildungen der Werke „Bauernhof in Hofgastein“, Gouache und Wasserfarben auf Papier, 32,2 x 24,6 cm (Werkverzeichnis Tschudi 603) sowie „ Schmiede zu Gastein“, Gouache und Wasserfarben auf Papier, 41,9 x 28,8 cm (Werkverzeichnis Tschudi 621) können bestellt werden per E-Mail.

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