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Ein seit Kriegsende als vermisst geltendes italienisches Madonnenbildnis kehrte gestern in die Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin zurück
Press release from 02/09/2012
Das Renaissance-Gemälde „Maria mit dem Kinde“ war bei Sotheby’s New York zur Begutachtung eingeliefert und vom Auktionshaus als Altbestand der Berliner Gemäldegalerie identifiziert worden. Der Besitzer, der US-Amerikaner Bryan Horney, erklärte sich daraufhin sofort bereit, das Bild an die Gemäldegalerie zurückzugeben. Er selbst hatte es von seinem Vater geerbt, der nach Kriegsende als Offizier der US-Armee in Berlin stationiert war und das Bild 1946 vermutlich dort gekauft hatte. Er und Mitglieder seiner Familie übergaben das Madonnenbildnis kürzlich dem Vizepräsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Günther Schauerte, in den Räumen des Goethe-Instituts in Washington. Schauerte sagte hierzu: „Wir danken Herrn Bryan Horney für seine Bereitschaft, das Bild an die Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin zurückzugeben, wie auch Sotheby’s für die aufmerksamen Recherchen zur Provenienz des Bildes; beides markiert einen verantwortungsvollen Umgang mit Kulturgütern.“ Das Bild ist soeben nach Berlin zurückgekehrt.
Das 42 x 31 Zentimeter große Gemälde zeigt Maria mit dem Christusknaben als Halbfigur vor einer Landschaft. Es wurde früher dem lombardischen Maler Giovanni Boltraffio (1467-1516) zugeschrieben, doch lassen neuere Expertisen den Schluss zu, dass das Werk von einem anonymen lombardischen Künstler stammt.
Mit Kriegsbeginn 1939 wurden die Häuser der Museumsinsel geschlossen, im Dezember 1940 begann die Evakuierung der Gemäldebestände. Die häufigen Fliegerangriffe auf Berlin veranlassten die Leitung der Sammlung, den Leitturm des Flakbunkers im Friedrichshain als Bergungsort zu nutzen. Hier deponierte man seit September 1941 Kunstwerke der Staatlichen Museen, darunter auch das soeben zurückgekehrte Bild. Bis September 1942 war die Einlagerung im Wesentlichen abgeschlossen. Im März 1945 begann die abermalige Verlagerung der Kunstwerke in Salzbergwerke in Thüringen. Schon am 7. April wurden die Transporte aber wieder eingestellt. Nach letztem Kenntnisstand blieben 434 Gemälde im Leitturm des Flakbunkers im Berliner Friedrichshain zurück. Am 2. Mai 1945 wurde der Bunker (Geschütz- und Leitturm) kampflos der Roten Armee übergeben. Am 5./6. Mai und zwischen dem 14. und 18. Mai folgten Großfeuer im Leitturm. Seither sind die 434 Gemälde der Berliner Galerie spurlos verschwunden. Sie sind in dem Katalog „Dokumentation der Verluste, Band 1, Gemäldegalerie" im Verzeichnis der „Vermutlich im Mai 1945 im Leitturm des Flakbunkers im Berliner Friedrichshain vernichteten Werke" gelistet. Anhand dieser Publikation konnte das Bild „Madonna mit dem Kinde" von Sotheby’s identifiziert werden.
Hermann Parzinger, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, betonte: „Bei dem nun zurückgekehrten Bild handelt es sich um das bisher einzige Werk aus dem 1945 in Berlin verbliebenen Bestand der Gemäldegalerie, das wieder aufgefunden wurde. Bislang galten die im Flakbunker Friedrichshain ausgelagerten Bestände der Gemäldegalerie alle als durch den Brand im Leitturm der Bunkeranlage im Mai 1945 zerstört. Es bleibt zu hoffen, dass sich aus diesem Fall weitere Aufschlüsse zum Verbleib der in den Flakbunker verlagerten Werke der Gemäldegalerie ergeben."