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Auf Herkunftsforschung folgt Vermittlung: Projekt zur Erforschung menschlicher Gebeine aus Westafrika geht in die Verlängerung
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Press release from 07/04/2024
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Provenienzen historischer Schädelsammlung erforscht – Förderung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien ermöglicht Vermittlung in Westafrika
Über drei Jahre haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Museums für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus den Herkunftsländern die Provenienzen menschlicher Gebeine aus Westafrika erforscht und diese rekontextualisiert. Insgesamt befinden sich in der Sammlung des Museums 523 menschliche Schädel mit kolonialem Bezug, deren Erforschung durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) gefördert wurde. Bei einem wesentlichen Teil konnte die Herkunftsregion so weit eingrenzt werden, dass Rückgaben an einzelne Communities möglich sind, wenn dies von den betroffenen Ländern gewünscht ist. Durch die nun von der BKM bewilligte Projektverlängerung bis zum 31.12.2024 kann die direkte Vermittlung der Forschungsergebnisse in die betroffenen Dörfer und Gemeinschaften realisiert werden.
Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur und Medien: „Menschliche Gebeine, die während der Kolonialzeit geraubt wurden, gehören nicht in deutsche Museen. Unser heutiger Umgang mit diesen Raubgütern ist insbesondere für die Herkunftsgesellschaften Gradmesser für die Aufrichtigkeit unserer Auseinandersetzung mit der Kolonialvergangenheit. Daher appelliere ich an alle Sammlungsverantwortlichen, gemeinsam mit den Herkunftsländern die Provenienz menschlicher Gebeine in ihren Beständen zu erforschen, deren Rückführung zu ermöglichen und damit die notwendige Transparenz für neue Partnerschaften zu schaffen.“
„Für die SPK ist die Restitution der human remains an die betroffenen Länder das klare Ziel der Provenienzforschung. Ich freue mich sehr, dass wir – nach dem Pilotprojekt zu Deutsch-Ostafrika – nun auch in Westafrika so große Fortschritte erzielen konnten. Natürlich sind wir auch hier zur sofortigen Rückgabe bereit“, so Hermann Parzinger, Präsident der SPK.
Die Provenienzforschung an den menschlichen Schädeln wurde bzw. wird mit insgesamt rund 903.000 Euro durch die BKM gefördert. Neben der umfassenden archivalischen Forschung in Deutschland war die Feldforschung in Togo und Kamerun essenziell, da nur so die Angaben in den erhaltenen Archivunterlagen überprüft und die Forschenden von lokalem Wissen profitieren konnten. Es stellte sich beispielsweise heraus, dass Ortsnamen falsch verzeichnet wurden und damalige Siedungsplätze heute nicht mehr existieren.
Mit dem im Zuge der Forschung gewonnenen Wissen soll jetzt ein Netzwerk mit den Communities, aus denen die menschlichen Gebeine stammen, initiiert werden. Hierbei kann auf Erfahrungen aus dem Pilotprojekt zu Deutsch-Ostafrika von 2017 bis 2021 aufgebaut werden. Bei der Kommunikation der Ergebnisse dieses vorherigen Forschungsprojektes in Tansania und Ruanda hatte sich beispielsweise gezeigt, dass vermittelnde Maßnahmen den Zugang zu den Forschungsergebnissen erleichtern. Nun werden die Ergebnisse der Provenienzforschung durch das Projektteam persönlich in den hauptsächlich betroffenen Dörfern kommuniziert werden. Durch die Vermittlung vor Ort werden die Gemeinschaften gleichzeitig ermächtigt, ihre Wünsche zu artikulieren und den jeweiligen Regierungen zu kommunizieren.
Eine umfassende Publikation in französischer Sprache soll Anfang des kommenden Jahres erscheinen und die Forschungsergebnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen.
Informationen zu menschlichen Gebeinen am Museum für Vor- und Frühgeschichte
Die untersuchten menschlichen Gebeine gehören zu der anthropologischen Sammlung von rund 7.700 Schädeln, die die SPK 2011 in äußerst schlechtem Zustand von der Charité übernommen hatte. Sie waren vom Museum für Vor- und Frühgeschichte vor Beginn der Provenienzforschung zunächst aufwändig gereinigt und konservatorisch gesichert worden. Viele von Ihnen stammen aus der so genannten „S-Sammlung", die Felix von Luschan um die Jahrhundertwende aus nahezu allen Teilen der Erde zusammengetragen hat. Andere Gebeine stammen aus der Schädelsammlung des ehemaligen anatomischen Instituts der Charité, sowie aus weiteren kleineren Sammlungen. Nach dem Ersten Weltkrieg ließ das Interesse an den anthropologischen Sammlungen deutlich nach und sie gerieten allmählich in Vergessenheit.
Im Rahmen eines Pilotprojektes wurden am Museum für Vor- und Frühgeschichte von 2017 bis 2021 die Provenienzen von über 1.100 Schädeln aus der ehemaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika untersucht. 904 Schädel konnten Gebieten im heutigen Ruanda, 197 Tansania und 27 Kenia zugeordnet werden. Bei sieben gelang keine Zuordnung. Die Ergebnisse wurden in der Publikation „Human Remains from the Former German Colony of East Africa“, herausgegeben von Bernhard Heeb und Charles Mulinda Kabwete, veröffentlicht. Der Provenienzforschung der Gebeine aus Ostafrika schloss sich ab 2021 das Folgeprojekt zu Westafrika an.
Pressefotos:https://www.preussischer-kulturbesitz.de/newsroom/presse/pressebilder.html