SPK gibt antike Vasen an Italien zurück und erhält langfristige Leihgaben

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Press release from 06/13/2024

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Sperrfrist: 13.06.2024, 14.30 Uhr SPK restituiert 25 Objekte aus der Antikensammlung mit zweifelhafter Provenienz an Italien – Vertragsunterzeichnung mit Kulturstaatsministerin Roth und dem italienischen Kulturminister Sangiuliano in Berlin – Parzinger: Rückgabevereinbarung intensiviert Zusammenarbeit mit Italien

Der Stiftungsrat hat SPK-Präsident Hermann Parzinger ermächtigt, 25 Objekte aus der Antikensammlung im Alten Museum an Italien zurückzugeben. Eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnete er heute in Anwesenheit von Kulturstaatsministerin Claudia Roth gemeinsam mit dem italienischen Kulturminister Gennaro Sangiuliano im Rahmen einer Zeremonie, die von Botschafter Armando Varricchio in der italienischen Botschaft ausgerichtet wurde. Bei der freiwilligen Rückgabe handelt es sich um einen Komplex von 21 apulischen Vasen sowie um vier weitere Einzelobjekte. In allen Fällen geht die SPK heute mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon aus, dass die Stücke aus Raubgrabungen stammen.

Die Rückgabe spiegelt das Positionspapier der Staatlichen Museen zu Berlin in Bezug auf Antiken, in dem sich die archäologischen Sammlungen zu einem transparenten Umgang mit ihren Beständen und zu einer kritischen Aufarbeitung ihrer Provenienzen bekennen.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth: „Diese Rückgabe ist ein weiteres Beispiel für die Wirksamkeit des Kulturgutschutzes in Deutschland und Europa. Zudem zeigt die heutige Rückgabe, was Kulturgutschutz konkret bedeutet: Es geht darum, identitätsstiftende Kulturgüter vor Plünderungen und Raubgrabungen, vor Diebstahl, Schmuggel und illegalem Handel zu schützen. Besonders wichtig ist dabei eine enge Kooperation auf europäischer und internationaler Ebene. Die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Italien ist auf diesem Feld ein Musterbeispiel – bisher gab es mit keinem anderen Land so viele Rückgaben illegal gehandelter Kulturgüter wie mit Italien.“
Der Kulturminister Italiens, Gennaro Sangiuliano, erklärt: „Das freiwillige Angebot der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zur Rückgabe von 25 archäologischen Objekten und die Vereinbarung über langfristige Leihgaben des Archäologischen Nationalmuseums Neapel (MANN) und der archäologischen Parks von Paestum und Velia haben eine Tradition des kulturellen Dialogs zwischen Italien und Deutschland gefestigt, deren Wurzeln in einer Vergangenheit des Austauschs und langjähriger künstlerischer und literarischer Erfahrungen liegen, durch die die beiden Nationen eine gemeinsame Identität aufgebaut haben.“

Mario Turetta, Generalsekretär des italienischen Kulturministeriums, ergänzt: „Die Unterzeichnung des Vertrages mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist ein Beispiel für die Kulturdiplomatie und die Zusammenarbeit der Institutionen beider Länder zur Wertschätzung und zum Schutz unseres kulturellen Erbes.“

Hermann Parzinger, Präsident der SPK, sagt: „Wir sind überzeugt, dass es richtig ist, diese Objekte zurückzugeben. Das hat auch der Stiftungsrat so gesehen und ich freue mich, dass wir so dieses seit Jahren mit italienischen Behörden diskutierte Thema zu einem positiven Abschluss bringen und die Zusammenarbeit mit Italien intensivieren können. Eine solche offene, partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Austausch von Wissen und Leihgaben ist ein Zukunftsmodell, gerade im Bereich der Antiken.“

Andreas Scholl, Direktor der Antikensammlung: „Die apulischen Vasen waren seit Jahren ein Highlight unserer Ausstellung. An ihre Stelle werden langfristige Leihgaben aus verschiedenen italienischen Museen treten. Wir haben in enger Abstimmung mit den italienischen Kolleginnen und Kollegen Objekte ausgesucht, die in unseren Beständen bislang noch gar nicht vertreten oder stark unterrepräsentiert waren.“

Mit dem italienischen Kulturministerium sowie mit den Archäologischen Nationalmuseen von Neapel und Paestum wurde vereinbart, dass zunächst zwei bemalte Platten lukanischer Gräber mit Darstellungen von Kriegern sowie bronzene Schutzwaffen – Panzer und Helm – aus dem 4. Jh. v. Chr. für mehrere Jahre nach Berlin entliehen werden. Die Objekte illustrieren die intensiven, häufig kriegerischen Kontakte zwischen Griechen und indigenen italischen Völkern im Süden der Apenninenhalbinsel zu jener Zeit. Insbesondere die Gattung der Malereien ist im Bestand der Berliner Antikensammlung überhaupt nicht vertreten und bereichert deren Bestände in hervorragender Weise.

Fotos: www.preussischer-kulturbesitz.de/newsroom/presse/pressebilder.html

Die apulischen Vasen

Bei den apulischen Vasen handelt es sich um 21 Objekte – Kratere, Amphoren, eine Hydria, Skyphoi und Teller – aus dem 4. Jh. v. Chr., die das West-Berliner Antikenmuseum 1984 als Konvolut aus dem Schweizer Kunsthandel erwarb und die die Inventarnummern 1984.39 bis 1984.59 tragen.

Diese Tongefäße sind in der Technik der rotfigurigen Vasenmalerei hergestellt, die sich im späten 6. Jahrhundert v. Chr. entwickelte und zunächst auf Athen konzentriert war. Im Süditalien, im heutigen Apulien, fanden sie durch eingewanderte attische Handwerker ab dem 5. Jh. große Verbreitung. In den folgenden Jahrhunderten entwickelte sich am Golf von Tarent ein ganz eigener Stil und es wurden immer anspruchsvollere Vasen hergestellt. Meist paarweise zusammengehörend, sind sie mit reichen Szenen aus der griechischen Mythologie und mit Darstellungen von Grabmalen verziert. Die Vasen dienten als reine Grabausstattung und wurden häufig zusammen mit einheimischer Keramik in reichen Gräbern aufgestellt. Bei den Objekten aus dem Berliner Komplex ist bis heute nicht vollkommen klar, woher genau sie stammen. Die Nekropole dürfte wohl im Norden Apuliens zu suchen sein, wo das einheimische Volk der Daunier siedelte. Die Vasen lassen sich in die Zeit um 340 v. Chr. datieren und ganz bestimmten Werkstätten zuschreiben, in der einige der bedeutendsten Künstler der damaligen griechischen Welt arbeiteten. Einen von ihnen benennt die archäologische Forschung mit dem Hilfsnamen Dareios-Maler.
Die 21 Objekte wurden 1984 von Antikenmuseum der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz bei dem Baseler Kunsthändler Christoph F. Leon erworben. Beim Ankauf wurde als Vorbesitzer eine Familie Cramer in Genf angegeben, in deren Besitz sich die Objekte seit 1889 befunden hätten. Ein Gutachter hatte zudem angegeben, die Objekte seit 1972 zu kennen.

Heute geht die SPK davon aus, dass die apulischen Vasen mindestens teilweise aus Raubgrabungen stammen. Erste Zweifel an der Provenienzangabe hatten sich um 1998 ergeben. Seit etlichen Jahren gab es zudem Ermittlungen der italienischen Behörden zu dem Bestand. Eine rechtliche Grundlage für eine Rückgabe liegt zwar nicht vor, denn bis heute sind die zweifelhaften Provenienzangaben nicht eindeutig widerlegt oder bestätigt. Dennoch hat sich die SPK aufgrund der zahlreichen vorliegenden Hinweise dazu entschlossen, die Objekte nach Italien zurückzugeben.

Im Falle von vier Volutenkrateren gibt es klare Hinweise darauf, dass sie aus Raubgrabungen stammen. Von diesen vier Krateren wurden Polaroid-Fotos im Genfer Kontor des Kunsthändlers Giacomo Medici gefunden, auf denen sie in fragmentarischem Zustand zu sehen sind. Die Fotos stammen sicher aus der Zeit nach 1972. Über Medici ist mittlerweile bekannt, dass er in erheblichem Umfang mit Kulturgut aus Raubgrabungen gehandelt hat. Die Verbindung der vier Vasen zu Medici spricht bei diesen vier Objekten sicher für einen Zusammenhang mit Raubgrabungen.

Zu den übrigen 17 Objekten gibt es kein vergleichbares Beweismaterial. Allerdings ist auch bei ihnen von einer Raubgrabung auszugehen, da sie wohl aus demselben Grabkontext stammen. Lange Zeit bestanden genau daran Zweifel. Übereinstimmungen in Chronologie, Ikonographie und Stil sprachen zwar dafür, allerdings schien es unwahrscheinlich, dass so viele Vasen in einem einzigen Grab gefunden worden sein sollen. Jüngere Funde und Forschungen liefern hierfür jedoch einige Beispiele. Als Herkunftsort dürfte die antike Stadt Arpi im Norden Apuliens, nahe der Provinzhauptstadt Foggia, am ehesten in Frage kommen. Dieses Zentrum des indigenen Volksstammes der Daunier war in den vergangenen Jahrzehnten besonders intensiven Raubgrabungen ausgesetzt.

Vier weitere Objekte

Attischer Skyphos, Inv. Nr.1970.9

Das aus Fragmenten zusammengesetzte Gefäß wurde 1970 von dem in Genf ansässigen Kunsthändler N. Koutoulakis erworben. Wie heute bekannt ist, gehörte dieser zum Kreis um die Kunsthändler und Hehler Giacomo Medici und Robert Hecht, die nachweislich mit raubgegrabenen Objekten handelten. In den Korrespondenzen gibt es eine Aussage, die mit heutigem Wissen so zu interpretieren ist, dass sie Bezug auf Raubgrabungen nimmt. Der Skyphos war außerdem Gegenstand der Ermittlungen der italienischen Carabinieri in Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren gegen Giacomo Medici, Marion True, Robert Hecht und Robin Symes. Eine Aufforderung zur Rückgabe nach Italien hat es aber nie gegeben. 

Attische Kylix, Inv. Nr. 1980.7

Die Kylix (Schale) wurde 1980 von dem Kunsthändler Robin Symes erworben, der ebenfalls zu dem Händlernetzwerk um Giacomo Medici gehört. Ein Foto des Gefäßes wurde bei den Ermittlungen gegen Medici neben anderen Fotos und Antiken aus dem Besitz des Kunsthändlers in Genf in einem Raum beschlagnahmt, den dieser zur Verwahrung von illegal ausgeführten Objekten nutzte. Die Fotos zeigten frisch ausgegrabene Objekte, die nicht gereinigt und nicht restauriert waren. Angesichts der Tatsache, dass ein Foto der Kylix in diesem Lagerraum von Giacomo Medici gefunden wurde, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass die Kylix aus einer illegalen Grabung in Italien stammt. Auch hier hat es aber von italienischer Seite nie ein Ersuchen an Berlin gegeben, diese zurückzuführen. 

Lukanischer Glockenkrater, Inv. Nr. 1993.243

Das Gefäß wurde 1993 aus der Sammlung Brommer als Schenkung erworben. Frank Brommer war Professor für Klassische Archäologie in Mainz; mehrfach bedachte er die Berliner Antikensammlung mit Schenkungen. Seine wissenschaftlichen Notizen nennen unter anderem die Vorprovenienzen der Objekte. Den Glockenkrater hat er im Sommer 1980 vom Schweizer Händler Francesco Italiano erworben. Allerdings gehört auch dieses Gefäß zu den Objekten, die in Verbindung mit Giacomo Medici stehen und Gegenstand der Ermittlungen der italienischen Behörden gegen den Kunsthändler waren. Auch von diesem Gefäß existiert ein Foto in nicht restauriertem Zustand, dass bei Medici in dem Lagerraum für illegal ausgegrabene Objekte beschlagnahmt wurde. Damit liegt auch hier eine Raubgrabung sehr nahe. 

Tondo mit Darstellung von Venus und Amor, Inv. Nr. 2012.2

Das Fragment eines römischen Wandgemäldes des sogenannten Vierten Pompejanischen Stils aus Boscoreale bei Pompeji wurde der Antikensammlung im Jahre 2008 als Schenkung angeboten. Angeblich befand es sich seit langem in deutschem Familienbesitz. Für die SPK war Voraussetzung für die Annahme, dass die Schenkung nicht ohne die Mitwirkung des italienischen Staates angenommen werden sollte, da ein Diebstahl aus dem Antiquario Comunale di Pompeji in den 1950er-Jahren nahelag. Das italienische Kulturministerium regte an, dass die Schenkung angenommen werden und im Anschluss Maßnahmen zur Restitution an Italien in die Wege geleitet werden sollten. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass die Antikendirektion beim Ministerium aufgrund der Gesetzeslage gezwungen sei, die Angelegenheit zur Anzeige zu bringen. Im Juli 2012 wurde daraufhin ein Schenkungsvertrag geschlossen, der eine Regelung enthält, die die Rückgabe an Italien erlaubt. In der Zwischenzeit hat es dazu wohl Ermittlungen in Italien gegeben, Italien hat die Angelegenheit aber ansonsten nicht weiterbewegt. Die SPK schließt mit der Rückgabevereinbarung den Vorgang nun ab. 

Positionspapier der archäologischen Sammlungen und 
Forschungsprojekt Legal – Illegal?

2023 haben die archäologischen Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin ein gemeinsames Positionspapier veröffentlicht, in dem sie sich zu einem transparenten Umgang mit ihren archäologischen Beständen und zu einer kritischen Aufarbeitung ihrer Provenienzen bekennen. Die Sammlungen bewahren einen in seiner Vielfalt und Menge weltweit einzigartigen Bestand an Objekten. Deren Provenienzen werden in den nächsten Jahren vertieft in den Blick genommen.

Das Positionspapier war Auftakt für eine gemeinsame Forschungsinitiative der Museen. Ziel ist es, den Weg sämtlicher archäologischer Sammlungsbestände von ihrer Auffindung bis zum Eingang in die Museen zu ermitteln. Dies trägt zu einem tieferen Verständnis nicht nur der Objekte, sondern auch der Erwerbungspolitik der Museen und der Institutionengeschichte bei. Bei der Bewertung der Herkunft archäologischer Objekte werden heute politische, rechtliche und wirtschaftliche Umstände sowie ethische Gesichtspunkte berücksichtigt. Die Erforschung und Bewertung bezieht zudem aktuelle Außenperspektiven mit ein: Die Museen arbeiten mit Partner*innen und Institutionen aus den Herkunftsländern, mit der nationalen und internationalen Zivilgesellschaft sowie der wissenschaftlichen Gemeinschaft zusammen.

Seit März 2023 läuft das vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste (DZK) geförderte Projekt „Legal – Illegal?“, in dessen Rahmen die Umstände der Grabungen und Ausfuhr archäologischer Objekte im Osmanischen Reich nach Berlin während des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts erforscht werden. Erstmalig untersuchen die Antikensammlung, das Museum für Islamische Kunst und das Vorderasiatische Museum unter Leitung des Zentralarchivs der Staatlichen Museen zu Berlin in Kooperation mit dem Research Center for Anatolian Civilizations (ANAMED) der Koç Universität Istanbul dies exemplarisch anhand dreier ausgewählter Grabungsorte, Sam'al, Didyma und Samarra. Ziel des Projekts ist, mit Hilfe eines internationalen Expert*innengremiums einen Leitfaden zu entwickeln, in dem problematische Erwerbungssituationen definiert sowie Kriterien und Methoden zur Erforschung von Sammlungsbeständen aus diesem Kontext benannt werden. Der Leitfaden soll künftig nationale wie internationale Museen dabei unterstützen, die Provenienz ihrer archäologischen Sammlungen auf problematische Grabungsfunde des beginnenden 20. Jahrhunderts hin zu erforschen.

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