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Museen müssen auf die Identität der Einwanderungsgesellschaft reagieren
News from 11/25/2015
Partner bei der Imamausbildung: Das Museum für Islamische Kunst kooperiert mit dem Institut für Islamische Theologie der Universität Osnabrück. Fragen an Institutsdirektor Bülent Ucar
Im Dezember startet an Ihrem Institut das einjährige bundesweite Weiterbildungsprogramm „Jugendarbeit in den Moscheengemeinden und Extremismusprävention", das sich an Imame und seelsorgerisches Personal in den Gemeinden richtet. Die kulturelle Bildung ist neu in diesem Programm. Was versprechen Sie sich von der Kooperation mit dem Museum für Islamische Kunst?
Zusammen mit dem Museum für Islamische Kunst sollen im Rahmen des Weiterbildungsprogramms Materialien entwickelt werden, die die herausragenden Zeugnisse islamischer Kunst und Kultur für die praktische Arbeit in den Moscheegemeinden erschließen sollen. Wir wollen die Imame und aktiven Laien in den Gemeinden als wichtige Multiplikatoren hierfür gewinnen und unterstützen. Hierdurch erhoffen wir uns breitere Schichten in diesem Bevölkerungsteil zu erreichen.
Das Wort von der „interkulturellen Jugendarbeit" wird gern benutzt, wenn es darum geht, religiösem Extremismus zu begegnen. Was verstehen Sie ganz konkret darunter und wie lassen sich junge Muslime dafür gewinnen?
Interkulturelle Jugendarbeit eröffnet verschiedene Perspektiven auf einen Gegenstand (Migration, Identität, Kultur etc.) und stellt gleichzeitig die Gemeinsamkeiten dieser Perspektiven in den Mittelpunkt. Der zwischenmenschliche Austausch eröffnet neue Perspektiven auf die Vielfalt menschlichen Wirkens und dies fördert in der Regel Empathie und eine tolerante Grundhaltung. Junge Muslime lassen sich genau wie alle anderen Jugendlichen dafür gewinnen, wenn ihrer individuellen Persönlichkeit darin Raum gegeben wird. Sie beugt nicht nur Extremismus vor, sondern erzeugt darüber hinaus gemeinsame Standpunkte und fördert die Toleranz und Empathie für Personen außerhalb der eigenen sozialen oder kulturellen Gruppe.
Die WELT hat dieser Tage geschrieben, dass Deutschland allen, die zu uns kommen, Museen und Orchester und Theater öffnen soll, damit jeder versteht, wer wir sind. Nicht im Sinne einer Leitkultur, aber doch einer Akzeptanz unseres kulturellen Lebens. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht - gehen jüngere Muslime ins Museum? Und wenn ja, was interessiert sie?
Junge Muslime gehen wie nicht-muslimische Jugendliche zu wenig ins Museum. Mit dem Kooperationsprojekt tragen wir die Inhalte des Museums zu ihnen. Ich bin für eine gewisse Unterscheidung zwischen den Neuankömmlingen und den Postmigranten in Bezug auf kulturelle Teilhabe. Um nicht missverstanden zu werden: Auch Geflüchtete haben ein Anrecht auf kulturelle Teilhabe. Das Problem ist jedoch, dass Menschen teilweise in der 4. Generation in Deutschland leben und immer noch von den kulturellen Institutionen ausgeschlossen sind. Hier ist der Nachholbedarf und der Handlungsdruck meines Erachtens größer.
Junge Muslime interessieren sich vor allem für den performativen Aspekt von Objekten (wofür wurde ein Objekt genutzt?), für die Sammlungsgeschichte (wie kam das Objekt ins Museum?) und für den Fertigungsprozess (wie wurde ein Objekt hergestellt?). Diese Fragen bieten zahlreiche Anknüpfungspunkte für die Präsentation transregionaler und interkultureller Erzählungen.
Wird sich die Rolle der Museen verändern?
Die Rolle des Museums verändert sich derzeit stark, soweit ich das beobachten kann. Vor dem Hintergrund einer sich diversifizierenden Gesellschaft werden Museen von „Hütern" einer als homogen verstandenen nationalen Identität zu gesellschaftlichen Akteuren in der Entwicklung hin zu der vielschichtigen Identität der Einwanderungsgesellschaft. Hier sehe ich eine wichtige Langzeitwirkung des Projekts und beabsichtige dieses als Vorreiter im beschriebenen Prozess zu positionieren. Partizipation im Kulturbereich ist von entscheidender Bedeutung für die Anerkennung von Minderheiten und deren Zugehörigkeitsgefühl zur Gesellschaft.
Die Fragen stellte Ingolf Kern.