Heiner Bastian zur Schenkung des Galeriehauses am Kupfergraben 10

News vom 28.09.2017

2018 wird die Familie Bastian das von David Chipperfield entworfene Galeriehaus am Kupfergraben 10 der Stiftung Preußischer Kulturbesitz übergeben. Es soll künftig als Zentrum für kulturelle Bildung genutzt werden und den Namen „Haus Bastian der Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz“ tragen. Heiner Bastian zu seiner Entscheidung:

Haus Bastian (links) und James-Simon-Galerie (rechts)
Haus Bastian (links) und James-Simon-Galerie (rechts) © SPK / Birgit Jöbstl

Einige Schritte nur über die Brücke, auf der anderen Seite des Wassers beginnt die Welt der Imagination, und warum sollte dieses Haus nicht dazugehören?

Wenn wir uns die Topographie von Berlins Mitte vorstellen, sind wir im wahrsten Sinne des Wortes im geistigen Zentrum Berlins, der Museumsinsel, zuhause.

Die Vision, welche die Insel einst als wirkliche vorhandene künstlerische Form war, materiell, dinghaft und sinnlich, wird, wenn die großen Arbeiten beendet sind, wieder Realität sein, strahlender als je zuvor. Befreit vom Widerstreit städtebaulicher unversöhnlicher Leitbilder erfindet dieser Ort seinen eigenen Aphorismus der bildnerischen Weltkulturen in einem Kanon enzyklopädischer Weite.

Was uns vor annähernd 15 Jahren geleitet hat, während der Ideen zu diesem Haus, konnte unberührt von der beängstigenden, gewöhnlichen Nüchternheit des soge-nannten Modernen Bauens in Berlin gedacht werden, auch jenseits des neuen Bestrebens, die mediale Bedürfniswelt in Travestien und Phrasen nachzubauen, der Leere der Überfülle sprachlos zu verfallen. 

Ich habe, schrieb die Welt am Sonntag am 16. Februar 2003, also vor 14 Jahren während der Planung unseres Hauses, nach meinem Aufsatz über das Neue Bauen in Berlin eine Architekturdebatte angezettelt. Ich wünschte, eine solche Debatte hätte es wirklich gegeben. Es gab sie nicht. Die Architektur hat sich weitgehend aus Idealität, Philosophie, Poesie, aus der Geistigkeit verabschiedet.

Die Museumsinsel, ihre kulturell historische Prägung, das war der von der Insel unausgesprochene Anspruch und die Herausforderung, in ihrer Nachbarschaft die Gegenwärtigkeit und die Komplementarität der Architektur zu bestehen. 

Im Grunde lehrte sie uns, den Architekten David Chipperfield, Alexander Schwarz und mich, den interessierten Mitarbeiter, die Schönheit des Bestehen-wollens in einer rational faßbaren, puristischen Anmut, in der es keine übertriebene Sublimität geben kann. Denn in der Sprache des Minimalismus lesen wir die höchste Potentialität aller Formen der Metamorphose.

Sie erinnern sich, vor annähernd 14 Jahren hatten wir für unser Projekt einen Architekturwettbewerb ausgeschrieben, dessen Entwürfe in einer vielbeachteten Ausstellung auf der Museumsinsel gezeigt wurden, zu der uns Peter-Klaus Schuster eingeladen hatten. Heute denke ich, daß der Ort vielleicht bereits der erste Hinweis auf eine ferne Widmung war. Am Wettbewerb beteiligt waren die Architekten Frank O. Gehry, Hans Kollhoff, Ron Radziner, David Chipperfield und Peter Zumthor mit ganz unterschiedlichen Entwürfen und Interpretationen des Kontextes. Schließlich hatten wir uns zu entscheiden zwischen David Chipperfield und Peter Zumthor  Unsere Entscheidung haben wir gemeinsam mit dem Freund Cy Twombly getroffen. Peter Zumthors Entwurf, ein sich aus allen Kontexten befreiendes Bauwerk, fast ganz aus Marmor, in sich selbst unvorstellbar schön, haben wir sehr bewundert. Es ist ein noch immer armseliges Zeugnis für die Stadt Berlin, daß sie Zumthors Dokumentationszentrum der Topographie des Terrors mutlos aufgab, ja beschämend hinwarf. Provinz!

Wir haben uns vor 15 Jahren für David Chipperfield entschieden. Auch gute Architektur ist kein Garant des Glücks. Dieses Haus aber hat uns Glück beschert und die Freundschaft mit dem Architekten.

„Im Idealfall, wenn Architektur gelingt, sind wir, ob wir wollen oder nicht, an einem anderen Ort, auch ein anderer Mensch.“ Mein ferner Freund, der Philosoph Alain de Botton, sagt sogar, „es ist die Aufgabe der Architektur, uns vor Augen zu halten, was wir im Idealfall wären.“ Ich wünschte, diese Prämisse stünde in jedem ersten Lehrbuch für Architekten und im Pflichtenheft jedes Bauherrn.

Wir haben eine Dekade lang in diesem Haus Ausstellungen gezeigt, Rauminstallationen initiiert. Und vielfach gab es den Zauber, der von einem Bild, von einer Skulptur ausgeht. In all den Jahren in diesem Haus haben wir die Grandeur der Räume mit dem bewußten Bekenntnis zum Seitenlicht und damit der Nähe der Stadt erfahren. Das Licht war die Metapher zwischen Kunst und Leben. Das wunderbare nordeuropäische Licht in diesen mit großen Gläsern gefaßten Räumen und das Zwiegespräch zwischen Innen und Außen, das werden wir vermissen, aber an anderem Ort noch einmal zu verwirklichen suchen.

Eine Dekade ist ein großer Zeitraum. In den letzten Jahren waren wir Zeugen der Entstehung des neuen Eingangsgebäudes auf der anderen Seite der Brücke. Unser Haus geriet noch näher in den Sog der Insel, den es von Anfang an, den ersten Gedanken und Planungen unausgesprochen gegeben hat. Jedes Mal, wenn wir in unserem Haus weilten, sagte uns die Insel, daß das Haus eines Tages vielleicht zu ihr gehören sollte. Es war Peter-Klaus Schuster, der diese Formulierung vor Jahren schon einmal vorschlug. Jetzt ist es so gekommen. Wir waren die Eigentümer die-ses Hauses und doch nur in Wirklichkeit seine steten Besucher. 

Es ist nur konsequent, auf Reichtum oder Besitz zu verzichten, jeden Verkauf auszuschließen. Ein Verkauf hätte uns dieses Haus entfremdet. Es hätte für uns seine Seele verloren. Im Geschenk des Hauses an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist so viel Freiheit enthalten, zumal es so willkommen ist. Es ist nicht zufällig gegeben, daß wir diese Entscheidung in der Zeit Hermann Parzingers getroffen haben. 

Wir haben uns entschieden. Und wahrscheinlich wußte das Haus, bevor wir es gefragt haben schon lange, was es wollte. Jetzt wird in diesem Haus eine neue Welt der Denkbilder und Visionen entstehen. Und wir hoffen auch auf die von uns gewünschten Ausstellungen in diesen der Kunst zugedachten Räumen. Es wird der Jugend gewidmet sein und damit auch selbst seine Jugend behalten. 

Wir bedanken uns für die Jahre der Ausstellungen der Galerie von Nicole Hackert und Bruno Brunnet. Wir danken Günther Schauerte, Gerd Lukoschik und Volker Nitschke. Alexander Haas gilt unser Dank für seine innovativen Vorschläge zur Lösung aller administrativen Komplexe.

In diesem Abschied gehen natürlich die Gefühle manchmal auch Irrwege, zum Beispiel den der Wehmut. Ja Wehmut, aber sie ist ja, wie jedes Gefühl, nicht von echter Dauer. In all diesem Abschiednehmen gab es auch Irritationen und ihre Folgen, die Ihnen bekannt sind. Warum? Es war etwa so, als hätte Goliath David die Hand gereicht und dabei erhebliche Schmerzen und Schäden verursacht. Vergessen!

Die Insel lehrte uns alle den Mut, Verwandlung und Identität als eine Form des Glücks zu verstehen. T. S. Eliot, einer der Dichter, den wir wieder und wieder lesen, sagt uns, „...der Mut ist nicht eine Form der Tugenden, sondern die Form, an der alle Tugenden ihre höchste Form der Realität gewinnen.“ Der Mut, dieses Haus zu bauen, ist auch der Mut, es wieder loszulassen.

„Céline, Aeneas, Harriet und ich haben der Stiftung Preußischer Kulturbesitz dieses Haus mit großer Freude geschenkt. Unsere Träume und die Arbeit werden den Geist dieses Hauses mitnehmen und einen neuen Ort finden.“

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