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Eine druckgraphische Rarität von Albrecht Dürer: Herkules kehrt nach 143 Jahren aus Berlin nach Kassel zurück
Pressemitteilung vom 19.09.2025
Kunst- und Kulturminister Timon Gremmels hat heute gemeinsam mit Dr. Justus Lange, ständige Vertretung der Museumsdirektion Hessen Kassel Heritage (kommissarisch) ein Werk von Albrecht Dürer von Prof. Dr. Marion Ackermann, Präsidentin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, in Empfang genommen.
Der Probedruck zu „Herkules am Scheideweg“ gelangte 1882 als Leihgabe aus Schloss Wilhelmshöhe in das Kupferstichkabinett der damaligen Königlichen Museen zu Berlin. Jetzt ist diese Arbeit wieder nach Kassel zurückgekehrt. Damit endet 2025 nach über 143 Jahren die vielleicht längste, unbeabsichtigte Dauerleihgabe der Geschichte. Ein bedeutender Moment und für Hessen Kassel Heritage Grund, in 2026 eine Ausstellung zu Albrecht Dürer zu planen.
Kunst- und Kultur Timon Gremmels erklärt: „Ich danke der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und dem Team von Hessen Kassel Heritage herzlich für die gute Zusammenarbeit. Wir müssen Brücken bauen, um den Austausch von Wissen und Verständnis zu fördern – nur so können wir unser Kulturgut erforschen und bewahren. Auch auf die Ausstellung freue ich mich: Dürer gehört zwar zu den Künstlern, die weltweit am besten erforscht sind, aber seine Druckgrafiken lassen doch immer noch Raum für spannende Interpretationen. Ich bin sicher, dass die wissenschaftliche Vorbereitung dieser Ausstellung uns wieder neue, interessante Aspekte auf das Werk von Dürer eröffnen wird.“
„Weltweit haben sich nur insgesamt fünf Probedrucke von Dürer erhalten. Angefertigt wurden derartige Abzüge von der unvollendeten Platte, um die Wirkung der bereits ausgeführten Arbeit zu kontrollieren. Die äußerst seltenen und deshalb besonders wertvollen Stücke ermöglichen spannende Einblicke in den künstlerischen Herstellungsprozess. Die Rückgabe des Probedrucks aus Berlin nehmen wir zum Anlass, um für das kommende Jahr gemeinsam mit dem Hessischen Landesmuseum Darmstadt eine Sonderausstellung zu Albrecht Dürer vorzubereiten“, erläutert Dr. Justus Lange. „Zu sehen sein wird die Ausstellung voraussichtlich vom 8.10.2026 bis 17.1.2027 im Schloss Wilhelmshöhe.“
Prof. Dr. Marion Ackermann erklärt: „Wir sind dankbar, dass wir diesen wunderbaren Probedruck Dürers so lange in Berlin haben durften und freuen uns mit den Kasseler Kolleginnen und Kollegen auf die weitere Objektgeschichte des Dürers in Hessen. Auch in diesem Fall wird die immense Bedeutung von Provenienzforschung deutlich, die nicht nur der Aufarbeitung von NS-Unrecht dient, sondern uns so viel Aufschluss über die eigene Sammlungsgeschichte gibt und eben auch anderes verlorenes Wissen um die Herkunft von Werken wieder hebt, wie in diesem Fall.“
„Eigenthum der Königl. Bibliothek zu Wilhelmshöhe“
Im Kontext der Gründung des Deutschen Reiches 1871 baute man in Berlin eine der weltweit hochkarätigsten Sammlungen von Werken Dürers auf. Der Direktor des Berliner Kupferstichkabinetts, Dürer-Spezialist Friedrich Lippmann (1838–1903), interessierte sich für Probedruck zu „Herkules am Scheideweg“ und bemühte sich darum, ihn zur weiteren Forschung mit nach Berlin zu nehmen. Dort wurde das Blatt im Inventarbuch des Berliner Kupferstichkabinetts unter Nr. 491-1882 als „Eigenthum der Königl. Bibliothek zu Wilhelmshöhe, von derselben vorübergehend dargeliehen.“ verzeichnet und wie der übrige Berliner Sammlungsbestand aufbewahrt, erforscht und ausgestellt.
Im Zuge der Vorbereitungen zu der vielbeachteten Ausstellung „Dürer für Berlin“, 2023 am Kupferstichkabinett Berlin, wurden die Unterlagen zum Leihvorgang im Geheimen Staatsarchiv der Stiftung Preußischer Kulturbesitz eingesehen und die Herkunft des Blattes aus Kassel publiziert. In der Folge wurde deutlich, dass die Kasseler Kollegen ihr Interesse an einer Rückgabe des Blattes in den 1880er Jahren zwar deutlich formuliert hatten, der Vorgang dann aber abriss und vermutlich auf beiden Seiten in Vergessenheit geriet. Recherchen zu den Besitzverhältnissen ergaben, dass eine Übereignung wohl nie stattgefunden hat und es sich nach wie vor um eine Leihgabe handelte. Nach 143 Jahren Aufenthalt in Berlin ist das Blatt jetzt nach Kassel zurückgekehrt.
Herkules am Scheideweg
Bei „Herkules am Scheideweg“ handelt es sich um ein Motiv Dürers, dessen Interpretation bis heute nicht vollständig geklärt ist. Eine stehende, zornige weibliche Figur schwingt einen Aststumpf gegen einen Satyr und eine Nymphe, rechts flieht ein Putto. Ganz vorn steht prominent ein nackter Mann in Rückenansicht, bei dem nicht eindeutig ist, ob er versucht, Satyr und Nymphe zu schützen oder ebenfalls zuzuschlagen. Im Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin befinden sich weitere Blätter mit dem Motiv. Der nun nach Kassel zurückgekehrte Probedruck ist allerdings eine Besonderheit, da derartige unvollendete Probedrucke wichtige Zeugnisse für Dürers Arbeitsweise darstellen. So legte er zunächst die Umrisse seiner Figuren und Gegenstände an und gravierte abschließend Stück für Stück die weiteren Bildelemente. In diesem Probedruck sind der Satyr, Kopf und Arm der Nymphe, der Putto und ein Teil der Landschaft noch nicht ausgearbeitet. Der Probedruck entstand um 1498 und misst 32,4 x 22,3 cm.
Pressekontakt Hessen Kassel Heritage:
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Lena Pralle
+49 (0)561 316 80–115
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