23 von der SPK restituierte Objekte bilden Mittelpunkt einer Ausstellung in der National Art Gallery of Namibia

Pressemitteilung vom 11.04.2024

Ausstellung als Ergebnis eines langfristigen, kooperativen Forschungsprozesses mit Kulturerbegemeinschaften, Künstler*innen und Wissenschaftler*innen – Rückübertragung offiziell unterzeichnet

Am 11. April 2024 eröffnet in der National Art Gallery of Namibia in Windhoek eine großangelegte Ausstellung, in deren Mittelpunkt 23 Objekte stehen, die vormals Teil der Sammlung des Ethnologischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz waren.

Es handelt sich dabei um historische Alltagsgestände, Schmuck, Werkzeuge und Mode. Die Objekte wurden von einer namibischen Expertengruppe aufgrund ihrer besonderen historischen, kulturellen und ästhetischen Bedeutung ausgewählt. Dies erfolgte in einem mehrjährigen Prozess in intensiver Zusammenarbeit mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Berliner Sammlung. Seit Juni 2022 wurden die Objekte in Namibia von dortigen Künstlern und Wissenschaftlern erforscht. Die Ergebnisse dieser Auseinandersetzung werden bis zum 18. Mai 2024 in der Ausstellung „Reconnecting With Returned Cultural Belongings“ in der National Art Gallery of Namibia in Windhoek präsentiert.

Im Vorfeld der Eröffnung unterzeichneten Lars-Christian Koch, Direktor des Ethnologischen Museums und Museums für Asiatische Kunst oder SPK, und Boyson Ngondo, stellvertretender Direktor der Abteilung für Kulturerbe und Kultur des Ministeriums für Erziehung, die Künste und Kultur (Ministry of Education, Arts and Culture) der Republik Namibia den Vertrag über die Eigentumsübertragung der 23 Objekte an Namibia.

Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, fasst zusammen: „Vor rund zwei Jahren haben wir diese 23 Objekte in Berlin auf die Reise nach Windhoek geschickt. Schon damals war klar, dass sie wegen ihrer herausragenden Bedeutung für Namibias Kultur und Geschichte dort auch für immer bleiben sollen. Die Unterzeichnung des Vertrages über die Eigentumsübertragung ist ein wichtiger Schritt, noch wichtiger ist jedoch ist, was in den vergangenen zwei Jahren im Rahmen dieser vertrauensvollen Zusammenarbeit entstanden ist. Ich hoffe sehr, dass die Ausstellung von möglichst vielen Menschen gesehen wird und bin gespannt auf ihren Impact.“

Ausstellung in der National Art Gallery of Namibia

Die Ausstellung präsentiert neben den 23 übertragenen Objekten aus der Berliner Sammlung Werke der namibischen Künstlerinnen und Künstler Betty Tuauoovisioua Katuuo, Keith Vries, Nesindano Namises, Prince Kamaazengi Marenga, Fallone Tambwe sowie Vitjitua Ndjiharine. In den vergangenen Monaten haben sie gemeinsam mit den namibischen Community-Forscherinnen und -Forschern Munu Godfrey Kuyonisa, Immanuel Xamro !Keib, Ngombe Ngarerue, Iyaloo Moshana, Tamace Rabbie, Riana Vries sowie Bonifasius Mushongo die Bedeutung, den Ursprung und die Geschichte der Objekte untersucht. Das Projekt umfasst auch Arbeiten des Fotografen Willem Vrey und des Filmemachers Joe Vision Production, beides lokale Spezialisten auf ihrem Gebiet.

In enger Zusammenarbeit mit ihren Forschungspartnern haben die Künstler neue Werke in einer Vielzahl von künstlerischen Medien – von Poesie über Performance bis hin zu Skulpturen – geschaffen, die nun im Dialog mit den historischen Museumssammlungen ausgestellt werden. Gemeinsam versuchten alle Beteiligten das Wissen und Verständnis über die Objekte zu reaktivieren und so das Schweigen und die Lücken in der Geschichtsschreibung und im kulturellen Erbe Namibias, die sich aus der Kolonisierung des Landes durch das Deutsche Reich (1884-1915) und Südafrika (1915-1990) ergeben haben, anzusprechen und auszugleichen.

Die Ausstellung ist im Rahmen des von der Heinrich-Böll-Stiftung kofinanzierten Projekts „Artistic Research Communal Knowledge: Building Trust for a Better Future“ entstanden, einem Teilprojekt der seit 2019 bestehenden, von der Gerda Henkel Stiftung finanzierten Forschungskooperation „Confronting Colonial Pasts, Envisioning Creative Futures“ zwischen dem Ethnologischen Museum der Staatlichen Museen zu Berlin und der Museums Association of Namibia.

Im Nachgang zur Ausstellung werden die beteiligten Projektpartner in einem gemeinsamen Sammelband über den kooperativen Forschungs-, Ausstellungs-, und Restitutionsprozess reflektieren.

Projekt „Confronting Colonial Pasts, Envisioning Creative Futures“

Das von der Gerda Henkel Stiftung finanzierte Kooperationsprojekt erschließt seit 2019 das kreative Potenzial der Sammlungen aus Namibia, die im Ethnologischen Museum in Berlin und im National Museum of Namibia in Windhoek aufbewahrt werden. Als eines der ersten langfristigen, kooperativ und nachhaltig angelegten Restitutionsprojekte schafft es die Möglichkeit, die restituierten Kulturgüter in namibisches Kunstschaffen und kommunales Wissen einzubetten. Es verbindet die Sammlungen wieder miteinander und mit ihren Urhebergesellschaften, mit Forschern, Künstlern und der Öffentlichkeit in Namibia. Zudem wurde im Rahmen des Projekts die Gründung eines neuen Museums – The Museum of Namibian Fashion – im namibischen Otjiwarongo unterstützt, das sich seit Juni 2022 zu einem Mittelpunkt der namibischen Modeszene entwickelt hat. Die Verbindung der kritischen Aufarbeitung der kolonialgeschichtlichen Verflechtungen der Sammlungen in Berlin und Windhoek mit der kreativen Neuinterpretation der Sammlungen macht das Projekt beispielhaft.

Die Namibia-Sammlung des Ethnologischen Museums

Die historischen Sammlungen aus Namibia am Ethnologischen Museum wurden größtenteils während der deutschen Kolonialzeit (1884-1919) erworben. Ihre Provenienzen werden seit Anfang 2018 erforscht, seit 2019 gemeinsam mit namibischen Partner*innen. Die Sammlungen spiegeln koloniale, teils äußerst gewaltvolle Aneignungsprozesse wider. Darüber hinaus zeigen sie die Kreativität und den Einfallsreichtum der Menschen in Namibia. Sie sind damit eine wichtige Quelle für die historische Forschung und dienen Künstler*innen und Designer*innen zur Inspiration. Aufgrund der deutschen Kolonialisierung Namibias befindet sich die überwiegende Mehrheit solcher Objekte in deutschen und nicht namibischen Institutionen und ist daher für die meisten Namibier*innen nicht zugänglich. Mit dem von der Gerda Henkel Stiftung finanzierten Projekt wird ein erster Schritt unternommen, um dieses Ungleichgewicht zu beheben. Die Wiederverbindung der Objekte mit Wissensproduzent*innen in Namibia wird eine selbstbestimmte Geschichtsschreibung aus namibischen Perspektiven und eine Wiederbelebung des namibischen Kulturerbes ermöglichen.

Weitere Informationen:

Grundpositionen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zum angemessenen Umgang mit außereuropäischen Objekten: https://www.preussischer-kulturbesitz.de/schwerpunkte/provenienzforschung-und-eigentumsfragen/umgang-mit-aussereuropaeischen-objekten.html

Pressebilder: http://www.preussischer-kulturbesitz.de/newsroom/presse/pressebilder.html
 

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