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Restitutionen an die Nachfahren von Carl Heumann
Pressemitteilung vom 04.07.2022
Berlin, München und Dresden: Restituierte Werke aus der Sammlung des Chemnitzer Bankiers Carl Heumann übergeben
In der Städtischen Galerie im Lenbachhaus wurden heute insgesamt fünf Kunstwerke aus mehreren deutschen Museen an die Erben des Chemnitzer Bankiers Carl Heumann übergeben. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und die Städtische Galerie im Lenbachhaus restituierten die Werke im Rahmen von fairen und gerechten Lösungen auf Grundlage der Washingtoner Prinzipien von 1998 in Anerkennung des Verfolgungsschicksals von Carl Heumann. Als Vertreter der Erbengemeinschaft nahm der in den USA lebende Michael Heumann die Werke entgegen.
Carl Heumann hatte eine umfassende Sammlung von Zeichnungen, Aquarellen und Druckgraphiken der deutschen Schule von 1750 bis 1850 aufgebaut, vorzugsweise Deutschrömer und Nazarener. Er galt als ausgewiesener Kenner der Kunst des frühen 19. Jahrhunderts und war bei vielen Museen ein gefragter Leihgeber. Spätestens ab 1938 wurde er vom nationalsozialistischen Regime systematisch verfolgt, weil er aus dessen Sicht als „jüdisch“ galt. Im Rahmen der Provenienzforschung, die zu den Werken erfolgt ist, wurde festgestellt, dass die Umstände, unter denen Carl Heumann die fünf Werke zwischen 1939 und 1944 veräußerte, unterschiedlich waren. Vor diesem Hintergrund haben die drei Museen jeweils mit den Erben eine unterschiedliche faire und gerechte Lösung gefunden.
Pressebilder:
https://www.preussischer-kulturbesitz.de/newsroom/presse/pressebilder.html
https://www.lenbachhaus.de/presse
https://www.skd.museum/besucherservice/presse/bilder/
Carl Heumann
Carl Heumann wurde 1886 in Köln als Sohn jüdischer Eltern geboren. Im Jahr 1908 übersiedelte er nach Chemnitz, wo er ab 1911 für das Bankhaus Bayer & Heinze arbeitete, dessen Mitinhaber er 1920 wurde. Seit den 1920er Jahren engagierte er sich als Kunstsammler und baute eine Grafiksammlung deutscher und österreichischer Kunst des 18. und 19. Jahrhunderts mit einem Schwerpunkt auf der Romantik auf. Zwischen 1933 und 1945 verkaufte Carl Heumann wiederholt Werke aus seiner Sammlung. Diese Verkäufe könnten seiner Existenzsicherung, wohl aber auch der Schärfung des Profils seiner Sammlung gedient haben. Heumann kaufte während der NS-Zeit auch in erheblichem Maße neue Werke an und zeigte selbst 1944 noch Interesse am Sammeln.
Mit der Einführung der „Nürnberger Rassengesetze“ vom 15. September 1935 galt Heumann, obwohl er 1917 zum Protestantismus übergetreten war, im nationalsozialistischen System als Jude. Zunächst erfuhr er noch keine Verfolgungsmaßnahmen, vermutlich, weil er in einer „privilegierten Mischehe“ lebte, da seine Frau Irmgard (geb. Buddeke) in der NS-Rassenkunde als „Arierin“ galt. Vielleicht bot ihm auch das Amt als Vizekonsul von Portugal Schutz, das er von 1929 bis 1939 innehatte. Dennoch wurde er ab 1933 sukzessive entrechtet. Ab 1938 verschärfte sich seine Situation, vor allem aufgrund seines erzwungenen Ausscheidens aus dem Bankhaus sowie einer Sicherungsanordnung, durch die er mit Ausnahme einer monatlichen Rente nicht mehr selbst über sein Vermögen verfügen konnte. Teile seiner Kunstsammlung, die Heumann in Bankschließfächern verwahrte, wurden ihm nach Anwendung des Devisengesetzes im August 1938 sofort entzogen. Für die Jahre 1938 und 1939 wurde Heumann zudem dazu verpflichtet, eine „Judenvermögensabgabe“ in fünfstelliger Höhe zu zahlen. Ab der Einführung des „Judensterns“ am 1. September 1941 wagte er kaum mehr, sein Haus zu verlassen.
Nach dem Tod seiner Ehefrau im Januar 1944 verlor Heumann den Schutz durch die „privilegierte Mischehe“. Seine Söhne Rainer und Thomas wurden in Arbeitslager gebracht, seine Tochter Ulrike gab er in die Obhut ihres Onkels, ihm selbst drohte die Deportation. Carl Heumann starb bei einem Bombenangriff am 5. März 1945 auf Chemnitz bei dem Versuch, einen Koffer mit Kunstwerken aus dem Keller seines Hauses zu retten. Dabei wurde auch ein Teil der Kunstsammlung vernichtet. Über 500 Werke waren jedoch bei Banken eingelagert und wurden nach dem Krieg Carl Heumanns Nachfahren übergeben, die überlebt hatten.
Da die Familie Heumann sich Deutschland nach wie vor sehr verbunden fühlt, haben einige Mitglieder der Familie haben in Deutschland Anträge auf Wiedereinbürgerung als deutsche Staatsbürger gestellt. Carol Heumann Snider, die Enkelin von Carl Heumann, schreibt einen Blog über ihre Familiengeschichte, insbesondere über ihren Vater Thomas Heumann sowie ihren Großvater Carl Heumann und seine Kunstsammlung:
https://lettersfromomi.blogspot.com/
Berlin
Im Rahmen des Provenienzforschungsprojektes zur „Sammlung der Zeichnungen“ wurden im Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin zwei grafische Werke identifiziert, die zur Sammlung Carl Heumann gehörten und von diesem zwischen 1933 und 1945 veräußert wurden. Friedrich Jentzens „Bildnis des Baumeisters August Stüler“ (um 1830) wurde am 19. Februar 1942 für 420 RM bei C. G. Boerner in Leipzig für die „Sammlung der Zeichnungen“ ersteigert. Johann Jakob Schillingers „Teufelsbrücke“ (um 1800) wurde am 24./25. Mai 1944 in der Murnauer Auktion XXV bei Karl & Faber in München für 1.000 RM erworben. In den Sammlungen der Staatlichen Museen befinden sich weitere Werke mit einer Heumann-Provenienz. Diese waren jedoch während dem Zweiten Weltkrieg im Familienbesitz geblieben und wurden erst 1957 veräußert. Die SPK hat sich mit den Erben Heumanns darauf geeinigt, dass die „Teufelsbrücke“ restituiert wird, während Jentzens Bildnis von Stüler in der Sammlung verbleibt.
Hermann Parzinger, Präsident der SPK, sagt: „Die Verbundenheit der Familie Heumann mit Deutschland zu sehen, berührt sehr, wenn man das Schicksal von Carl Heumann und seinen Kindern während der Zeit des Nationalsozialismus kennt. Ein großer Sammler, und dennoch sind sein Name und Schicksal heute fast unbekannt. Provenienzforschung fördert seine und viele andere Lebensgeschichten wieder zutage, und jede Rückgabe ist ein Stück weit auch ein Erinnern.“
Dresden
Im Rahmen des „Daphne-Projektes“ der SKD wird im Kupferstich-Kabinett ein Bestand von rund 1.400 grafischen Arbeiten aus dem sogenannten „Sonderauftrag Linz“ untersucht, der 1945 kriegsbedingt in Dresden verblieb. Im Zuge der Provenienzforschung konnten drei Werke aus der Sammlung Heumann identifiziert werden, die alle im Mai 1944 beim Kunstantiquariat C.G. Boerner, Leipzig, erworben wurden: Das Werk „Mädchen mit Papagei“ (Öl auf Papier, 1840) von Jakob Gensler (1808-1845), sowie zwei Aquarelle von Peter Fendi (1796-1842): „Katholischer Priester mit Abendmahlsgefäßen“ und „Vorhalle einer Kirche mit Kruzifix, Priester und Messknaben“. Da alle drei Werke nach dem Tod von Carl Heumanns Ehefrau verkauft wurden, erfolgte im Jahr 2020 die Restitution als NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut an die Erben.
Stephanie Buck, stellvertretende Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und Direktorin des Kupferstich-Kabinetts: „Die Rückgabe der drei Zeichnungen aus Dresden ist ein weiteres wichtiges Ergebnis der seit vielen Jahren an den SKD intensiv betriebenen Provenienzforschung. Sie hat zum Ziel, Objekte zu ermitteln, die sich unrechtmäßig in unserem Bestand befinden. Wir freuen uns sehr, dass es im engen Austausch mit der Familie und mittels eines länderübergreifenden Netzwerkes gelungen ist, das Schicksal Carl Heumanns und das seiner Sammlung zu rekonstruieren und daraus folgend eine gerechte und faire Lösung im Sinne der Washingtoner Prinzipien zu finden.“
München
Die Städtische Galerie im Lenbachhaus hat die Zeichnung „Fischerweide“ des Künstlers Albert Emil Kirchner (1813–1885) von 1854 restituiert. Das Museum hatte das Werk auf einer Auktion des Kunst- und Buchantiquariats von C. G. Boerner in Leipzig im April 1939 erworben.
Anton Biebl, der Kulturreferent der Landeshauptstadt München, sagt: „Restituieren bedeutet, den Menschen ein Stück ihrer Vergangenheit wiederzugeben und den Opfern einen Namen zu geben. Es ist mir ein großes Anliegen, dabei nach moralisch-ethischen Maßstäben zu handeln. Deshalb freue ich mich ganz besonders, dass die Landeshauptstadt München entschieden hat, die Zeichnung „Fischerweide“ an die Familie Heumann zurückzugeben.“ Der Kulturausschuss des Stadtrates der Landeshauptstadt München beschloss die Restitution am 17. September 2020. Damit bezieht die Landeshauptstadt München eine klare Position: Das Unrecht, das während des „Dritten Reichs“ begangen wurde, darf sich nicht wiederholen.