Bereichsnavigation
Repatriierungen aus dem Ethnologischen Museum:
Pressemitteilung vom 02.12.2025
Stiftungsrat ermächtigt Marion Ackermann zu Rückgabe von Objekten mit menschlichen Überresten nach Ghana und zu Gesprächen über spirituelle Objekte mit australischen Stellen
Im Ethnologischen Museum der Staatlichen Museen zu Berlin befinden sich vier Objekte aus Kpando im heutigen Ghana, an denen menschliche Überreste befestigt sind. Der Stiftungsrat der SPK hat in seiner gestrigen Sitzung Präsidentin Marion Ackermann ermächtigt, mit den zuständigen Stellen in Ghana eine Vereinbarung über die Repatriierung dieser Objekte zu schließen. Außerdem hat der Stiftungsrat sie ermächtigt, in Bezug auf drei Objekte aus Australien mit besonderer spiritueller Bedeutung Gespräche mit den zuständigen Stellen über eine Lösung zu führen.
Der Vorsitzende des SPK-Stiftungsrats, Staatsminister für Kultur und Medien Wolfram Weimer, erklärt dazu: „Der Kolonialismus beruhte auf Ausbeutung und Unterdrückung. Die Aufarbeitung dieses Unrechts ist somit ein fester Bestandteil unserer Erinnerungskultur. Bei der Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte hat die SPK in den vergangenen Jahren eine führende Rolle übernommen. Als Vorsitzender des Stiftungsrates werde ich mich dafür einsetzen, dass die Stiftung diesen Weg weitergeht. In diesem Sinne begrüße ich die heute beschlossenen Rückgaben an die Akpini in Kpando sehr.“
Marion Ackermann, Präsidentin der SPK, sagt: „Ich bin sehr erleichtert, dass wir die Objekte aus Ghana nun repatriieren können. Dass sich die Frage, an wen die Objekte zurückgegeben werden sollen, vergleichsweise rasch klären ließ, freut mich sehr, denn das ist längst nicht immer der Fall. Aber gerade, wenn man keine rasche, klare Lösung findet, ist die gemeinsame Forschung, das Ausloten der Interessen und Bedürfnisse, und eine zukunftsgerichtete Zusammenarbeit umso wichtiger. Diesen Ansatz wollen wir weiter verfolgen.“
Bei den vier Objekten aus Ghana handelt es sich um zwei Trommeln und zwei Hörner. Sie wurden zeitlich und räumlich im Kontext der gewaltvollen Expansion der deutschen Kolonialherrschaft in der Volta-Region angeeignet. Im Einzelnen stammen sie jedoch aus unterschiedlichen Herkunftskontexten: Die zwei Trommeln und ein Horn sind Insignien des damaligen Herrschers von Kpando, Togbe Nyavor Dagadu II. Sie wurden von Ernst Baumann für 80 Mark erworben und 1895 an das Berliner Museum geschickt. Ein weiteres Horn, eine Insignie des Togbega Dagadu Anku III, wurde 1956 von Max Belwe angekauft. Es stammt höchst wahrscheinlich unmittelbar aus der Plünderung des Palastes des Dagadu durch deutsche Kolonialtruppen im Jahr 1913. Die Kolonialtruppen nahmen das Objekt unter der Leitung von Hans Gruner in Besitz, verhafteten den damaligen Herrscher und schickten ihn ins Exil nach Kamerun.
Alle vier Objekte enthalten menschliche Überreste, in Form von Schädeln und Unterkiefern. Dabei handelt es sich allerdings nicht um verstorbene Personen aus Kpando, sondern wahrscheinlich um im Kampf getötete Ashanti. Die SPK hat daher seit mehreren Jahren versucht, Klarheit darüber zu bekommen, an welche Gemeinschaft innerhalb Ghanas eine Repatriierung vorgenommen werden sollte. Vor wenigen Wochen hat die Regierung Ghanas mitgeteilt, dass sie sich für eine Repatriierung an die Akpini in Kpando ausspricht. Die Repatriierung sei für die Akpini und die gesamte Nation von großer kultureller und spiritueller Bedeutung und werden nach umfassenden Konsultationen durch das ghanaische „Focal Team on Restitution and Repatriations“ keine Spannungen in der lokalen Gemeinschaft hervorrufen. Nach der jetzigen Ermächtigung durch den Stiftungsrat wird die SPK in Absprache mit den zuständigen Stellen in Ghana die nächsten Schritte zur Repatriierung einleiten.
Bei den Gesprächen mit Australien geht es um Objekte der Eastern Maar, die sich ebenfalls im Ethnologischen Museum befinden. Diesbezüglich steht die Stiftung seit 2023 im Austausch mit dem Australian Institute of Aboriginal and Torres Strait Islander Studies (AIATSIS). Anfang 2025 formulierten AIATSIS und die Eastern Maar Aboriginal Corporation (EMAC) ein Rückgabegesuch für drei von elf im Museum verwahrten Objekte: Zwei Steinäxte (VI 2575, VI 2576) und eine Halskette aus Känguruzähnen (VI 2579). Diese drei Objekte werden von den Eastern Maar als „sacred items“ und von besonderer Bedeutung betrachtet. Für sie soll nun eine konkrete Lösung entwickelt werden, sei es eine Rückgabe oder eine alternative Lösung entsprechend der gemeinsamen Leitlinien.
Eugen von Guérard erwarb die Objekte in den 1850er und 1860er Jahren im heutigen australischen Bundesstaat Victoria von indigenen Australierinnen und Australiern. Die Aneignung fand damit ohne Zweifel in einem kolonialen Kontext statt. Für die genauer Bewertung folgt die Stiftung den am 14. Oktober 2025 verabschiedeten „Gemeinsamen Leitlinien zum Umgang mit Kulturgütern und menschlichen Überresten aus kolonialen Kontexten“. Dabei ist auch die Perspektive des Herkunftsstaates und der Herkunftsgesellschaft angemessen zu berücksichtigen.
Zwar lässt sich nicht abschließend feststellen, dass die Aneignung der Objekte in rechtlich oder ethisch nicht vertretbarer Weise im Sinne der Gemeinsamen Leitlinien stattfand. Konkrete Gewalthandlungen sind nicht überliefert, und die Objekte sind über Personen ins Museum gekommen, die in Australien dafür bekannt sind, ein gutes Verhältnis zu den indigenen Australierinnen und Australiern gehabt zu haben. Andererseits bestand zumindest ein mittelbarer Unrechtskontext durch vorhergehende Gewalthandlungen gegen die indigenen Menschen der Region: Zwischen 1833 und den 1860er Jahren fanden zahlreiche Massaker und Verfolgungsmaßnahmen statt. Die indigenen Australierinnen und Australiern wurden von ihren angestammten Siedlungsgebieten vertrieben und mussten auf sogenannten Stationen leben. Das hatte eine erhebliche Veränderung ihrer Lebensumstände zur Folge, so stellten sie keine Holz- und Steinwaffen mehr her oder verwendeten solche. Nur diese Lebenssituation der indigenen Australierinnen und Australiern brachte von Guérard somit in die Position, von ihnen Objekte erhalten zu können, die nach den Traditionen und Bräuchen grundsätzlich unveräußerlich waren.
Die drei Objekte haben für die Eastern Maar eine besondere spirituelle und rituelle Bedeutung. In der kulturellen Praxis der Eastern Maar werden wertvolle Objekte, deren Schöpfer und Besitzer bekannt ist, als hochgeschätzte und bedeutende Kulturgegenstände gepflegt, um die mit den Objekten untrennbar verbundenen Vorfahren zu ehren. Die drei Objekte wurden von bekannten und außergewöhnlichen Mitgliedern der Eastern Maar – Hissing Swan und Yarruun Tarneen – geschaffen bzw. getragen. Sie wurden dadurch Teil des kollektiven Erbes und werden als von der Kraft der Vorfahren durchdrungen betrachtet. Sie haben damit die Rolle lebendiger Vermittler der Kultur und sind „sacred items“ der Eastern Maar.
Gemeinsame Leitlinien zum Umgang mit Kulturgütern und menschlichen Überresten aus kolonialen Kontexten
Die „Gemeinsamen Leitlinien zum Umgang mit Kulturgütern und menschlichen Überresten aus kolonialen Kontexten“ wurden am 14. Oktober 2025 vom Staatsminister des Bundes für Kultur und Medien, der Staatsministerin im Auswärtigen Amt, den Kulturministerinnen und Kulturministern der Länder sowie den kommunalen Spitzenverbänden verabschiedet. Die Leitlinien bauen auf die „Ersten Eckpunkte zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten“ auf und richten sich vorrangig an öffentliche Museen und Sammlungen sowie deren Träger in Deutschland. Zugleich dienen sie Herkunftsstaaten und Herkunftsgesellschaften als Orientierung.
https://www.cp3c.de/grundlagendokumente/gemeinsame_leitlinien.php
Weiterführende Informationen:
https://www.cp3c.de/grundlagendokumente/gemeinsame_leitlinien.php
Australian Institute of Aboriginal and Torres Strait Islander Studies: https://aiatsis.gov.au/




