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SPK restituiert chinesische Dachreiterfigur an die Erben von Eduard Fuchs
Pressemitteilung vom 06.12.2024
Rückgabe von NS-Raubgut an Nachfahren des politisch verfolgten Schriftstellers Eduard Fuchs – chinesisches Objekt aus dem Ethnologischen Museum übergeben
Die SPK hat heute eine chinesische Dachreiterfigur aus der Sammlung des Ethnologischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin an die Erben des Schriftstellers und Sittenforschers Eduard Fuchs restituiert. Das Tonobjekt diente in China einst als Giebelbekrönung und schmückte Jahrhunderte später den Garten der Villa Fuchs in Berlin-Zehlendorf. Fuchs wurde von den Nationalsozialisten aufgrund seiner politischen Haltung verfolgt und musste bei der Flucht nach Frankreich sein gesamtes Vermögen zurücklassen, darunter auch den Dachreiter. 1952 erwarben die Staatlichen Museen in Ost-Berlin das Objekt für die sich im Aufbau befindende Ostasiatische Sammlung.
Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, erklärt: „Wieder einmal zeigt sich die Bandbreite der Verfolgungsschicksale, und auch die Bandbreite der Sammlungen, in denen sich NS-Raubgut immer noch findet. Dieses zu identifizieren, in Kontakt mit den Nachfahren der Enteigneten zu treten, mit ihnen angemessene Lösungen zu finden – das war und bleibt eine Herkulesaufgabe, die uns noch über Jahre beschäftigen wird, auch wenn mittlerweile die Unterzeichnung der Washingtoner Prinzipien mehr als ein Vierteljahrhundert zurückliegt und die SPK seitdem schon über 350 Werke und fast 3000 Bücher zurückgegeben hat. Wir wissen, dass damit noch längst nicht das Ende der Aufarbeitung erreicht ist.“
Die Erben von Eduard Fuchs sind sehr erfreut über die Rückgabe des Dachreiters. Geht damit doch die Anerkennung einher, dass Fuchs diesen nur deshalb verloren hat, weil er wegen seiner politischen Gegnerschaft gegen die Nationalsozialisten schon früh und intensiv von diesen verfolgt worden ist.
Eduard Fuchs (31. Januar 1870, Göppingen – 26. Januar 1940, Paris) war ein deutscher Kulturwissenschaftler, Historiker, Schriftsteller und Kunstsammler. Bekanntheit erlangte er vor allem durch die dreibändige „Geschichte der erotischen Kunst“ und das sechsbändige Werk „Illustrierte Sittengeschichte vom Mittelalter bis zur Neuzeit“, die ihm den Namen „Sitten-Fuchs“ einbrachten.
Fuchs baute zudem eine umfangreiche Privatsammlung auf. Neben Werken seines Freundes Freund Max Slevogt und von Max Liebermann umfasste sie auch rund 6000 Blätter des französischen Karikaturisten Honoré Daumier. Zur Sammlung gehörten zudem eine große sittengeschichtliche Sammlung (Zeichnungen, Druckgraphik, Plakate, Flugblätter) mit ungefähr 20.000 Objekten und eine Sammlung ostasiatischer Fayencen, Porzellanen und Tonplastiken mit dem Schwerpunkt chinesischer Dachreiter. Fuchs hatte nach dem Ersten Weltkrieg das von Ludwig Mies van der Rohe erbaute Haus Perls erworben und bat den Architekten um einen Anbau, der 1928 fertiggestellt wurde. Hier wollte Eduard Fuchs seine Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich machen. Es wäre das weltweit erste Sammlermuseum gewesen, bei dem die Stifter sowohl die Sammlungsobjekte, die Villa als Ausstellungsort, wie auch ein großes Stiftungsvermögen für Personal, Ankauf und Unterhalt zur Verfügung gestellt hätten. Durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten wurden diese Pläne Makulatur.
Da Eduard Fuchs sozialistisch bzw. zeitweilig kommunistisch und antimilitaristisch eingestellt war und früh versuchte, Widerstand gegen die Nationalsozialisten zu organisieren, wurde er bereits ab Februar 1933 von den Nationalsozialisten verfolgt. Unmittelbar nach dem Reichstagsbrand floh er mit seiner Frau nach Frankreich. Er verstarb 1940 in Paris.
In Fuchs‘ Abwesenheit wurde seine Kunstsammlung von den Nationalsozialisten beschlagnahmt. Mit Hilfe von Unterstützern gelang es Fuchs Ende 1934 zwar, die Aufhebung der Beschlagnahme zu erwirken. Zur Bezahlung der Reichsfluchtsteuer musste jedoch ein Teil der Sammlung versteigert werden. Darum kümmerte sich Fuchs‘ Tochter aus erster Ehe, Gertraud Fuchs, gemeinsam mit Anwälten.
Am 16. und 17. Juni 1937 wurden 481 Kunstwerke im Berliner Auktionshaus Lepke versteigert, am 15. und 16. Oktober desselben Jahres, ebenfalls bei Lepke, 799 Plastiken aus Fuchs‘ Sammlung Ostasiatischer Kunst. Darunter war als Los Nr. 99 die nun restituierte Dachreiterfigur. Der Kunsthändler Ernst Fritzsche erwarb sie für 75 RM. Im November 1937 und 1938 folgten drei weitere Versteigerungen der Sammlung Fuchs. Ernst Fritzsche verkaufte die Dachreiterfigur 1952 für 2.000 DM an die Staatlichen Museen im Ostteil der Stadt.
Informationen zum Objekt:
Die fast 29 Kilogramm schwere und einen halben Meter hohe Dachreiterfigur (Ident. Nr. 45823) stammt aus der Qing Dynastie. Das gelb, grün, türkis und dunkel auberginefarben glasierte Tonobjekt stellt ein Fabelwesen mit einem danebenstehenden Mann dar. Ursprünglich diente es als Giebelbekrönung.
Viele der Firste und geschwungenen Dächer historischer chinesischer Häuser und Tempel tragen figuralen Schmuck, der aus glasierter Keramik, aber auch aus Metall oder Holzschnitzerei bestehen kann. Oft werden die Enden des Firstes von Drachen eingenommen.
Am häufigsten findet man Reihen von kleinen, auf dem First der Sparren laufenden Figuren, die aus Ton gebrannt und glasiert mythische Wesen oder reale Tiere vorstellen, von denen man Pferde, Elefanten, Hasen, Hühner und Delphine leicht erkennen kann. Unter den mythischen Wesen finden sich Figuren der Unsterblichen, der Drache (chin. long) und sein weiblicher Gegenpol Phönix (chin. feng), Löwen, das Himmels- und das Meerpferd, die Fabeltiere Suangyi und Xiezhai und ein fischartiges Mischwesen.
Pressefoto: www.preussischer-kulturbesitz.de/newsroom/presse/pressebilder.html