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Kulturforum: Die Piazzetta wird zum Johanna und Eduard Arnhold Platz
Pressemitteilung vom 04.11.2024
Die bisherige Piazzetta am Eingang der Museen am Kulturforum wurde heute nach Johanna und Eduard Arnhold benannt. Damit wird an das jüdische Ehepaar erinnert, das in der Kaiserzeit und der Weimarer Republik Kunst, Kultur und Wissenschaft mäzenatisch unterstützte. Mit der Benennung des Platzes werden künftig die Museen am Kulturforum – Gemäldegalerie, Kunstbibliothek, Kupferstichkabinett und Kunstgewerbemuseum – diese Adresse für ihren Besuchereingang führen.
Die Umbenennung der sogenannten Piazzetta in Johanna und Eduard Arnhold Platz verdankt sich vor allem einer bürgerschaftlichen Initiative, die an das zivilgesellschaftliche Engagement des jüdischen Bürgertums in Deutschland und Berlin erinnern möchte. Die Arnholds waren bedeutende Kunstmäzene und Stifter der Deutschen Akademie Rom Villa Massimo. Der Unternehmer Eduard Arnhold war darüber hinaus an der Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (heute: Max-Planck-Gesellschaft) und des Kaiser-Friedrich-Museumsvereins beteiligt. Die Kunstsammlung des Ehepaares, in der ehemaligen Villa Arnhold im Tiergartenviertel öffentlich zugänglich, galt zu Beginn des 20. Jahrhunderts als die wertvollste Privatsammlung moderner Kunst in Deutschland. Sie stand auf dem heutigen Grund der Gemäldegalerie.
Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur und Medien, erklärt: „Die Geschichte Deutschlands und Berlins als Standort für Kunst und Kultur ist ohne Mäzene wie das Ehepaar Arnhold nicht vorstellbar. Sie waren prägend für das öffentliche Leben in Berlin – und durch die Stiftung der Villa Massimo in Rom auch weit darüber hinaus. Wenn wir heute diese Piazzetta nach dem Ehepaar Arnhold benennen, dann benennen wir sie stellvertretend nach all den jüdischen Mäzenen, deren Lebensleistung und Wirken durch die Nationalsozialisten ausgelöscht wurden.“
Gero Dimter, Vizepräsident der SPK, sagt: „Die Staatlichen Museen zu Berlin verdanken dem Ehepaar Arnhold zahlreiche Wohltaten, darunter Schenkungen bedeutender Kunstwerke des Impressionismus. Die Benennung des Platzes soll pars pro toto auch für die zahlreichen weiteren Bewohnerinnen und Bewohner des früheren Tiergartenviertels stehen, viele von ihnen jüdischen Glaubens, die die Kunst und Kultur ihrer Zeit und darüber hinaus entscheidend geprägt haben. Deshalb wird demnächst vor Ort auch umfassender über diese einstigen jüdischen Bewohner des Tiergartenviertels informiert.“
Sarah Wedl-Wilson, Staatssekretärin für Kultur des Landes Berlin, betont: „Öffentliche Orte und Plätze sind wichtige Bausteine einer lebendigen Erinnerungskultur. Mit einem Namen gibt man diesen Plätzen nicht nur einen Teil ihrer Geschichte zurück, würdigt die Personen an ihrer Lebens- und Wirkungsstätte und entreißt sie dem Vergessen. Man belebt einen Ort durch seine Benennung auch neu und gibt ihm eine Bestimmung, eine Geschichte, in der er sich einschreiben kann. Die Umbenennung in Johanna- und Eduard-Arnhold-Platz ist deshalb ein weiterer Schritt zur Entwicklung des Kulturforums und gibt diesem im besonderen Maße eine zusätzliche Bedeutung.“
Julia Draganović, Direktorin der Deutschen Akademie Rom Villa Massimo, erklärt: „Mit dem Erwerb eines Grundstücks im Jahre 1910 und dem Bau von Ateliers und Wohnungen für Kreative aus Deutschland sowie der Spende des gesamten Ensembles an den Preußischen König hat Eduard Arnhold die internationale Kulturlandschaft dauerhaft geprägt. Der Rompreis der Deutschen Akademie Rom Villa Massimo gilt heute als wichtigste Auszeichnung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien für Kulturschaffende im Ausland. Seiner Witwe Johanna ist es maßgeblich zu verdanken, dass die Villa Massimo 1928, nach der Konfiszierung der Akademie durch den italienischen Staat während des Ersten Weltkriegs, wieder an die deutsche Regierung zurück ging.“
Lea Rosh, Stellvertretende Vorsitzende des Vereins zur Erinnerung an Johanna und Eduard Arnhold, erklärt: „Johanna und Eduard Arnhold haben zusammen mit ihren gleichfalls zumeist jüdischen Nachbarn und Freunden im untergegangenen ehemaligen Tiergartenviertel für Berlin und Deutschland ein herausragendes Beispiel gegeben für eine sozial und kulturell engagierte Bürgergesellschaft. Die Erinnerung an sie, die Erinnerung an die durch Diktatur und Krieg Vergessenen, Vertriebenen, Ermordeten sind wir nicht nur ihnen schuldig. Wir sind diese Erinnerung gerade heute, in Zeiten neuer rassistischer Verblendung und sozialer, kultureller Verwerfungen, auch uns selbst schuldig.“
Der „Verein zur Erinnerung an Johanna und Eduard Arnhold e.V.“, zu dem u.a. die Publizistin Lea Rosh, der Architekt Thomas Albrecht, der Rechtsanwalt Ernst Brenning und der Kulturjournalist und Arnhold-Biograf Peter von Becker zählen, war mit seinem Anliegen auf die SPK zugekommen. Die Stiftung stellte als Eigentümerin der Fläche auf Grundlage von § 5 des Berliner Straßengesetzes die nötigen Anträge beim Bezirk Berlin Mitte. Der Verein unterstützte dabei, indem er u.a. die anfallenden Kosten trug. Darüber hinaus stiftet der Verein aus Anlass der Platzeinweihung im Zusammenwirken mit den Staatlichen Museen zu Berlin für zunächst zwei Jahre ein „Arnhold-Stipendium“ für eine von den Staatlichen Museen kuratierte kunstwissenschaftliche Arbeit im thematischen Umfeld von Kunst und Kultur im Tiergartenviertel.
Pressebilder: https://www.preussischer-kulturbesitz.de/newsroom/presse/pressebilder.html
Arnhold-Initiative: https://www.arnhold-initiative.de/
Villa Massimo: https://www.villamassimo.de
Johanna und Eduard Arnhold
Eduard Arnhold (1849–1925) wurde in Dessau als Sohn eines jüdischen Armenarztes geboren. In Berlin begann er mit 14 Jahren eine Lehre beim Kohlengroßhändler Caesar Wollheim, wurde dort wenige Jahre später zum Prokuristen und nach dem Tod seines Mentors als Inhaber zu einem bedeutenden Energieversorger und damit auch einem der reichsten und einflussreichsten Männer des Landes. 1881 heiratete er Johanna Arnthal (1859–1929), Tochter einer jüdischen Hamburger Familie.
Gemäß seinem ethischen Leitspruch „Reichtum verpflichtet‟ engagierte sich Arnhold umfassend für Kunst und Gesellschaft und war neben James Simon der bedeutendste Mäzen der damaligen Zeit. Arnhold unterstützte nicht nur den Bau neuer Verkehrswege, Straßenbahnen und Luftschiffe. Er förderte auch die Akademie der Künste und unterstützte mäzenatisch die großen Museen in Berlin und München. So konnte etwa die Gemäldegalerie ihr berühmtestes Werk von Tizian („Venus mit dem Orgelspieler“) dank einer Mitspende Eduard Arnholds erwerben. Der Nationalgalerie schenkte er Max Liebermanns „Landhaus in Hilversum“, sowie gemeinsam mit weiteren Förderern Edouard Manets „Wintergarten“, die Antikensammlung unterstützte er finanziell beim Ankauf der „Thronenden Göttin von Tarent“.
Arnhold war zudem Mitbegründer der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (heute: Max-Planck-Gesellschaft) und des Kaiser-Friedrich-Museumsvereins. Mit seiner Frau Johanna errichtete er außerdem das „Johanna-Heim“ nordöstlich von Berlin, das hunderten Mädchen und jungen Frauen aus oft mittellosen Verhältnissen in einzigartiger Weise Bildungs- und Lebenschancen eröffnete. Für Kunststipendiaten stiftete das Ehepaar die Villa Massimo in Rom, die heute als Deutsche Akademie Rom Villa Massimo die bedeutendste Einrichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Spitzenförderung deutscher Künstlerinnen und Künstlern im Ausland ist.
Als bedeutendster Sammler und Förderer von Max Liebermann engagierte sich Arnhold zugleich wie kein anderer für die im deutschen Kaiser-reich noch verfemten französischen Impressionisten. Die mit seiner Frau gemeinsam aufgebaute Kunstsammlung galt zu Beginn des 20. Jahrhunderts als wertvollste private Sammlung moderner Kunst in Deutschland, mit Werken etwa von Goya, Manet, Monet, Cézanne, Degas oder Renoir, von Böcklin, Lenbach, Klinger, Feuerbach, Menzel, Leibl, Slevogt, Thoma, Corinth bis zu Lesser Ury. 1898/99 bezogen Johanna und Eduard Arnhold eine Villa in der damaligen Regentenstraße 19, wo sie die Sammlung zeitweilig öffentlich zugänglich machten. Auf dem Grundstück befindet sich heute die Gemäldegalerie.
Johanna und Eduard Arnholds Villa im Tiergartenviertel wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Die Nationalsozialisten tilgten jede Erinnerung an das Paar. Die schon 1912 an Eduard Arnold erinnernde Arnholdstraße in Berlin-Britz erhielt 1938 im Rahmen von Straßenumbenennungen aus antisemitischen Gründen die neue Bezeichnung Holzmindener Straße. Dieser Name ist bis heute unverändert. Die Sammlung erbte die evangelische Adoptivtochter des Ehepaares Arnhold Elisabeth, die das Paar 1887 als Vierjährige bei sich aufgenommen hatte. Zahlreiche Werke wurden im Krieg zerstört oder sind verschollen oder aufgrund von Verkäufen zerstreut.
Tiergartenviertel
Der nun die Namen von Johanna und Eduard Arnhold tragende Platz erinnert zugleich an das Engagement vieler weiterer überwiegend jüdischer Menschen im Tiergartenviertel. Zu ihnen zählten neben anderen die Sammler und Kunstförderer Felice und Carl Bernstein, Oscar Huldschinsky und dessen Sohn Paul Huldschinsky, die Sammler und Kunstmäzene James und Eduard Simon, die Unternehmer und Politiker Emil und Walther Rathenau, die Schauspielerin Tilla Durieux, die Kunsthändler und Verleger Bruno und Paul Cassirer, die Frauenrechtlerin Hedwig Dohm, der maßgebliche Autor der Weimarer Verfassung Hugo Preuß, das Autorenpaar Julie und Julius Elias, der Kunsthistoriker Julius Meier-Graefe, der Galerist und Publizist Alfred Flechtheim, der Journalist Theodor Wolff, die Verlegerfamilie Ullstein, der Schriftsteller, Verleger und Kunstförderer Herwarth Walden und die Dichterin Else Lasker-Schüler.
Die Kunstbibliothek hat sich im Rahmen eines BKM-geförderten Projektes mit den Kunstgeschichte(n) des Tiergartenviertels auseinandergesetzt (https://www.smb.museum/museen-einrichtungen/kunstbibliothek/sammeln-forschen/forschung/kunstgeschichten-des-tiergartenviertels/ und bietet nun jeweils sonntags um 11.15 Uhr Vorträge zum Thema, beim nächsten Termin am 11. November mit Brigitte Landes, die kürzlich das Buch „Die verschwundene Stadt – Im Tiergartenviertel“ veröffentlicht hat:
https://www.smb.museum/museen-einrichtungen/kunstbibliothek/veranstaltungen/veranstaltungsreihe/kunstgeschichten-des-tiergartenviertels/