NS-Raubkunst: SPK restituiert fünf Werke aus der Gemäldegalerie

Pressemitteilung vom 21.10.2024

Faire und gerechte Lösung: SPK restituiert fünf Werke an die Erben der Inhaber der Galerie Matthiesen – ein Werk verbleibt in der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin

1935 verkaufte die Dresdner Bank rund 4.400 Kunstwerke an den Preußischen Staat, der diese an die Museen übergab. Seit 2018 untersucht das Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin, ob sich unter den davon heute noch im Bestand der Museen erhaltenen Werken NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut befindet. Ein Konvolut von Gemälden stammt aus der Galerie Matthiesen. Mit den Nachfahren der Inhaber der Galerie konnte die SPK nun eine faire und gerechte Lösung finden, die die historischen Hintergründe angemessen berücksichtigt.

Der jüdische Kunsthändler Franz Zatzenstein-Matthiesen hatte für seine Berliner Galerie in den 1920er Jahren Kredite aufgenommen. 1933 flüchtete er in die Schweiz. Im darauffolgenden Jahr übereignete er der Bank zur Tilgung von Restschulden Kunstwerke aus seinem Galeriebestand. Diese gelangten im Zuge des Dresdner Bank Geschäftes 1935 in die Staatlichen Museen zu Berlin. Die nun mit den Erben getroffene Vereinbarung berücksichtigt einerseits den durch die Verfolgung erlittenen Schaden, andererseits auch die Tatsache, dass es um Verbindlichkeiten aus der Zeit vor 1933 ging, die der Galerist auch ohne die Verfolgung hätte tilgen müssen, wenn auch zu wesentlich günstigeren Bedingungen. 

Hermann Parzinger, Präsident der SPK: „Ich danke den Nachfahren der Inhaber der Galerie Matthiesen für ihre Gesprächsbereitschaft und Offenheit, eine faire und gerechte Lösung entsprechend den Washingtoner Prinzipien zu finden. Dies ist ein komplexer Fall und ich freue mich sehr, dass es uns gemeinsam gelungen ist, zu einer Lösung zu gelangen, die die vielschichtigen historischen Hintergründe widerspiegelt: Fünf Werke erhalten die Erben, ein Werk bleibt in der Gemäldegalerie. Vor über 25 Jahren hat die SPK begonnen, ihre Bestände aktiv auf NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut zu untersuchen, und das Zentralarchiv hat dabei eine entscheidende Rolle für die Museen übernommen. Seitdem haben wir über 350 Kunstwerke und mehr als 2000 Bücher an die Berechtigten zurückgegeben.“

Die Nachfahren erklären: Die SPK hat große Anstrengungen unternommen zusammen mit den Erben der Inhaber der Galerie Matthiesen eine faire und gerechte Lösung hinsichtlich dieser Werke zu finden. Die Erben sind der SPK in hohem Maße dankbar für die verantwortungsvolle Art und Weise, in der sich die Stiftung mit diesem Fall auseinandergesetzt hat.

Dagmar Hirschfelder, Direktorin der Gemäldegalerie: „Als Museum und öffentliche Institution ist es nicht nur unsere Pflicht, sondern auch eine Selbstverständlichkeit, dass wir für den Umgang mit Werken, die als NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut identifiziert werden können, gemeinsam mit den Erben gerechte Lösungen finden. Die systematische Untersuchung der Provenienzen unserer Gemälde ist daher unerlässlich. Hierzu gehört ganz wesentlich auch die Erforschung der Geschichte des Kunst- und Antiquitätenhandels. Die Bilder sind Zeugen erlittenen Unrechts. Ich freue mich deshalb sehr, dass wir den Nachfahren der Galerie Matthiesen mehrere Gemälde zurückgeben können.“

Petra Winter, Direktorin des Zentralarchivs, erklärt: „Das Provenienzforschungsprojekt rund um den Ankauf der Kunstwerke von der Dresdner Bank 1935 ist sehr komplex und umfangreich.  Unsere Recherchen drehen sich weniger um die Kunstwerke, sondern viel mehr um die einzelnen Kreditgeschäfte, die in ihrer Ausgestaltung sehr unterschiedlich waren.  Für die Frage, ob es sich möglicherweise um einen verfolgungsbedingten Verlust handelte, erforschen wir detailliert die Biographien der einzelnen Kreditnehmer.“

Kunst zur Tilgung von Kreditschulden eines geflüchteten Galeristen

Die Berliner Galerie Matthiesen GmbH wurde 1923 von Franz Zatzenstein-Matthiesen gegründet. Sie zählte große Museen zu ihrem Kundenkreis und war fest im internationalen Kunsthandel etabliert. Dennoch geriet die Galerie im Zuge der Weltwirtschaftskrise in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Bereits in den 1920er Jahren hatte Zatzenstein-Matthiesen für die Galerie Kredite bei der Danat-Bank aufgenommen, die 1932 in der Dresdner Bank aufging. Die Rückzahlung der Kredite wurde für die Galerie zur Herausforderung. 1932 wurde eine Vereinbarung zwischen der Bank und der Galerie geschlossen, die die bestehenden Verbindlichkeiten regelte. Dabei wurde ein Teil der Schulden getilgt. Für die Restschuld wurde ein Zahlungsplan bis 1938 erstellt.

Nach einer Hausdurchsuchung durch die Gestapo emigrierte Franz Zatzenstein-Matthiesen im April 1933 nach Zürich, blieb aber zunächst Geschäftsführer der Galerie. 1934 konnten die zwei Jahre zuvor vereinbarten Ratenzahlungen an die Dresdner Bank nicht mehr geleistet werden. 1934 wurde daher eine neue Vereinbarung zwischen der Galerie Matthiesen und der Dresdner Bank getroffen: Die Restschulden wurden durch die Übereignung von elf Gemälden aus dem Warenbestand der Galerie getilgt. Diese waren dann unter den 1935 über den Preußischen Staat an die Staatlichen Museen zu Berlin verkauften Kunstwerken. Sechs von ihnen wurden im Zuge der Recherchen in der Gemäldegalerie identifiziert, die übrigen sind entweder Kriegsverlust oder wurden bereits in den 1930er Jahren weiterveräußert.

Durch die verfrühte Ablöse des Gesamtkredits entstand der Galerie wohl erheblicher Schaden. Da die Tilgung aller Wahrscheinlichkeit nach nicht so erfolgt wäre, wenn Franz Zatzenstein-Matthiesen nicht durch die Verfolgung zur Emigration gezwungen gewesen wäre, haben die Erben der Inhaber der Galerie Matthiesen und die SPK sich auf eine faire und gerechte Lösung geeinigt. 

Die Nachfahren der Inhaber der Galerie erhalten: Anton van Dyck, Nachfolge: Porträt eines Mannes in Ritterrüstung (um 1619); zwei ehemals Jan van de Capelle zugeschriebe holländische Werke: Segelschiffe / Ruhige See mit Einmastern und Staatenjacht (18. Jh.) und Marine / Segelschiffe auf der Merwede vor Dordrecht (2. H. 17. Jh.); Giovanni Battista Tiepolo, Kopie: Christus auf dem Weg zum Kalvarienberg; Niederländisch, ehemals Ambrosius Benson zugeschrieben: Bildnis eines Mannes / Bildnis Melanchton (1546 / 1555). Im Bestand der Gemäldegalerie verbleibt: Versuchung des Hl. Antonius aus dem Umkreis von Jan (Wellens) de Cock.

Pressebilder: https://www.preussischer-kulturbesitz.de/newsroom/presse/pressebilder.html

Weitere Informationen zu Franz Zatzenstein-Matthiesen

Franz Manes Catzenstein wurde am 14. Juli 1897 in Hannover geboren. Nach seinem Studium der Kunstgeschichte und Literaturwissenschaften in München heiratete er 1920 Maria Matthiesen. Aus diesem Anlass änderte er seinen Namen in Zatzenstein und trug fortan den Namen Zatzenstein-Matthiesen. 

Franz Zatzenstein-Matthiesen begann seine Karriere als Kunsthändler 1922 in München, zog ein Jahr später nach Berlin und eröffnete dort die Galerie Matthiesen, die sich schnell zu einer der wichtigsten Galerien für französischen Impressionismus entwickelte. In den 1920er-Jahren zeigte die Galerie etwa Ausstellungen zu Henri de Toulouse-Lautrec, Honoré Daumier und Édouard Manet. Ende der 1920er-Jahre war Zatzenstein-Matthiesen zudem, gemeinsam mit den Kunsthändlern P. & D. Colnaghi & Co., London, und Knoedler, New York, am Verkauf von Meisterwerken alter Kunst aus der Eremitage ins westliche Ausland beteiligt und etablierte sich so im internationalen Kunsthandel.

Im April 1933 emigrierte Franz Zatzenstein-Matthiesen nach einer Hausdurchsuchung durch die Gestapo nach Zürich. Vier Jahre später zog er nach London, wo er kurze Zeit später die Matthiesen Gallery eröffnete. 1939 wurden Franz Zatzenstein-Matthiesens Anteile an der Berliner Galerie eingezogen und die Kunsthandlung in „arische“ Hände übergeben. Er lebte bis zu seinem Tod 1963 in London, wo er unter dem Namen Francis M. Matthiesen weiterhin als Kunsthändler tätig war. Sein Sohn Patrick Matthiesen führt die Londoner Galerie seit 1978 als The Matthiesen Galler

Weitere Informationen 

Fokusthema Jahresbericht SPK 2023: 25 Jahre nach der Washingtoner Konferenz: https://www.spkmagazin.de/2024/fair-und-gerecht-25-jahre-nach-der-washingtoner-konferenz.html

Projekt zur Dresdner Bank:https://www.smb.museum/museen-einrichtungen/zentralarchiv/forschung/provenienzforschung/erwerbungen-dresdner-bank-1935/

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