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Herzog & de Meuron bauen den Neubau des Museums „Neue Nationalgalerie – Museum des 20. Jahrhunderts“ am Berliner Kulturforum
Pressemitteilung vom 27.10.2016
Realisierungswettbewerb erfolgreich abgeschlossen: Jury unter Vorsitz von Arno Lederer vergibt neben dem ersten Preis für das Basler Büro einen zweiten und einen dritten Preis sowie vier Anerkennungen – Grütters: Grandioser Entwurf – Parzinger: Dieser Entwurf denkt Museumsarchitektur völlig neu und wird Geschichte schreiben – Eissenhauer: Ganz neue Freiräume für die Kunst
Das Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron wird gemeinsam mit Vogt Landschaftsarchitekten aus Zürich den Neubau für das Museum „Neue Nationalgalerie – Museum des 20. Jahrhunderts“ am Berliner Kulturforum errichten. Diese Entscheidung traf das Preisgericht unter Vorsitz von Arno Lederer am Dienstagabend. Die Schweizer Architekten setzten sich gegen Lundgaard & Tranberg Arkitekter A/S aus Kopenhagen (mit den Landschaftsarchitekten SCHØNHERR A/S, Kopenhagen) und das Berliner Büro Bruno Fioretti Marquez (mit capatti staubach Landschaftsarchitekten, Berlin) durch, die den zweiten und dritten Preis gewannen. Überdies vergab die Jury vier Anerkennungen, die an folgende Büros gingen: Office for Metropolitan Architecture (OMA) Rotterdam mitInside Outside, Amsterdam; Kazuyo Sejima + Ryue Nishizawa/ S A N A A, Tokyo mit Bureau Bas Smets, Brüssel; Staab Architekten GmbH, Berlin mit Levin Monsigny Landschaftsarchitekten, Berlin und Aires Mateus e Associados, Lissabon mit PROAP Lda, Lissabon. Insgesamt waren 40 Entwürfe eingereicht worden, ein Büro hatte seine Teilnahme zurückgezogen, ein weiteres keinen Entwurf eingereicht.
Zum Entwurf
In ihren Erläuterungen schreiben Herzog & de Meuron von einem HAUS aus Backstein, das sie für die Kunst des 20. Jahrhunderts errichten wollen: „Ist es eine Lagerhalle? Oder eine Scheune? Oder vielleicht eine Bahnhofshalle? Ist es nicht vielmehr ein Tempel mit den exakt gleichen Giebelformen wie die Alte Nationalgalerie von August Stüler? Tatsächlich ist es ein Ort des Lagerns wie eine Lagerhalle, ein Ort der Vorräte und der Nahrung wie ein landwirtschaftlicher Betrieb, ein Ort der Begegnung und der Verbindung wie eine Bahnhofshalle. Und – wie ein Tempel – ist es auch ein Ort der Stille und des Nachdenkens, der Wahrnehmung von Kunst, der Wahrnehmung von sich selbst.“
Ganz wichtig ist dem Basler Büro, das zuletzt den Erweiterungsbau für die Tate Modern in London realisierte, die Einbindung ihres Entwurfs in ein städtebauliches Ganzes am Kulturforum: „Es fehlt eine Verbindung der unterschiedlichen Orte miteinander, wodurch heutige ‚Freiräume‘ zu Plätzen werden könnten und die verloren wirkenden Architekturen der Neuen Nationalgalerie, Philharmonie, Kunstgewerbemuseum, Kupferstichkabinett und Gemäldegalerie zu wichtigen und gleichwertigen Akteuren in einem vielfältigen städtebaulichen Ganzen eingebunden werden. Dieses Verbinden und Vernetzen sehen wir als eine Hauptaufgabe unseres Projekts für ein Museum des 20. Jahrhunderts.“ Herzog & de Meuron planen eine Ost-West-Achse, die bis zur Piazzetta führt und das neue Haus wie ein „Tor“ erscheinen lässt, und einen „Nord-Süd-Boulevard“, der von der Philharmonie und perspektivisch unter der Sigismundstraße hindurch bis zur Neuen Nationalgalerie reicht.
Auch in ihrem Raumkonzept gehen sie von zwei sich kreuzenden inneren Straßen aus, die die in vier Quadranten angesiedelten Museumsräume erschließen. Durch das große Satteldach und den hohen zentralen Boulevard soll Licht ins Gebäude eintreten. Auf der „Kreuzung“ können großformatige Kunstwerke gezeigt werden, über den zentralen Achsen liegen vier Ausstellungsräume, die bis unters Dach reichen. Weiter heißt es: „Im Giebelfeld zur Philharmonie hin befindet sich ein direkter Zugang zum Medienraum. Veranstaltungen können so auch außerhalb der üblichen Öffnungszeiten stattfinden. […] Die Erschließung der einzelnen Quadranten ist direkt von den Boulevards möglich. Gleichzeitig sind alle Ausstellungsräume intern verbunden, so dass alternativ auch ein einziger Parcours angeboten werden kann.“ Im nordöstlichen Quadranten mit der denkmalgeschützten Platane sind ein Café und ein Restaurant geplant.
Herzog & de Meuron ist eine Partnerschaft, die von Jacques Herzog und Pierre de Meuron mit den Senior Partnern Christine Binswanger, Ascan Mergenthaler und Stefan Marbach geführt wird. 1978 gründeten Jacques Herzog und Pierre de Meuron ihr gemeinsames Büro in Basel. Die Partnerschaft ist über die Jahre gewachsen. Christine Binswanger ist seit 1994 Partnerin, es folgten Robert Hösl und Ascan Mergenthaler (2004), Stefan Marbach (2006), Esther Zumsteg (2009), Andreas Fries (2011) sowie Jason Frantzen und Wim Walschap (2014) und Michael Fischer (2016). Ein internationales Team aus rund 40 Associates und 380 Mitarbeitenden arbeitet an Projekten in Europa, Nord- und Südamerika und Asien. Herzog & de Meuron hat Büros in Basel, Hamburg, London, New York City und Hong Kong. Derzeit im Bau befinden sich unter anderem auch das M+ in Hong Kong, ein Museum für visuelle Kultur (geplante Fertigstellung 2019) sowie die Israelische Nationalbibliothek in Jerusalem (geplante Fertigstellung 2020).
Reaktionen
Der Vorsitzende des Preisgerichts, Arno Lederer, sagte: „Wir hatten eine intensive Diskussion, die aber immer auf der sachlichen Ebene geblieben ist. Es war ein Lernprozess für beide, für Sach- und Fachpreisrichter, in dem gerade auch die sehr radikalen Entwürfe immer wieder die Diskussion weitergebracht haben. Der Entwurf der Ersten Preisträger entzieht sich völlig den Standardvorstellungen, wie ein Museum an diesem Ort aussehen muss - er vertritt eine ganz eigene Position, die zurückhaltend und gleichzeitig ein starker Auftritt ist."
Kulturstaatsministerin Monika Grütters, die die im November 2014 die Initiative für den Neubau ergriffen hatte und vom Bundestag dafür 200 Millionen Euro bewilligt bekam, spricht von einem „grandiosen Entwurf“. „Er ist geeignet, dem Stellenwert der deutschen Kunst des 20. Jahrhunderts eine angemessene Heimat zu geben, diesem so sensiblen Bestand der Kunstgeschichte. Von Brücke bis Beuys fordern die Werke der Neuen Nationalgalerie eine würdevolle Ergänzung zum Mies van der Rohe-Bau. Mit der Entscheidung für den Entwurf des international renommierten Architekturbüros Herzog & de Meuron hat die Jury eine Wahl getroffen, die dem Rang dieses Wettbewerbs und dem prominenten Bauplatz hervorragend gerecht wird. Denn auf dieses Bauvorhaben schaut die ganze Welt. Hier werden wir daran gemessen, wie Deutschland mit Architektur umgeht, mit dieser so öffentlichen Kunst. Hier müssen Städtebau, Architektur und Museumsbedürfnisse zusammenfinden. Den Schweizer Planern gelingt es, den großen Solitären von Scharoun, Stüler und Mies van der Rohe einen architektonisch herausragenden Bau an die Seite zu stellen, der das Kulturforum neu strukturieren und beleben wird.“
Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, prophezeit, dass Herzog & de Meuron „erneut Museumsarchitekturgeschichte schreiben werden. Was sie vorschlagen, folgt klaren, einfachen, aber sehr eindrücklichen Formen. Ihr Entwurf passt sich vorzüglich zwischen die beiden ‚Diven‘ von Mies van der Rohe und Scharoun ein, mit denen er bewusst nicht konkurrieren will, und doch setzt er ein ganz starkes Zeichen. Die beiden zentralen Achsen des Gebäudes erschließen ein ganzes Stadtquartier und verleihen selbst dem Innenraum Platzqualität. Es gelingt Ihnen das schier Unmögliche, nämlich die Staatsbibliothek mit der Gemäldegalerie zu verbinden. Herzog & de Meuron haben einen Archetypus geschaffen und gehen einen völlig neuen Weg in der Museumsarchitektur. Dieser Entwurf wird Geschichte schreiben, und diese Geschichte findet in Berlin statt, deshalb sind der Preußische Kulturbesitz und seine Staatlichen Museen unendlich stolz und glücklich zugleich über diesen phantastischen Bau, der unsere Sammlungen zu neuer Wirkung kommen und Museum neu erlebbar machen wird. “
Auch der Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, Michael Eissenhauer, sieht in dem Entwurf ein „herausragendes Potenzial, weil sie der Kunst ganz neue Freiräume eröffnet. Ich bin außerordentlich glücklich mit dieser Wahl.“ Und Udo Kittelmann, Direktor der Nationalgalerie, beschreibt den Entwurf als eine „in jeder Hinsicht Zeichen setzende Museumsarchitektur, die sich nicht zurückhält, sondern vielmehr eine deutlich sichtbare, selbstbewusste und starke Stimme erhebt. Gerade auch im Zusammenwirken mit der Ausstellungshalle von Ludwig Mies van der Rohe entsteht ein singulärer Museumsstandort.“
Aus Sicht des Landes Berlin erklärt Senatsbaudirektorin Regula Lüscher: „Den Verfassern ist es auf wunderbare Weise gelungen zwischen den Ikonen des Kulturforums ein Haus mit Charakter zu entwerfen, welches nicht nur Museum ist, sondern uns einen offenen Ort im Herzen Berlins schenkt – ein Treffpunkt und Begegnungsort auch für Nichtmuseumsgänger. Ganz selbstverständlich werden die Staatsbibliothek mit dem Matthäuskirchplatz, die Philharmonie mit der Neuen Nationalgalerie verbunden und somit das Kulturforum in seiner Einzigartigkeit vollendet.“
Ausstellung der Entwürfe
Alle Entwürfe des Realisierungswettbewerbes werden vom 18. November 2016 bis 8. Januar 2017 im Kulturforum zu sehen sein.