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Verloren geglaubte Gemälde in die Alte Nationalgalerie zurückgekehrt
Press release from 12/03/2009
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat vier Gemälde der Alten Nationalgalerie, die seit dem Zweiten Weltkrieg verschollen waren, zurückerhalten. Sie wurden unabhängig voneinander im Kunsthandel aus Privatbesitz angeboten und als Eigentum der Stiftung Preußischer Kulturbesitz identifiziert. Das bedeutendste der vier Werke ist Carl Blechens „Weg nach Castel Gandolfo“ (1830), das nach seiner Rückkehr zunächst restauriert wurde. Es wird nach Ende der derzeitigen Ausstellung „Carl Gustav Carus. Natur und Idee“ ab Januar 2010 wieder ständig in der Alten Nationalgalerie zu sehen sein. Die anderen Werke sind: Virgilio Narcisse Díaz de la Peña, „Waldinneres (Fontainebleau)“ (1874), Charles Hoguet, „Brücke über einen Fluss mit Bäumen und Figuren“ (1853) und Friedrich Eduard Meyerheim, „Kinder vor der Haustüre“ (1852).
Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, sagte dazu: „Es ist beeindruckend und beglückend, dass es gelungen ist, nach Jahrzehnten die für den Sammlungszusammenhang so bedeutenden Werke in die Nationalgalerie zurückzubekommen. Ich danke allen Beteiligten, insbesondere den rückgabewilligen vorigen Besitzern und den Vertretern des Kunsthandels, die hier in vorbildlicher Weise Provenienzrecherche betrieben haben.“
Die vier Gemälde gehören zu den Beständen der Staatlichen Museen zu Berlin, die während des Zweiten Weltkrieges zu ihrem Schutz ausgelagert wurden und seitdem als Verluste galten. Zahlreiche dieser Werke wurden vernichtet, viele wurden von den russischen Trophäenkommissionen beschlagnahmt und etliche werden bis heute vermisst, ohne dass die Art des Verlustes näher bestimmt werden kann. Dies systematisch zu erfassen und zu dokumentieren war für die Berliner Museen aufgrund der Teilung der Sammlungen in Ost und West jahrzehntelang nicht möglich, nicht zuletzt, da keine Seite über die vollständigen Inventare verfügte. 1995 erschien schließlich der erste Band der Reihe „Dokumentation der Verluste“, der die Sammlung der Gemäldegalerie aufarbeitet. Seitdem wurden fünf weitere Bände (Nationalgalerie, Museum für Indische Kunst, Museum für Vor- und Frühgeschichte, Antikensammlung, Skulpturensammlung) veröffentlicht, die bereits in einigen Fällen dazu beigetragen haben, dass im Kunsthandel aufgetauchte Werke identifiziert wurden.
Die vier nun zurückgekehrten Gemälde waren bereits in der Publikation „Verlorene Werke der Malerei“ (dem Standardwerk von 1965 bis zur Wiedervereinigung) veröffentlicht, ebenso in dem 2001 erschienenen Verlustkatalog der Nationalgalerie und in der Lostart-Datenbank der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste in Magdeburg. Hinweise, dass die Gemälde aufgetaucht sein könnten, kamen aus dem Kunsthandel und vom Art Loss Register. Die Stiftung hat dann alle Anstrengungen unternommen, die Werke zurückzuerhalten, wie auch in vergleichbaren Fällen.
Ähnlich erfreulich waren in den letzten Jahren beispielsweise die Rückgewinnungen von zwei Menzel-Gouachen aus dem Kupferstichkabinett, ein Gemälde von Julius Hübner aus der Alten Nationalgalerie, ein Florentiner Damenporträt des Manierismus aus der Gemäldegalerie oder auch eine Figurengruppe von Balthasar Permoser aus dem Kunstgewerbemuseum.
Weitere Informationen zu Verlusten der Museen:
Die Publikationen zur Dokumentation der Verluste der Staatlichen Museen zu Berlin sind im Online-Shop zu bestellen.
Lehmann, Klaus-Dieter / Schauerte, Günther (Hg.): Kulturschätze – verlagert und vermisst. Eine Bestandsaufnahme der Stiftung Preußischer Kulturbesitz 60 Jahre nach Kriegsende. Berlin 2004
Im Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüterschutz. Veröffentlichungen der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste Band 5. Magdeburg 2007
Kulturgüter im Zweiten Weltkrieg. Verlagerung – Auffindung – Rückführung. Veröffentlichungen der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste Band 4. Bearbeitet von Uwe Hartmann. Magdeburg 2007
Zu den Gemälden im Einzelnen:
Carl Blechen, „Weg nach Castel Gandolfo“ (1830)
Öl auf Leinwand, 47,5 x 42 cm, Inv.-Nr. A I 319/6, 1881 erworben.
Blechens „Weg nach Castel Gandolfo“ tauchte 2007 im Münchner Kunsthandel auf. Die Kunsthandlung Arnoldi-Livie führte zu dem ihr angebotenen Gemälde wie üblich eine Provenienzrecherche durch und informierte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz darüber, dass es sich dabei um ein Werk aus der Nationalgalerie handeln könnte. Die Echtheitsprüfung ergab, dass es tatsächlich zum Altbestand der Sammlung gehörte. Aus Schutzgründen war das Werk im Zweiten Weltkrieg in den Flakbunker Berlin Zoologischer Garten verlagert worden und galt seit 1945 als verschollen. Dank der Gesprächsbereitschaft des Anbieters konnte es nun in die Alte Nationalgalerie zurückkehren. Dort wurde es restauriert und hat nun seinen dauerhaften Platz im Blechen-Saal.
Aus der Blechen-Sammlung der Nationalgalerie, die vor dem Zweiten Weltkrieg 47 Gemälde umfasste, fehlen weiterhin 13 Werke. Dennoch ist kein anderer Künstler außer Menzel mit seinem Werk so umfassend in der Sammlung der Nationalgalerie vertreten wie Carl Blechen. Die Nationalgalerie veranstaltete 1881 die erste große Blechen-Ausstellung überhaupt und würdigte den Künstler 1990 anlässlich seines 150. Todestages mit einer umfassenden Retrospektive.
Blechen (Cottbus 1798-1840 Berlin) hatte 1822-24 Malerei an der Berliner Akademie studiert und wird kunsthistorisch zwischen Romantik und Realismus eingeordnet. Von großem Einfluss auf seine künstlerische Laufbahn war eine Studienreise nach Dresden und in die Sächsische Schweiz, auf der er Johann Christian Dahl und wohl auch Caspar David Friedrich begegnete. Zunächst als Dekorationsmaler am Theater beschäftigt, wandte er sich nach einer Italienreise 1828/29 der Freilichtmalerei zu und hatte ab 1831 eine Professur für Landschaftsmalerei an der Berliner Akademie inne. Er malte insgesamt drei Fassungen von „Weg nach Castel Gandolfo“, von denen sich zwei im Besitz der Nationalgalerie befanden. Bei dem nun zurückgewonnenen Werk handelt es sich um die qualitätvollere Fassung, die 1881 mit der Sammlung Frick angekauft worden und dauerhaft ausgestellt war. Die zweite Fassung aus der Alten Nationalgalerie ist weiterhin verschollen.
Virgilio Narcisse Díaz de la Peña, „Waldinneres (Fontainebleau)“ (1874)
Öl auf Holz, 23 x 34 cm, 1897 erworben, Bez.: N. Diaz 74.
Ebenfalls 2007 informierte das Art Loss Register London die Nationalgalerie darüber, dass im Auktionshaus Sotheby’s in New York ein vermutlich aus dem Altbestand der Nationalgalerie stammendes Werk versteigert werden sollte. „Waldinneres (Fontainebleau)“ war während des Zweiten Weltkrieges aus Schutzgründen im Flakturm Berlin Zoologischer Garten untergebracht und galt seit 1945 als kriegsbedingt verschollen. Nachdem das Werk als Eigentum der Nationalgalerie identifiziert worden war, verzichtete der Einlieferer auf einen Verkauf und machte eine Rückkehr nach Berlin möglich.
Das kleinformatige Werk besitzt als eine der ersten Erwerbungen Hugo von Tschudis eine große Bedeutung für die Nationalgalerie. Tschudi war Direktor der Nationalgalerie von 1896 bis 1908 und baute in dieser Zeit eine Sammlung von Bildern der Impressionisten und ihrer unmittelbaren Vorläufer auf. Die Nationalgalerie zeigte als erstes europäisches Museum Werke dieser Künstler, obwohl Kaiser Wilhelm II. andere ästhetische Auffassungen vertrat. Um die konservative Ankaufskommission zu umgehen, erwarb Tschudi die Werke mit Hilfe von Stiftern. „Waldinneres (Fontainebleau)“ erhielt die Nationalgalerie 1897 als Geschenk des Bankiers und Kunstsammlers Alfred Thiem.
Narcisse Virgilio Díaz de la Peña (Bordeaux 1808 – 1876 Mentone) gehört zu den Hauptmeistern der Schule von Barbizon, einer Gruppe von Pariser Malern, die sich ab etwa 1830 im Dorf Barbizon am Rand des Waldes von Fontainebleau zum direkten Studium der Natur zusammengefunden hatten. Ihr Interesse galt weniger der Großartigkeit oder Erhabenheit der Natur als vielmehr der paysage intime, einfachen Motiven wie Waldwinkeln, Teichen, Flussbiegungen und Dörfern. Sie versuchten, Himmel und Wolken, Licht und Atmosphäre realistisch einzufangen und gelten als Vorläufer der Impressionisten. Díaz de la Peña war seit den 1840er Jahren mit seinen Bildern im Pariser „Salon“ überaus erfolgreich. Nachdem er 1869 neben Courbet und Corot an der „Ersten Internationalen Ausstellung“ in München teilgenommen hatte, war er auch in Deutschland ein bekannter Maler.
Charles Hoguet, „Brücke über einen Fluss mit Bäumen und Figuren“ (1853)
Öl auf Holz, 19 x 27 cm, 1916 erworben; Inv.-Nr. A III 839.
Im Januar 2009 wies das Art Loss Register London die Nationalgalerie auf das vom New Yorker Auktionshaus Christie’s für die Februarauktion angebotene Werk hin. Es war seit Jahrzehnten in Publikationen und Datenbanken als Kriegsverlust veröffentlicht gewesen. Das von der Nationalgalerie 1916 erworbene Gemälde hatte sich während des Zweiten Weltkrieges im Flakturm Berlin Friedrichshain befunden; seit Kriegsende galt es als verschollen. Nachdem das Werk als Altbestand der Nationalgalerie identifiziert worden war, konnte mit der Unterstützung des Auktionshauses rasch eine Einigung mit dem Einlieferer erzielt werden. Seit kurzem befindet sich das Gemälde nun wieder in der Alten Nationalgalerie, wo Bild und Rahmen restauriert wurden.
Charles Hoguet (Berlin 1821-1870 Berlin), hugenottischer Abstammung, wuchs in der französischen Kolonie in Berlin auf. Nach ersten Studien an der Berliner Akademie ging er als 18-Jähriger zur weiteren Ausbildung nach Paris. Unter dem Einfluss der zeitgenössischen Freilichtmalerei entwickelte Hoguet einen brillanten malerischen Stil und ausgeprägten Sinn für Farbe und Form. Wenige Jahre nach seiner Rückkehr aus Paris 1848 entstand das kleinformatige Bild „Brücke über einen Fluss“. Es zeigt eine Szene zweier Männer am Fluss in der Nähe einer hellen Steinbrücke, die in ihrer Farbfrische an die Landschaften Camille Corots erinnert.
Friedrich Eduard Meyerheim, „Kinder vor der Haustüre“ (1852)
Öl auf Leinwand, 44,2 x 35,6 cm, 1880 erworben, Inv.-Nr. A I 297.
Ebenfalls durch einen Hinweis des Art Loss Register (Deutschland) wurde die Stiftung Preußischer Kulturbesitz 2007 auf die geplante Versteigerung des Bildes bei dem Zürcher Auktionshaus Koller aufmerksam. Nach Identifikation des Werkes als Altbestand der Nationalgalerie einigte sich die Stiftung mit dem Einlieferer darauf, dass es wieder in die Sammlung nach Berlin zurückkehren solle.
Das Gemälde war 1880 für die Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin aus der „weiland von Jakobs’schen Sammlung“, Potsdam, angekauft worden. Nachdem es über längere Zeit an die Reichspostdirektion Berlin verliehen war, wurde es um 1941 in das Schloss Schwedt / Oder verlagert, das 1945 zerstört wurde. Bis vor kurzem nahm man an, das Gemälde sei ebenfalls vernichtet worden. Vermutlich war es aber wohl noch vor der Zerstörung des Schlosses in Schwedt unrechtmäßig entfernt worden.
Friedrich Eduard Meyerheim (Danzig 1808 – 1879 Berlin) war zu seinen Lebzeiten ein beliebter Genremaler. Ab 1830 lebte er in Berlin und studierte bei Gottfried Schadow und Johann Gottfried Niedlich an der Akademie. Mit dem Architekten Heinrich Strack, der nach Stülers Tod 1866-76 die Alte Nationalgalerie baute, unternahm er Wanderungen durch die Mark, als deren Ergebnis 1833 das Tafelwerk „Architektonische Denkmäler der Altmark Brandenburg" erschien. Danach wandte er sich zunehmend der Genremalerei zu mit Motiven aus dem Volks- und Kinderleben. „Kinder vor der Haustüre“ ist ein Beispiel dafür, vergleichbar mit den Kinderszenen Ferdinand Waldmüllers. Die Nationalgalerie besitzt noch zwei weitere Kindermotive Meyerheims („Junge Bäuerin bei ihrem kranken Kind“, „Der erste Schritt“).