Erfolg für SPK: Bekämpfung von Schädlingsbefall mit in-situ-generiertem Stickstoff wieder legal

News from 08/24/2023

Einschränkung der Kulturerbeeinrichtungen Europas durch EU-Biozid Verordnung überwunden – SPK erreicht nationale Relegalisierung von in-situ-generiertem Stickstoff zur Bekämpfung von Schädlingsbefall

Gebäudefassade
© Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker

Insekten bedrohen kostbares Kulturgut weltweit. Seit der Veröffentlichung von "Silent Spring" durch Rachel Carson im Jahr 1962, die die nachteiligen Auswirkungen des Pestizideinsatzes auf die Umwelt dokumentierte, wurden nachhaltigere Technologien in der Schädlingsbekämpfung erforscht und entwickelt. In den letzten Jahrzehnten haben sich immer mehr Museen und andere Kulturerbeeinrichtungen von der potenziell gefährlichen chemischen Kontrolle ab- und einer integrierten Schädlingsbekämpfung (lntegrated Pest Management IPM) zugewendet.

Eine Säule davon ist die Verwendung einer kontrollierten, anoxischen Atmosphäre mit sehr niedrigem Sauerstoffgehalt in einer Kammer oder einem Zelt mit dem Ziel, den Insektenbefall auf beweglichen oder unbeweglichen Objekten des Kulturerbes in allen Stadien ihrer Entwicklung zu beseitigen. Dabei ist Stickstoff das am häufigsten verwendete Gas. Dafür investierten viele, allein in Deutschland über 30 Einrichtungen, in eigene Stickstoffanlagen zur Objektbehandlung.

Es gibt keine gleichwertige Alternative in Bezug sowohl auf die Konservierung als auch auf die menschliche Gesundheit, sowohl für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch für die Besucherinnen und Besucher der Kulturerbeeinrichtungen.

Der Verwendung von in situ generiertem, also vor Ort aus der Umgebungsluft gewonnenem Stickstoff hat aber die Biozid Verordnung 528/2012 der Europäischen Union vom 22. Mai 2012 einen Riegel vorgeschoben. Seine Verwendung war seit 2017 weder als Wirkstoff noch als Produkt gestattet.

In einem komplexen Verfahren konnte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) stellvertretend für die Kulturerbeeinrichtungen in Deutschland am 5. April 2022 einen Zulassungsantrag bei der Bundesstelle für Chemikalien der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) stellen, der mithilfe einer finanziellen Förderung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) und unter Federführung des Rathgen-Forschungslabors der Staatlichen Museen zu Berlin im August 2023 per Allgemeinverfügung positiv beschieden wurde.

Damit kann nun in Deutschland in-situ-generierter Stickstoff erneut in der Schädlingsbekämpfung Anwendung finden und Stickstoffkammern können im Kulturerbeschutz wieder legal betrieben werden. Auf Grundlage der Allgemeinverfügung können nun alle anderen EU-Staaten über ein Verfahren der gegenseitigen Anerkennung zu einer jeweils nationalen und vereinfachten Zulassung gelangen.

Stefan Simon, Direktor des Rathgen-Forschungslabors: „Die Allgemeinverfügung der BAuA vom 10.8.2023 beendet eine kafkaeske Situation für unsere Kulturerbeeinrichtungen, die 2009 mit der Klassifizierung von Stickstoff, der immerhin ca. 78 % unserer Umgebungsluft ausmacht, als Wirkstoff für Biozidprodukte des Typs 18 (Insektizide) durch die Europäische Union begann. Die aktuelle Allgemeinverfügung der BAuA ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Gemeinsames Ziel muss die Korrektur dieser im Widerspruch zur Nachhaltigkeit stehenden europäischen Regelung bleiben.“

SPK-Vizepräsident Gero Dimter betont: „Mit der nationalen Relegalisierung von in-situ-generiertem Stickstoff zur Bekämpfung von Schädlingsbefall leistet die SPK als größte deutsche Kulturinstitution einen Beitrag zum nachhaltigen Kulturgüterschutz auch für andere Kultureinrichtungen in Deutschland und darüber hinaus. Ich danke dem Rathgen-Forschungslabor und seinem Direktor für das Engagement und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien für die große Unterstützung.“

Ein gemeinsamer Aufruf des International Council of Museums (ICOM) und des International Council on Monuments and Sites (ICOMOS) im Dezember 2019, sich an einer öffentlichen Anhörung bei der Europäischen Chemikalienagentur ECHA für eine Ausnahmegenehmigung im Kulturerbeschutz zu beteiligen, zeigte mit 1.487 abgegebenen Kommentaren eine starke Wirkung.

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