US-Verfahren um Welfenschatz: Stiftung Preußischer Kulturbesitz reicht Antrag auf Klageabweisung ein

Pressemitteilung vom 30.10.2015

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist der Ansicht, dass die Klage auf Herausgabe des Welfenschatzes unbegründet ist und nicht vor einem U.S.-amerikanischen Gericht verhandelt werden kann.

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Im Februar dieses Jahres wurde eine Klage auf Herausgabe des Welfenschatzes gegen die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) und die Bundesrepublik Deutschland bei einem U.S.-amerikanischen Bundesbezirksgericht, dem U.S. District Court for the District of Columbia in Washington, D.C., eingereicht (Philipp and Stiebel vs. Federal Republic of Germany and Stiftung Preußischer Kulturbesitz). Die SPK hat am 29. Oktober 2015 mittels einer „Motion to Dismiss“ beantragt, diese Klage abzuweisen. Die Kläger machen geltend, dass der Verkauf des Welfenschatzes im Jahr 1935 durch ein Konsortium, zu dem auch erfolgreiche Frankfurter Kunsthändler gehörten, unter Zwang erfolgt  und damit ein Restitutionsfall sei. Die Stiftung ist nach gründlicher Recherche zum Sachverhalt der Auffassung, dass dies nicht zutrifft, und hält die Klage daher für sachlich nicht begründet. Darüber hinaus hält sie die Klage für unzulässig.

„Die SPK bekennt sich in Fällen von NS-Raubgut klar und deutlich zu fairen und gerechten Lösungen entsprechend den Washingtoner Prinzipien, das habe ich stets deutlich gemacht“, sagte Prof. Dr. Hermann Parzinger, Präsident der SPK. „Im Falle des Welfenschatzes sind wir allerdings nach intensiven Recherchen zu der Auffassung gekommen, dass es sich nicht um NS-Raubkunst handelt und eine Restitution nicht angemessen wäre. Die SPK ist daher der Ansicht, dass diese Klage vor einem U.S.-Gericht nicht begründet ist und zudem aus mehreren wichtigen Gründen, die wir dem Gericht detailliert dargelegt haben, abzuweisen ist.“

In der „Motion to Dismiss“ werden mehrere Gründe geltend gemacht, aus denen die Klage abzuweisen ist, etwa:

  • Das Gericht ist nicht zuständig, weil die SPK als bundesunmittelbare Stiftung gemäß dem US-Foreign Sovereign Immunities Act grundsätzlich Immunität hinsichtlich Klagen genießt, die gegen sie in den U.S.A. erhoben werden. Die gesetzlichen Ausnahmen von der Immunität, auf die sich die Kläger berufen, sind in diesem Fall nicht anwendbar.
  • die Kläger sind nicht klageberechtigt, weil sie nicht im Namen des Konsortiums, das den Welfenschatz 1935 verkaufte, Ansprüche geltend machen können. Um klageberechtigt zu sein, müßten sie bestimmte rechtliche Schritte unternehmen, die sie bislang nicht getan haben.
  • Die Ansprüche der Kläger stehen im Widerspruch zur außenpolitischen Haltung der U.S.A., die seit Jahrzehnten einen „internen Restitutionsprozess“ befürwortet: Staaten sollen rechtliche Streitigkeiten hinsichtlich Eigentumsverlusten in der NS-Zeit innerhalb ihrer eigenen Grenzen lösen. Dies ist im vorliegenden Fall in Deutschland mit dem Verfahren vor der „Beratenden Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter, insbesondere aus jüdischem Besitz“ bereits geschehen.
  • Die Ansprüche könnten einfacher und besser in Deutschland verhandelt werden und sollten daher von dem U.S.-Gericht entsprechend dem forum non conveniens-Grundsatz abgewiesen werden. Nach diesem amerikanischen Verfahrensgrundsatz kann eine Klage abgewiesen werden, wenn das Verfahren in einem anderen Land sachnäher oder günstiger für die Parteien oder die Gerichte verhandelt werden kann oder es im öffentlichen Interesse liegt, das Verfahren in einem anderen Land zu führen. Hier liegen entsprechende Gründe für eine Klageabweisung vor, etwa die Tatsache, dass nahezu sämtliche relevanten Beweismittel in deutscher Sprache verfasst sind und sich in der Bundesrepublik Deutschland befinden.

Darüber hinaus engagiert sich die SPK bei Ansprüchen auf NS-Raubgut dafür, Lösungen in der Sache zu finden. Deshalb hat sie den Fall freiwillig der beratenden Kommission vorgelegt. Hätten die Kläger ihre Ansprüche vor einem deutschen Gericht vorgebracht, so hätte die SPK die Einrede der Verjährung nicht geltend gemacht und würde dies auch in Zukunft nicht tun, wenn die vorliegende Klage abgewiesen werden sollte. Gemäß U.S.-amerikanischem Recht hatten die Kläger jedoch genügend Zeit, ihre Ansprüche geltend zu machen. Aufbewahrungsort und Eigentümer des Welfenschatzes waren seit Ende des Zweiten Weltkrieges bekannt, und es hätte schon viel früher vorgebracht werden können, dass dieser Verkauf ein Zwangsverkauf gewesen sei.

Zum Verfahren vor der Beratenden Kommission entsprechend den Washingtoner Prinzipien

„Die Bundesrepublik Deutschland ist sich ihrer besonderen Verantwortung für die Aufarbeitung des nationalsozialistischen Kunstraubs bewusst. Sie bekennt sich, wie auch die SPK, vorbehaltlos zur ‚Washingtoner Erklärung‘“ erklärt die Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, die auch Stiftungsratsvorsitzende der SPK ist. „Die Stiftung geht verantwortungsvoll mit Kulturgut um, bei dem ein NS-verfolgungsbedingter Entzug anzunehmen oder nicht auszuschließen ist. Sie hat die Erwerbsgeschichte des Welfenschatzes intensiv erforscht und den Fall der „Beratenden Kommission“ vorgelegt, die ihrerseits nach intensiver Erörterung wohlbegründet gegen eine Herausgabe des Welfenschatzes votiert hat.“

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz setzt sich nachdrücklich für faire und gerechte Lösungen bei der Restitution von NS-Raubkunst ein. Seit 1999 hat die SPK im Zuge der Bearbeitung von mehr als 50 Restitutionsbegehren mehr als 350 Kunstwerke und mehr als 1000 Bücher an die Berechtigten zurückgegeben. Darunter waren eine Zeichnung von Vincent van Gogh, eine Arbeit von Munch und der „Watzmann“ von Caspar David Friedrich. Deutsche Museen und Einrichtungen insgesamt haben mehr als 14 300 Objekte als NS-Raubkunst zurückgegeben.

Bereits im Jahr 2012 haben die SPK und die damaligen Anspruchsteller, zu denen auch die jetzigen Kläger gehörten, im Welfenschatz-Fall gemeinsam die „Beratende Kommission“ angerufen. Die „Beratende Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter, insbesondere aus jüdischem Besitz“ wurde in Abstimmung zwischen der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, der Kultusministerkonferenz der Länder und den kommunalen Spitzenverbänden gebildet. Sie kann bei Differenzen über die Rückgabe von Kulturgütern angerufen werden, die im Dritten Reich ihren Eigentümern, insbesondere verfolgten jüdischen Bürgern, entzogen wurden und sich heute in öffentlichen Einrichtungen der Bundesrepublik Deutschland befinden. 2014 kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem Verkauf 1935 nicht um einen verfolgungsbedingten Zwangsverkauf gehandelt habe und sie daher eine Restitution nicht empfehlen könne.

Die Beratende Kommission hat eine Empfehlung in der Sache ausgesprochen. U.S.-amerikanisches Recht erlaubt den Klägern nicht, diese außer Acht zu lassen und zu versuchen, ihre Ansprüche vor einem amerikanischen Gericht nochmals durchzusetzen. Obwohl die Stiftung überzeugt ist, dass sie in der Sache auch vor dem U.S. District Court Recht bekommen würde, ist die Klage – wie in dem heute eingereichten Schriftsatz dargestellt – auf Grund verschiedener Regeln des U.S.-Rechts bereits jetzt abzuweisen.

Hintergrund zum Welfenschatz

Im Jahr 1929 formierte sich ein Konsortium, dem erfolgreiche Kunsthändlerfirmen aus Frankfurt angehörten, um vom Herzog von Braunschweig-Lüneburg eine Sammlung mittelalterlicher kirchlicher deutscher Schatzkunst zu kaufen, die seit dem 17. Jahrhundert zum Eigentum des Welfenhauses zählte. Die Sammlung, die unter dem Namen Welfenschatz bekannt war, war ursprünglich der Reliquienschatz des heutigen Braunschweiger Doms. Das Konsortium plante, den Welfenschatz mit Gewinn weiterzuverkaufen. Wenige Wochen nachdem es einen hohen Preis für die Sammlung bezahlt hatte, brach die U.S.-Börse zusammen, was zu der mehrere Jahre andauernden Weltwirtschaftskrise führte. Mit den Börsenkursen fielen die Kunstpreise. Das Konsortium hatte in der Hoffnung auf einen substanziellen Profit ein Vermögen investiert, konnte jedoch keine Käufer für die gesamte Sammlung finden.

Das Konsortium kontaktierte Museen und Sammler in den U.S.A., Deutschland und dem restlichen Europa, unter anderem das Metropolitan Museum of Art in New York. Es arrangierte sogar eine Tour der Sammlung durch die U.S.A. Nachdem es seine ursprüngliche Hoffnung, die Sammlung in ihrer Gesamtheit zu verkaufen, aufgeben mußte, begann das Konsortium, einzelne Objekte davon zu verkaufen. Die Käufer waren Sammler und Museen, unter ihnen das Cleveland Museum of Art. Nachdem das Konsortium jene Teile des Welfenschatzes, für die sich Interessenten fanden, verkauft hatte, brachte es den Rest des Welfenschatzes nach Amsterdam, während die Weltwirtschaftskrise weiter andauerte.

Fast zwei Jahre später nahm das Konsortium Verhandlungen mit einer deutschen Bank auf, die Interesse daran hegte, den verbliebenen Teil des Welfenschatzes für einen ungenannten Kunden zu erwerben. Beide Seiten legten Einstiegsangebote vor, und nach umfassenden Verhandlungen einigten sich das Konsortium und die Bank auf einen Kaufpreis, der etwa in der Mitte ihrer ursprünglichen Angebote lag. Am 14. Juni 1935 wurde der Verkaufsvertrag unterzeichnet. Das Konsortium erhielt, was vertraglich vereinbart war. In den folgenden 70 Jahren wurde der Verkauf nicht in Frage gestellt.

2008 kontaktierten einige Anspruchsteller – die behaupten, die Erben einiger der Firmen zu sein, die zu dem Konsortium gehörten – die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die als Eigentümerin den Welfenschatz im Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin ausstellt. Die Anspruchsteller, zu denen auch die jetzigen Kläger gehörten, trugen vor, dass der Verkauf des Welfenschatzes unter Zwang erfolgt sei, weil die Eigentümer der an dem Konsortium beteiligten Kunsthändlerfirmen deutsche Juden waren, weil der ungenannte Kunde der verhandelnden Bank der Staat Preußen war, und weil die NSDAP 1933 an die Macht gekommen war. Die SPK führte eine intensive Untersuchung der Umstände des Verkaufes von 1935 durch. Ihrer Politik der Transparenz entsprechend teilte sie ihre Ergebnisse und die historischen Dokumente, die diese belegen, in umfassender Korrespondenz mit den Klägern. Aufgrund der Ergebnisse ihrer Untersuchungen kam die SPK zu dem Ergebnis, dass der Verkauf im Jahr 1935 freiwillig erfolgt war und ein angemessener, marktgerechter Preis erzielt wurde.

Beide Seiten riefen 2012 gemeinsam die Beratende Kommission an und legten ihr die jeweilige Sicht auf den Fall dar. Am 20. März 2014 kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass „es sich bei dem Verkauf des Welfenschatzes nicht um einen verfolgungsbedingten Zwangsverkauf gehandelt hat“. Sie stellte fest: „Obwohl die Kommission sich des schweren Schicksals der Kunsthändler und ihrer Verfolgung in der NS-Zeit bewusst ist, liegen keine Indizien vor, die darauf hindeuten, dass die Kunsthändler und ihre Geschäftspartner in dem von der Beratenden Kommission zu beurteilenden speziellen Fall in den Verhandlungen – etwa von Göring – unter Druck gesetzt worden sind; zudem hatte man es auch 1934/1935 mit den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise zu tun. …. Im Übrigen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kunsthändler und ihre Geschäftspartner über den Erlös nicht frei verfügen konnten.“ Fast ein Jahr, nachdem die Kommission dies festgestellt hatte, reichten die Kläger Alan Philipp und Gerald G. Stiebel beim U.S. District Court in Washington D.C. eine Zivilklage gegen die SPK und die Bundesrepublik Deutschland ein.

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz wird in dem Fall in den U.S.A. von der Kanzlei Wiggin and Dana vertreten.

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