Die Zeit heilt keine Wunden
21.11.2018Die Zeit heilt keine Wunden
In der Debatte um Restitution klafft eine Lücke zwischen Recht und Moral. Unsere Autorin verlangt eine Neujustierung
So hoch die Erwartungen an die Wiedergutmachungsleistungen der Kunstrestitution sind, so ambivalent sind doch bisher die konkreten Erfahrungen mit ihrer Umsetzung. Denn gerade im Hinblick auf die Erwartung, durch die Rückgabe von Kunst könne Gerechtigkeit hergestellt werden, scheitert die Restitution an einem sehr elementaren Punkt: Restitution kann die Zeit nicht zurückdrehen. Ein gerechter Zustand, in dem die Opfer des Nationalsozialismus keine Verfolgung erlitten hätten, kann mit ihr nicht mehr hergestellt werden. Vielmehr kann Restitution immer nur ein Instrument eines bewussten und aktiven Wiedergutmachungsprozesses sein, mit dem auf begangenes Unrecht reagiert werden soll, eine Genugtuung für die Opfer und ihre Nachkommen, ein Akt der Buße für die Täter und ihre Nachfolger.
Gerade weil die Restitution nur als aktive Wiedergutmachungsleistung denkbar ist, stellt sie weder eine rechtliche noch eine anthropologische Universalie dar. Ganz im Gegenteil: Als nach dem Zweiten Weltkrieg die Alliierten in den westdeutschen Besatzungsgebieten eine eigene Rechtsgrundlage für die Rückerstattung der den Verfolgten des Nationalsozialismus geraubten und abgepressten Vermögensgegenstände schufen, handelte es sich um einen bis dahin historisch einmaligen Vorgang. Gerade deshalb waren die neuartigen Gesetze vorsichtig angelegt und auf einen Kompromiss ausgerichtet. Zwar wurden den Verfolgten umfassende Rückerstattungsansprüche zugesprochen. Voraussetzung war jedoch, dass sie diese innerhalb sehr kurzer Fristen nach Kriegsende anmelden mussten. Versäumten sie diese Frist, sollten alle weiteren Ansprüche ausgeschlossen sein. Nach heutigen Maßstäben mögen diese Regelungen defizitär erscheinen. Nach damaligen Maßstäben waren sie in gewisser Weise revolutionär. Nach der deutschen Wiedervereinigung wurden sie daher auch auf die nachgeholte Wiedergutmachung in den neuen Bundesländern übertragen, wobei auch hier ähnlich harte Ausschlussfristen festgeschrieben wurden.
Zitat
„Der Bundestag sollte sich zu einer Neuregelung durchringen“Sophie Schönberger