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James-Simon-Galerie: Tempel der Gastlichkeit und der Bildung
News vom 18.04.2016
Hermann Parzingers Rede beim Richtfest der James-Simon-Galerie am 13. April 2016
– es gilt das gesprochene Wort –
Mit der James-Simon-Galerie ist die Museumsinsel nun auch architektonisch im 21. Jahrhundert angekommen. Die Geschichte wird fortgeschrieben: Die „Insel“ begann sich mit dem Alten und Neuen Museum in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu formen, dann folgte der imperiale Ausbau nach der Reichsgründung 1871 mit den weiteren Gebäuden, 1945 erlebte sie Krieg und Zerstörung und danach den Wiederaufbau, die Instandsetzung durch die DDR und dann, nach der Wiedervereinigung, der Masterplan Museumsinsel.
Dieser Masterplan ist eine große nationale Aufgabe. Er ist ein gutes Zeichen für die Kulturnation Deutschland und es steht außer Frage, dass er bestmöglich zu Ende geführt werden muss. Wenn man hinüberblickt zur Kuppel des neuen Berliner Schlosses, dann merkt man: Masterplan und Humboldt Forum gehören zusammen. Das Humboldt Forum ist ohne den Unterbau dieser Museumsinsel gar nicht wirklich zu verstehen und auch gar nicht weiter zur Wirkung zu bringen. Es gehört zusammen, was hier auf der Spreeinsel entsteht.
In dieser Phase des Masterplans ist die James-Simon-Galerie natürlich ein ganz wichtiges Element und der Entwurf von David Chipperfield wirklich ein kongenialer Brückenschlag von der Historie der Gebäude zur Gegenwart: Ich stehe hier auf einer modernen Freitreppe, die Bezug nimmt zur Freitreppe von Schinkels Altem Museum. Die markante Kolonnade der James-Simon-Galerie führt – in moderne Formensprache übersetzt – Stülers Kolonnade fort. Das Sockelgeschoss stellt schließlich die evidente Verbindung zum Pergamonmuseum her. Dennoch ist die James-Simon-Galerie ein Gebäude, das für den Beginn des 21. Jahrhunderts steht und durch den mächtigen Sockel und die neun Meter hohen, filigranen Pfeiler wirklich eine ganz besondere Wirkung entfaltet.
Wir brauchen ein solches Gebäude, um unsere 3,5 Millionen Besucher auf der Museumsinsel gut empfangen zu können. Und es werden in den nächsten Jahren sicher noch mehr. Wer würde sich heute vorstellen wollen, dass der Louvre oder das British Museum mit einer Museumsinfrastruktur des 19. oder frühen 20. Jahrhunderts betrieben werden sollte? Wohl niemand.
Die James-Simon-Galerie ist in diesem Szenario nicht Hauptrennstrecke, sondern ein Haupteingang. Sie gibt Orientierung, bietet aber natürlich auch über die archäologische Promenade Verbindungen in die anderen Häuser. Jedes Gebäude behält natürlich auch seinen historischen Eingang. Auf diese Weise schaffen wir ein komplementäres Zusammenspiel der verschiedenen Zugänge und Wegeführungen. Ich glaube, mit dieser Lösung sind wir bestens auf den Besucheransturm in der Zukunft vorbereitet.
Das neue Eingangsgebäude bietet aber auch Strukturen, die wir in den historischen Häusern kaum finden. Aufenthaltsqualität hat auch etwas mit Gastronomie zu tun, mit Cafés, mit Erholung zwischen den Museumsrundgängen. Sie kennen die Häuser: kleine Museen, die jeden Zentimeter im Gebäude des Neuen Museums sowie im Alten Museum ausnutzen. Mit der James-Simon-Galerie haben wir eine wunderbare Ergänzung dazu: Von der oberen Hauptebene aus blickt man auf den Kupfergraben. Es wird ein großartiger Blick sein, in alle Richtungen. Aber nicht nur das. Damit hören wir natürlich nicht auf. Die Leute wollen ihre Besuche nachbereiten und hierfür muss in neuen Museumsshops ein adäquates Angebot zur Verfügung stehen. Merchandising ist angesichts sinkender Etats ebenso wichtig für die Museen. Wir müssen sehen, wie wir zu Einnahmen kommen.
Daneben erfüllt die James-Simon-Galerie aber auch inhaltliche Funktionen. Im Sockelgeschoss findet sich ein Sonderausstellungsbereich. Zusammen mit den angrenzenden Vorbereitungsflächen sind das tausend Quadratmeter. Denn die Häuser sind durch die Präsentation der Sammlungen belegt. Wo immer Kuratoren eine kleine Sonderausstellung machen wollen, müssen sie derzeit die entsprechenden Räume frei räumen. Unter der Freitreppe wird es schließlich ein Auditorium mit dreihundert Sitzplätzen geben. Dieser Saal folgt einem alten Gedanken aus der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Es gibt diese schöne Skizze von Friedrich Wilhelm IV. von der Museumsinsel, überhöht von einem klassizistischen Tempel. Dieser Tempel sollte ursprünglich kein Museum sein, sondern Vortragssäle zur Volksbildung bieten. Später haben wir den Tempel als Alte Nationalgalerie quasi zweckentfremdet. Wir sind in vielerlei Hinsicht mit der Vergangenheit der Museumsinsel eng verbunden, auch bei den neuen zeitgenössischen Projekten.
Dass der Baugrund für die James-Simon-Galerie schwierig ist, wussten wir von Anfang an. Das war ja nun keine Überraschung. Aber wo sonst soll man ein Eingangsgebäude bauen, wenn nicht hier. Natürlich weiß man, wie man mit solchen Schwierigkeiten umgeht. Dass dann Fehlleistungen geschehen, ist bedauerlich. Ich möchte hier noch einmal ganz klar sagen, dass es natürlich teils mit den Neuvergaben zu tun hat, wenn wir von steigenden Mehrkosten sprechen. Zugleich sind in der Zeit des Bauverzugs die Preise gestiegen, was auch die Kostensteigerungen mitbewirkt hat. Man muss die Zahlen genauer ansehen, die hier verglichen werden: eine ist von 2006 und die andere von 2016. Wir haben hier, inklusive sozusagen, zehn Jahre Preisindexsteigerungen. Das sollten wir vielleicht in diesem Kontext nicht vergessen.
Ein Wort zu James Simon. Dieses Gebäude trägt den Namen des vielleicht bedeutendsten Mäzens der Staatlichen Museen. Die Schenkung seiner Renaissance-Sammlung war ein Grundstock für das heutige Bode-Museum. James Simon hat nachhaltig die deutsche Orientgesellschaft finanziert, ohne deren Ausgabungen wir heute keine Prozessionsstraße von Babylon, kein Ischtar-Tor hätten. Nicht zu vergessen sind natürlich Nofretete und die Armana-Sammlung. Sie wurden zu einer Zeit geschenkt, als James Simons großes, weltweit ausgreifendes Baumwollhandelsimperium, was ja seinen Wohlstand ausmachte, durch die Folgen des Ersten Weltkriegs längst zusammengebrochen war. Trotzdem entschied er sich zu diesem Zeitpunkt – um 1920 – für eine solch‘ bedeutende Schenkung.
Trotz alledem gibt es keine Straße in Berlin, die James Simons Namen trägt. Wir fühlten die Verpflichtung, ihn mit diesem Gebäude dauerhaft zu ehren. Damit möchten wir auch dem Vergessen bedeutender jüdischer Mitbürger entgegenwirken.
Und somit steht die James-Simon-Galerie nicht nur zu Ehren von James Simon, sondern für auch all die anderen bedeutenden jüdischen Mäzene der Berliner Museen und der anderen Einrichtungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, ohne die wir nicht das wären, was wir heute sind.
Ich freue mich auf die Eröffnung 2018 und wünsche bis dahin unfallfreies Bauen!