Klaus-Dieter Lehmann, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Trauerworte für Heinz Berggruen

Pressemitteilung vom 02.03.2007

Mein Berlin begann mit Heinz Berggruen – beruflich und emotional. Als ich im Februar 1999 Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz wurde, war eine meiner ersten Begegnungen die mit Heinz und Bettina Berggruen im Stülerbau, in der Sammlung Berggruen. Es war Freundschaft auf den ersten Blick – wenn ich das so ausdrücken darf. Er nahm sich viel Zeit bei diesem ersten Rundgang; ich erinnere mich noch heute an seine behutsamen Markierungen, an seine prüfenden Blicke bei meinen persönlichen Anmerkungen, an seine offene Selbstverständlichkeit. Die Sammlung, der Sammler, der Ort – alles stimmte, alles war unverwechselbar. So viel Konzentration und Kontemplation. So viel Ausstrahlung und Qualität. Es war nicht nur sein absolutes Auge, es ist seine Seele, die sich in der Sammlung widerspiegelt. Jeder Besucher empfindet, dass er hier etwas Besonderes erlebt. Inzwischen sind es mehr als 1,5 Millionen Besucher geworden. Und die Wirkung, die Aura, bleibt auch nach seinem Tod.

Heinz Berggruen hätte es so sicher nicht ausgedrückt. Über die Empfindung der Menschen hat er sich aber sehr wohl gefreut. Er war neugierig auf Menschen, er liebte sie. Er mischt sich unter sein Publikum, er informierte sich über die Reaktionen im Gästebuch, er kommentierte in öffentlichen Foren. Aber niemals als Lehrmeister! Er wusste um die Kraft der Kunst, er wusste um die Kraft der Erinnerung und um die Kraft der Toleranz. Er vertrat die leisen Töne, die feine Ironie, das Beobachten und das behutsame Agieren. Er regte an, er machte aufmerksam, er machte nachdenk­lich – ohne fordernd zu sein. Er lebte das, was er war: aufklärerisch, kenntnisreich, unprätentiös. Das alles sind Eigenschaften, die im hektischen, zum Teil schrillen Berlin eher selten sind. Er hat zur Meisterschaft gemacht, was sonst untergeht. Menschliches Maß. Dies war ihm möglich, weil er beides kannte: die Mü­hen der Ebenen und die Leichtigkeit des Seins. Heinz Berggruen war aber nicht je­dermanns Liebling, er war ein großer Menschenfreund, weil er ein großer Men­schenkenner war. Er durchschaute sehr schnell, was Substanz und was Theater war. Und ließ dann auch an seinem Standpunkt keinen Zweifel – auch wenn dieser stilvoll verpackt war.

Unsere Freundschaft war mir sehr kostbar. Viele Gespräche hat sie belebt. Wenn wir uns nicht im Museum trafen oder in der Villa von der Heydt, dann in einem Restau­rant. Wir liebten es, uns jeweils abwechselnd einzuladen, wobei der Einladende das Lokal bestimmte. Wo immer wir auch hinkamen, Heinz Berggruen war bekannt und wir wurden auf die liebenswürdigste Art aufgenommen. Heinz Berggruen wiederum reagierte mit seinem feinen Lächeln oder mit einem aufmunternden Blick. Er war schon Ehrenbürger von Berlin bevor er Ehrenbürger wurde. Diese Sympathie zu erleben war wunderbar. Es war wie ein Geschenk.

Es gab kaum ein Gesprächsfeld, das wir nicht behandelten. Heinz Berggruen war dabei ungemein informiert, nicht nur über die Themen des Feuilletons, sondern auch über die gesellschaftlichen Entwicklungen, die ihn sehr beschäftigten. Dabei wurde sehr deutlich, dass seine Entscheidung für  Berlin eine  tief empfundene persönliche Entscheidung war, von der er hoffte, dass das gesellschaftliche Umfeld seine Erwartung in dieses Land bleibend bestätigen werde.

Als ich im Jahr 2000 für die Stiftung den Vertrag über den dauerhaften Verbleib der Sammlung Berggruen unterzeichnen konnte, war das ein Höhepunkt nicht nur für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, sondern für unser Land: die Kunst, die einst die Nationalsozialisten verfemt hatten, kehrte durch einen jüdischen Emigranten in seine Heimatstadt zurück – ein bewegendes Bekenntnis zu Berlin. Dieses Bekenntnis war nicht nur Erfüllung einer von ihm gewählten Mission, es beinhaltete auch einen tiefen Trennungsschmerz. Die Trennung von seiner Sammlung. Er war sehr still und nach­denklich in diesem Moment, in dem wir alle jubelten. Umso deutlicher gilt für uns, die wir die Verantwortung des Museums Berggruen tragen, dass wir dieses Vermächtnis als lebendige Verpflichtung in die Zukunft tragen.

Als im Herbst  2006 die komplette Sammlung Berggruen im Museé Picasso in Paris ihr Gastspiel gab, war es ein Triumph für die Kunst, aber auch eine außergewöhnli­che Wertschätzung für Heinz Berggruen, die ihm Hunderttausende Pariser genau wegen dieser Zusammenhänge erwiesen.

Nach diesen intensiven gemeinsamen Jahren hat sich Heinz Berggruen nun doch so überraschend verabschiedet. Ende Dezember holte er mich noch persönlich in Paris am Flughafen ab. Ich hatte ihm versprochen, ihn seinerseits in Tegel abzuholen. Gehofft hatte ich, dass er mit mir Anfang 2008 meinen Abschied aus dem Amt feiert. So wie er meinen Beginn 1999 mit mir gefeiert hat.

Der Mensch denkt, aber Gott lenkt. So kann ich nun noch etwas für ihn und die Fa­milie tun – in tiefer Dankbarkeit Heinz Berggruen ehren und sein großes Werk für die Kunst und ihre Vermittlung nach Kräften fördern.

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