Festakt am 8. November 2006. 100 Jahre Museum für Ostasiatische Kunst

Pressemitteilung vom 08.11.2006

Rede von Klaus-Dieter Lehmann, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz - Es gilt das gesprochene Wort -

Exzellenzen,
sehr geehrter Herr Osten,
lieber Herr Veit,
meine Damen und Herren,

mit einem Festakt begehen wir heute feierlich das 100-jährige Bestehen des Museums für Ostasiatische Kunst. Ich heiße Sie dazu alle sehr herzlich willkommen. Als großartige Einstimmung auf diesen wichtigen Tag konnten wir bereits Mitte Oktober in drei Jubiläumsausstellungen die Schönheit, die Kunstfertigkeit und die Lebenskraft der Kunst Ostasiens bewundern: in der Sammlung Klaus F. Naumann, mit seiner reichen Auswahl von einzigartigen Lacken, in der Sammlung John C. Weber mit herausragenden Exponaten der Kalligraphie, Malerei, Keramik und Textilien und schließlich mit den eigenen Schätzen des Museums.

Es ist kein Zufall, dass zwei der bedeutendsten Privatsammlungen sich aus dem Jubiläumsanlass präsentieren. Es waren Sammler, die diesem Museum ihre Kostbarkeiten anvertraut haben und es so bedeutend werden ließen. Zwar pflegte schon der Große Kurfürst den Umgang mit ostasiatischer Kunst im 17. Jahrhundert, einzelne Objekte aus dieser Zeit sind noch heute in der Sammlung. Den entscheidenden Schritt vollzog aber 1906 Wilhelm von Bode, der große Visionär und Generaldirektor der Staatlichen Museen, von hohem Qualitätsanspruch, kulturpolitischer Weitsicht und leidenschaftlichem Einsatz. Er formulierte den Anspruch für die Staatlichen Museen zu Berlin als einem „Universalmuseum für die Kunst und Kulturen der Welt“. 1904 hatte er mit der Eröffnung des Bode-Museums diesen Anspruch für die europäischen Stilepochen von der Spätantike bis zur Zeit um 1800 unterstrichen, einen Anspruch, den wir vor wenigen Wochen mit der glanzvollen Wiedereröffnung des Bode-Museums erneut mit einhelliger Begeisterung der Öffentlichkeit einlösen konnten. Teil des damaligen Kaiser-Friedrich-Museums war bereits die Islamische Kunstsammlung. Und 1906 begründete er das Museum für Ostasiatische Kunst. Er wollte neben die europäische Kunst gleichrangig die großen Kulturen der Welt setzen ganz im Geist der Brüder Humboldt.

Er half großzügig mit eigenen privaten Mitteln und seiner Zusammenarbeit mit Mäzenen: Der Freiburger Professor Ernst Grosse und seine Adoptivmutter Marie Meyer zählten zu den bedeutenden Förderern der ersten Stunde: Grosse beriet Bode bei der Museumsgründung, war Mentor Otto Kümmels, dem Direktor der Ostasiatischen Kunstsammlung, er war bei Erwerbungen für das Museum behilflich und schenkte ihm schließlich die Sammlung Meyer/Grosse, rund 500 Objekte. Ebenfalls prägend für das Haus war die Schenkung des Sammlers Gustav Jacoby, dem ehemaligen kaiserlich-japanischen Konsul in Berlin. Diese zwei Schenkungen machten bei Eröffnung der ersten eigenen Räume des Museums 1924 im heutigen Martin-Gropius-Bau etwa zwei Drittel der Sammlung aus.

Gustav von Bohlen und Halbach und auch James Simon unterstützten das Museum.

Durch seine großzügigen Unterstützer – besonders jüdischer Sammler - und durch kluge Erwerbspolitik errang das Museum bis in die dreißiger Jahre internationale Bedeutung. Berlin entwickelte sich zu einem der international führenden Zentren für ostasiatische Kunst.

Der Krieg und die unmittelbare Nachkriegszeit stürzten das Museum vom hohen Sockel der internationalen Bedeutung.

Nur 300 Objekte der alten Sammlung kehrten nach Berlin zurück. Alle anderen Sammlungsteile blieben zunächst verschollen.

Und wieder waren es die Sammler und privaten Förderer, die dem Museum für Ostasiatische Kunst einen Neuanfang ermöglichten. Das Ehepaar Franz Carl und Grete Weiskopf halfen der Ost-Berliner Einrichtung und Gerd und Lotti Wallenstein der West-Berliner.

Die dreihundert übrig gebliebenen Werke bildeten den Grundstock des Museums, das 1957 in West-Berlin wieder ins Leben gerufen wurde.

Auch in Ost-Berlin richtete man auf der Museumsinsel wieder eine Ostasiatische Sammlung ein – in diesem Fall mit den ostasiatischen Beständen des Kunstgewerbemuseums und jenen des Schlosses Monbijou. Zum zehnten Jahrestag der Gründung der DDR wurde diese Sammlung durch eine großzügige Schenkung der Regierung der Volksrepublik China bereichert: Über 250 Objekte aus dem Palastmuseum Beijing fanden den Weg auf die Museumsinsel.

Auch der von Leopold Reidemeister, dem damaligen Generaldirektor der Museen, gemeinsam mit der Anfang dieses Jahres verstorbenen Beatrix von Ragué, die das Museum von 1966 bis 1985 leitete, gegründete Sammlerkreis unterstützte das Dahlemer Museum. Aus dem großen Kreis der Schenker nenne ich Georg Weishaupt und Dr. Ulrich Lindemann, den ich sehr herzlich begrüße. Beiden verdankt das Museum jeweils eine größere Zahl wertvoller chinesischer Keramiken. Heute heißt der Sammlerkreis „Deutsche Gesellschaft für Ostasiatische Kunst“ und macht sich um die Verbreitung des Wissens um die ostasiatische Kunst durch die Publikation der „Ostasiatischen Zeitschrift“ im deutschsprachigen Raum sehr verdient. Zudem erwirbt die Gesellschaft Kunst, die sie dem Museum als Leihgabe zur Verfügung stellt. Dafür sei vor allem den Vorstandsmitgliedern Herrn Dr. Rainer Goedl und Frau Mayen Beckmann, die ich ebenfalls herzlich willkommen heiße, besonders gedankt.

Unter den Ankäufen, die das Museum zur weiteren Ergänzung seiner Sammlung tätigte, ist einer besonders hervorzuheben: 1988 konnte mit großzügiger Unterstützung durch die Stiftung Deutsche Klassenlotterie eine umfangreiche Sammlung chinesischer Bilder erworben werden, mehr als 400 Bilder von der Ming- und Quing-Zeit bis in die Gegenwart. Durch den Kauf reihte sich das Museum auf dem Gebiet der chinesischen Malerei wieder unter die führenden Sammlungen der Welt ein.

Mit der Wiedervereinigung wurden schließlich die in Ost und West getrennten ostasiatischen Sammlungen wieder zusammengeführt. Nach zweijähriger Schließzeit wurde im Jahr 2000 das Museum in Dahlem wiedereröffnet. Mit seiner glanzvollen Neupräsentation rückte es wieder in die erste Reihe der großen Sammlungen ostasiatischer Kunst im Westen auf.

Und auch an der Präsentation der neuen Dauerausstellung waren wiederum Mäzene entscheidend beteiligt: An erster Stelle ist hier Klaus F. Naumann zu nennen. Sein Engagement und seine Dauerleihgabe von rund 170 herausragenden Objekten, die in der Naumann-Galerie ausgestellt werden, erweiterten die Reputation des Museums ganz erheblich.

Auch Ihnen, verehrte Iertha und sehr verehrter Heinz Kuckei möchte ich danken: Durch Ihre Dauerleihgabe chinesischer Keramik kann das Museum für Ostasiatische Kunst auf diesem Gebiet wieder ungeahnten Reichtum präsentieren.
Zu danken ist auch dem Direktor der Museen der Stadt Nürnberg, Herrn Dr. Franz Sonnenberger, der dem Museum 2001 großzügig die zu Beginn des 20. Jahrhunderts zusammengetragene Sammlung Fuchs, vornehmlich japanische Malerei, treuhänderisch überlassen hat.

Zum hundertjährigen Jubiläum wurde das Museum reich beschenkt: Danken möchte ich zunächst Frau Dr. Rose Hempel, der letzten Schülerin von Otto Kümmel. Sie hat aus Anlass des 100. Geburtstages dem Museum eine wunderbare Sammlung japanischer Gelehrtenmalerei geschenkt, insgesamt 56 Bilder. Ein weiteres Präsent sind 19 chinesische und japanische Gelehrtensteine, für deren Übereignung an das Museum ich dem Ehepaar Gudrun und Willi Benz meinen Dank ausspreche. 2008 steht uns schließlich noch eine hervorragende Sammlung japanischer Keramik der Gegenwart ins Haus. Für die Übereignung dieser rund 400 Objekte danke ich Ihnen, Frau Dr. Anneliese und Herr Dr. Wulf Crueger sehr herzlich.

Zu den jüngsten Leihgaben im Haus zählen die chinesischen Möbel und japanischen Stellschirme, die der Vorsitzende der M. C. Hammond Foundation, Dallas, Texas, Dr. Hermann Graf zu Münster, großzügig dem Museum überlassen hat.

Dieter und Si Rosenkranz stehen – als Sammler und Leihgeber moderner Kunst – auch für die Zukunft des Museums, das seit seiner Wiedereröffnung ein breit gefächertes Ausstellungsprogramm anbietet, bei dem auch der zeitgenössischen Kunst Ostasiens eine bedeutende Rolle zukommt. Ihre großzügige Unterstützung machte das möglich.

Es ist ein großes Glück für ein Museum, einen solch engagierten Freundeskreis zu haben, es ist aber auch die besondere Eigenschaft der Direktorinnen und Direktoren bis heute, die Wertschätzung gegenüber dem Mäzenatentum so ausgeprägt zu besitzen und zu leben. Das ermöglicht solche Sternstunden, wie sie das Museum für Ostasiatische Kunst erleben durfte.

Wenn wir über dieses große Glück reden, dann dürfen wir aber nicht über den tiefen Schmerz schweigen.

Die Zeichen der Freundschaft, die seit der Gründung 1906 zu einer der besten Sammlungen ostasiatischer Kunst beigetragen haben, etwa 6000 Objekte, und zum überwiegenden Teil zu Kriegsende im Berliner Flakbunker Zoo vor Luftangriffen geschützt lagen, wurden durch die Rote Armee in die Sowjetunion verbracht und galten mehr als 50 Jahre als verschollen. Erstmals ist es mir im Jahr 2000 bei Beutekunstverhandlungen gelungen, in der Eremitage in St. Petersburg die Geheimdepots zu betreten. Ich fand die Lackarbeiten, die Rollbilder, die Schwertkästen, die Stickereien, alles noch versehen mit den Berliner Inventarnummern, hingestellt und unbeachtet seit 1945, eine Pracht und Schönheit im Verfall, 90 % des Berliner Bestandes in Russland. Zutiefst aufgewühlt und deprimiert verlässt man den Ort. Kunst eignet sich nicht als Kriegsgeisel. Dieser Zustand entspricht weder der Rechtslage nach dem Völkerrecht, - danach darf Kunst nicht als Reparationsleistung in Anspruch genommen -, noch dem Stand der Beziehungen zwischen Russland und Deutschland; es gab auch keine Legalisierung durch ein Viermächteabkommen der Alliierten, es war ein einseitiger Akt der Sowjetunion, der durch das russische Dumagesetz innenpolitisch noch verfestigt wurde.

Alle Interventionen haben bisher nichts bewirkt. Seit dem Herbst 2005 versuchen wir über den „Deutsch-russischen Museumsdialog“ die Gespräche auf Fachebene zu intensivieren, Zugang zu den Geheimdepots zu erhalten, Inventare zu erstellen, wissenschaftliches Arbeiten deutscher Wissenschaftler zu ermöglichen. Es kann nicht sein, dass die Kunst in der Kriegsgefangenschaft bleibt, Kunstsammlungen, die wir zum großen Teil jüdischen Sammlern verdanken.

Auch wenn das Museum für Ostasiatische Kunst nach dem Krieg wieder eine herausragende Position erreicht hat, so bleibt die Verpflichtung bestehen, diesen Sammlungsteil wieder in das Haus einzugliedern. Es ist ein unersetzlicher Teil unseres geistigen Tagebuchs.

Für die Zukunft der außereuropäischen Kunstmuseen ist inzwischen mit dem Humboldt-Forum auf dem Schlossplatz ein Konzept gereift, das Museumsinsel und Schlossplatz zu einer gedanklichen Einheit von Kulturerbe, Kulturwissen, Kulturbegegnung und Kulturerlebnis werden lässt. Während das Wirken Wilhelm von Humboldts sich mit der Museumsinsel verbinden lässt, einer humanistischen Bildungslandschaft, die mit ihren mehr als sechstausend Jahren Menschheitsgeschichte das Werden Europas durch ihre Kunstepochen dokumentiert, steht der Name Alexander von Humboldt für die geistige Verfassung des Humboldt-Forums als Ort der außereuropäischen Kunst und Kulturen in all ihren Ausdrucksformen und Sparten.

Was vor zweihundert Jahren nur ein Modell sein konnte, können wir heute konkret realisieren. Was vor hundert Jahren Wilhelm von Bode wollte, aber aus städtebaulichen Zwängen nicht realisieren konnte, die Gleichwertigkeit der Künste im direkten baulichen Gegenüber zu zeigen, können wir heute leisten. Gegenüber der Museumsinsel liegt der leere Schlossplatz, der vornehmste Platz in Deutschland. Ihm eine solche neue Sinnstiftung durch die außereuropäischen Text- und Bildkulturen zu geben, ist eine einzigartige Chance für die Hauptstadt. Sie ist von internationaler Bedeutung und von einer schlüssigen Legitimation. Keine andere Metropole ist in der Lage, einen solch zentralen Platz zur Verfügung zu stellen! Keine andere Metropole verfügt über die gedankliche Tradition, vergleichbare Sammlungen und die damit verbundene Expertise wie Berlin sie in den Dahlemer Museen besitzt.

Die Kunst Außereuropas würde ein eigenes Segment in diesem Kulturpanorama bieten. Die ästhetischen Konzepte Ostasiens und Indiens können Vorbild für die Kunstpräsentation sein.

Derzeit enthalten jedoch die Berliner Koalitionsverhandlungen von SPD und PDS die Position,  dass das Land Berlin sich aus der Finanzierung zurückziehen und dem Bund die Finanzierung allein überlassen will. Dadurch wäre die Beteiligung der Zentral- und Landesbibliothek gefährdet.

Es wäre aber keineswegs die Gefährdung des Nutzungskonzeptes für das Humboldt-Forum.

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz verfügt mit den großen außereuropäischen Sammlungen der Staatsbibliothek und des Ibero-Amerikanischen Instituts sowie der Museumsbibliotheken über ein gewaltiges Literaturpotenzial, um auch bei veränderten Rahmenbedingungen die Einheit von Museumssammlungen, Bibliothekssammlungen und Wissenschaft im Humboldt-Forum zu gewährleisten.

Der Bund müsste allerdings sein Finanzierungskonzept überdenken. Er sollte es tun, denn es gibt keine bessere Idee zur Bebauung des Schlossplatzes, dem realen und symbolischen Zukunftsort als der geistigen Mitte der europäischen Metropole Berlin, begründet aus der Vitalität der Kulturen der Welt.

Die Dahlemer Museen können die Zeit nutzen, sich jetzt schon konzentrierter auf diese Entwicklung einzustellen und ihre Struktur optimieren. Das Museum für Ostasiatische Kunst und das Museum für Indische Kunst sind mit ihren kleinen Betriebsgrößen sehr schnell an ihren Leistungsgrenzen hinsichtlich der verfügbaren Infrastruktur. Es wäre deshalb sinnvoll, gemeinsam mit den Museen zu überlegen, ein Museum für Asiatische Kunst zu schaffen, mit eigenständigen Abteilungen „Ostasiatische Kunstabteilung und Indische Kunstabteilung, und so gestärkt ihre inhaltliche Profilierung zu entwickeln. Nach hundert Jahren sollte ein solcher Ansatz statthaft sein, zum Nutzen und zur Zukunftsfähigkeit der Museen.

Gerade in unserer Zeit ist die Gefahr groß, dass wegen der Kurzlebigkeit und Flüchtigkeit, wegen des Verschwindens eines gemeinsamen Kanons kultureller und intellektueller Überlieferung und wegen der eindeutigen Bevorzugung ökonomischer Sichtweisen, die kulturellen Zusammenhänge verloren gehen, die Überlieferung auf spektakuläre Einzelereignisse und Unterhaltungswerte reduziert werden. Deshalb benötigen wir Bibliotheken in der Mitte der Gesellschaft.

Museen sind in besonderer Weise gefordert, mit ihrer Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit eine beständige Deutung und einen übergreifenden Ausdruck kultureller Überlieferung zu sichern. Die Ernsthaftigkeit der Arbeit, die Kompetenz der Wissenschaftler und die Achtung vor der Kunst bilden die Leitlinie. Das zeigen die hundert Jahre des Museums für Ostasiatische Kunst  eindrucksvoll. Für die geeigneten Rahmenbedingungen zu sorgen, sollte dann Auftrag sein! Dem Direktor, Herrn Prof. Veit, und all seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herzlichen Glückwunsch – ad multos annos!

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