Über sechzig Jahre nach Kriegsende findet Florentiner Damenporträt des Manierismus den Weg zurück nach Berlin

Pressemitteilung vom 31.05.2006

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die Commission for Looted Art in Europe können eine erfreuliche Mitteilung machen: Ein in den Wirren des Zweiten Weltkriegs abhanden gekommenes kleinformatiges Gemälde des Florentiner Manierismus ist heute von der in London ansässigen Commission for Looted Art in Europe und Charles Wheeler, in dessen Händen sich das Bild in den letzten Jahrzehnten befand, an die Berliner Gemäldegalerie übergegeben worden. Es ist das erste Mal, dass ein im Verlustkatalog der Galerie 1995 publiziertes Werk identifiziert und an das Berliner Museum als rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben worden ist. Das Gemälde ist aller Wahrscheinlichkeit nach am toskanischen Hof entstanden. Es ist ein Porträt von Eleonora von Toledo (1522–1562), die mit dem Herzog von Florenz, Cosimo I. de Medici, verheiratete Tochter des neapolitanischen Vizekönigs. Es wird Alessandro Allori (1535–1607) zugeschrieben, einem Schüler und Ziehsohn des Hofmalers Agnolo Bronzino. Von diesem stammt ein zweites Porträt Eleonoras in der Berliner Gemäldegalerie.

Klaus-Dieter Lehmann, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, erklärte bei der Übergabe: „Die heutige Rückgabe lässt hoffen, dass weitere folgen werden. Ich bin froh darüber, dass die historische Aufarbeitung unseres Bestandes Früchte trägt und zu Lösungen führt, die unseren rechtlichen Auffassungen entsprechen. Die Stiftung veröffentlicht ihre Kriegsverluste und erhält auf Initiative anderer –  wie heute –  ein Werk zurück. Sie übernimmt aber auch selbst die Initiative bei der Rückgabe von Werken an die rechtmäßigen Eigentümer, wenn diese sich im Einzelfall nach detaillierten Recherchen als NS-verfolgungsbedingt enteignet herausstellen. Der Commission for Looted Art danke ich für ihre gute Arbeit.“ Anne Webber, Co-Vorsitzende der Londoner Kommission stellt fest: „Wir freuen uns darüber, dass wir die Identifizierung und Rückgabe dieses schönen Gemäldes an die Gemäldegalerie ermöglichen konnten. Das ist – neben Gemälden aus Pirmasens – das vierte Werk aus deutschem Kriegsverlust, dessen Rückgabe wir in den letzten sechs Monaten ermöglichen konnten. Wir arbeiten gerne mit der Stiftung und anderen deutschen Institutionen weiter zusammen, um ähnliche Erfolge auch in der Zukunft zu erzielen – sowohl bezogen auf deutsche Kriegsverluste als auch auf NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kunst- und Kulturgut, das den Fokus unserer Arbeit ausmacht.”

Die wechselvolle Geschichte des Gemäldes

Das mit 16 x 12 cm gerade einmal handflächengroße, auf Pappelholz gemalte Bild hat eine wechselvolle Geschichte, von der aber nur Bruchstücke bekannt sind. Zunächst im Bestand des Berliner Kupferstichkabinetts war es 1894 der Gemäldegalerie zugeordnet worden. Vermutlich bei kriegsbedingten Auslagerungen kam das Bild abhanden. Denn 1944 wird es als vermisst notiert, nachdem es 1939, dem Jahr als die Museen geschlossen wurden und die Auslagerungen begannen, noch fotografisch dokumentiert worden war. Es gehört nicht zu den in die vermeintliche Sicherheit des Flakturms von Friedrichshain gebrachten Werke der Gemäldegalerie, die leider noch vollständig vermisst werden. Einige Jahre nach Kriegsende gelangte das Miniaturgemälde in die Hände von Charles Wheeler, heute einer der bekanntesten Auslandskorrespondenten der BBC, als er in seinen frühen Berufsjahren für den Sender in Berlin arbeitete. Er kam dabei täglich in Kontakt mit seinen deutschen Hörern, die ihn oft auch in seinem Studio besuchten. Einer von ihnen, ein Bauer aus der Gegend von Frankfurt an der Oder, übergab ihm um 1952 das Gemälde als Hochzeitsgeschenk und behauptete, er selbst habe es von einem russischen Soldaten bei einem Tauschgeschäft erhalten. Viele Jahrzehnte konnte Wheeler das Geheimnis um dieses Bild nicht lüften, bis er letztes Jahr bei Recherchen für eine BBC-Sendung über Verluste von Kunstwerken im Zweiten Weltkrieg Anne Webber von der Commission for Looted Art aufsuchte und von seinem Wunsch erzählte, die rechtmäßigen Eigentümer des kleinen Gemäldes ausfindig zu machen und es zurückzugeben. Die Commission nahm sich der Sache an und konnte - nach eigenen Recherchen und der Weiterleitung einer Fotografie des Gemäldes an deutsche Museen und kunsthistorische Dokumentationszentren - anhand des Verlustkatalogs der Berliner Gemäldegalerie die Herkunft des Bildes ermitteln und die Übergabe arrangieren.

Die Commission for Looted Art und der Berliner Verlustkatalog

Die in London ansässige Commission for Looted Art in Europe ist eine aus Experten bestehende Non-Profit-Organisation, die Individuen, Museen und Regierungen bei der Recherche, Identifikation und dem Ausfindigmachen von geraubtem Kulturgut weltweit vertritt. Der von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz publizierte Katalog „Dokumentation der Verluste, Band I, Gemäldegalerie“ ist 1995 erschienen und verzeichnet mehr als vierhundert Werke. Die bisher als Verlust dokumentierten Werke der Staatlichen Museen zu Berlin sind auch im Internet zu finden.

Die Porträtierte

Die porträtierte Eleonora von Toledo erlebte als Gattin von Cosimo I., den sie als 17-Jährige geheiratet hatte, eine der glanzvollsten Zeiten von Florenz. Der Herzog ließ die Uffizien erbauen, in dem ihr Sohn Francesco I. später die Galerie einrichten sollte. Den Palazzo Vecchio ließ Cosimo von Giorgio Vasari in eine prachtvolle Residenz verwandeln, in der Eleonora über ein Appartement mit eigener Kapelle verfügte. Eleonora war jedoch auch aktiv an Cosimos Geschäften beteiligt: Ihr Ehemann übertrug ihr in Zeiten seiner Abwesenheit die Regierungsgeschäfte, eine unübliche Geste in der damaligen Zeit. Zudem erwarb er für sie 1549 den Palazzo Pitti, der wenig später zum Sitz der großherzoglichen Familie wurde, und er ließ dort die Boboli-Gärten anlegen.

Das Werk der Kunst

Aus stilistischen Gründen wird man das qualitätvolle, akribisch gemalte und detailreiche Bild, das Eleonora als junge Frau darstellt, nicht als direktes Porträt betrachten können. Es ist wohl in späteren Jahren, möglicherweise sogar in den siebziger Jahren nach ihrem Tod entstanden, eine der vielen Porträts der Dame aufgreifend. Das kleine Format könnte auf die Verwendung als Teil einer genealogischen Porträtreihe hinweisen.

Charles Wheeler steht für Interviews zur Verfügung.

Kontakt:

Commission for Looted Art in Europe
Co-Vorsitzende Anne Webber
Tel. 0044 (0)20 7487 3401 und 0044 (0)7774 697 324

Eine Abbildung des Gemäldes kann per E-Mail bestellt werden.

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