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„Merowingerzeit – Europa ohne Grenzen“ wird in St. Petersburg eröffnet
Pressemitteilung vom 19.06.2007
Heute wird in der Staatlichen Eremitage St. Petersburg die Ausstellung „Merowingerzeit – Europa ohne Grenzen. Archäologie und Geschichte des 5. bis 8. Jahrhunderts“ eröffnet. St. Petersburg, wo sie bis 16. August gastieren wird, ist die zweite Station der Ausstellung, die bereits mit großem Erfolg vom 13. März bis 13. Mai 2007 im Staatlichen Puschkin-Museum Moskau gezeigt wurde. In zwei Monaten sahen dort rund 140 000 Interessierte die Präsentation, die nicht nur ein Meilenstein in der kulturhistorischen Darstellung des frühen Mittelalters ist, sondern auch von außergewöhnlicher kulturpolitischer Bedeutung: Der größte Teil der Exponate sind Beutekunst-Objekte, von deren Existenz bis vor wenigen Jahren die Öffentlichkeit nichts wusste. Sie waren am Ende des Zweiten Weltkriegs von der Trophäenkommission der Roten Armee in die Sowjetunion aus Berlin abtransportiert worden. Die Ausstellung „Merowingerzeit – Europa ohne Grenzen“ ist ein Gemeinschaftsprojekt des Museums für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin, des Staatlichen Puschkin Museums Moskau, der Staatlichen Eremitage St. Petersburg und des Staatlichen Historischen Museums Moskau.
Klaus-Dieter Lehmann, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, erklärt dazu: „Die Ausstellung hatte in Moskau hervorragende Besucherzahlen und rief großes Medienecho hervor. Enorme Nachfrage bestand auch nach dem fundierten Katalog, der bereits jetzt als Standardwerk gilt. Es zeigte sich, wie stark das öffentliche Interesse an der noch ungelösten Frage der Beutekunst ist, aber auch nach den gemeinsamen historischen Wurzeln. Ich bin sicher, die Ausstellung wird auch in St. Petersburg ähnlichen Erfolg haben und einen Anstoß geben, über den richtigen Ort für die Objekte nachzudenken.“
Die Ausstellung bietet einen bisher einmaligen Überblick über die kulturgeschichtliche Entwicklung im merowingerzeitlichen Europa (5. – 8. Jh. n. Chr.). Sie vermittelt ein vielschichtiges Bild der Völkerwanderungszeit in dem Gebiet vom Ural und von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer. Dabei werden zeitgleiche Kulturen aus dem Baltikum, der russischen Waldsteppenzone, vom Balkan sowie aus Süd-, Mittel- und Westeuropa gegenübergestellt. Erstmals können Vielfalt und Qualität der kulturellen Leistungen des frühen Mittelalters derart umfassend präsentiert werden. Die in nur einem Jahr erarbeitete Ausstellung ist nach Kulturräumen gegliedert, wobei die einzelnen Gebiete jeweils von den ausgewiesenen Spezialisten bearbeitet wurden. Bei den Ausstellungsstücken handelt es sich zum überwiegenden Teil um Gold-, Silber- und Edelsteinfunde von höchstem Rang.
Die Berliner Sammlung zur Völkerwanderungs- und Merowingerzeit mit ihren bedeutenden und lange verloren geglaubten Schätzen wird durch die Ausstellung erstmals seit 1939 wieder der Öffentlichkeit präsentiert. Die bis heute ungelöste Frage der Rückführung von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern wird so in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Von den über 1300 Exponaten sind allein 700 Stücke Beutekunst-Objekte. Die meisten Objekte galten über sechzig Jahre lang als verschollen, zahlreiche Stücke waren bislang wissenschaftlich noch nicht aufgearbeitet. Die insgesamt fast 300 wertvollsten mittelalterlichen Kostbarkeiten aus den so genannten Goldkisten des Museums für Vor- und Frühgeschichte, die kriegsbedingt im Moskauer Puschkin Museum lagern, werden relativ vollständig präsentiert. 230 weitere Werke sind temporäre Leihgaben aus dem Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte, den Rest haben die Staatliche Eremitage und das Staatliche Historische Museum Moskau aus ihren eigenen Sammlungen beigesteuert. Mit der Ausstellung wurde ein neuer, zusätzlicher Weg in der Behandlung der Beutekunst-Frage eingeschlagen. Die Verhandlungen auf Regierungsebene sollen dadurch unterstützt werden und in der Öffentlichkeit Transparenz, Aufklärung und Geschichtsbewusstsein erzeugt werden. Wesentlich ist daher, dass alle Beutekunst-Objekte sowohl in der Ausstellung als auch im Katalog in den Objektbeschreibungen mit dem Zusatz „Kriegsbedingt verlagert. Bis 1945 im Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin“ versehen sind. Beispielhaft breitet die Ausstellung aus, was sich hinter dem Begriff Beutekunst verbirgt und bisher ohne wissenschaftliche und restauratorische Behandlung in Geheimdepots in Russland gelagert und der Öffentlichkeit verborgen blieb. Eine Präsentation hierzulande ist nicht möglich, da Deutschland wegen seiner geltend gemachten Eigentumsansprüche auf einen Teil der Exponate keine Rückkehrgarantie geben kann.
Elementar ist neben der Bewusstseinsbildung der Öffentlichkeit für die Beutekunstproblematik auch, dass die Objekte im Rahmen der Ausstellung endlich identifiziert, restauriert und wieder in den Kreislauf wissenschaftlicher Arbeit aufgenommen werden konnten. Dies war nur möglich durch die Kooperation der deutschen und russischen Fachleute. Erst durch die alten Inventarlisten, die die Berliner aus ihrem Museum mitbrachten, konnten die in Russland lagernden Berliner Objekte identifiziert werden. Die Zusammenarbeit wird durch ein Kolloquium zu aktuellen Fragen der Forschungen zur Völkerwanderungs- und Merowingerzeit, das vom 20. bis 22. Juni 2007 in der Eremitage stattfindet, weiter intensiviert werden.
Befördert wird diese konstruktive Zusammenarbeit, die Modellcharakter beanspruchen kann, auch durch den „Deutsch-russischen Museumsdialog". Dieser wurde unter Einbeziehung aller in Deutschland von der Beutekunst-Frage betroffenen Museen auf Initiative der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der Kulturstiftung der Länder im Herbst 2005 begonnen. Weitere deutsch-russische Projekte sind geplant.
Finanziell hat sich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz durch die Übernahme der gesamten Kosten für den Katalog beteiligt, unterstützt wurde sie dabei durch die Sponsorenleistung der RAG Beteiligungs-AG, Essen. Im dreisprachigen Ausstellungskatalog (deutsch / russisch / englisch; Verlag: Edition Minerva, 591 Seiten, Buchhandelsausgabe: 72 Euro, Museumsausgabe: 45 Euro) werden alle Exponate mit Abbildungen und wissenschaftlichen Beschreibungen präsentiert, aber auch die Geschichte der Sammlungen und die unterschiedlichen Rechtspositionen von Deutschland und Russland zur Frage der kriegsbedingt verlagerten Kulturgüter dargestellt. Er ist über den online-Shop der Staatlichen Museen zu Berlin bestellbar und in den großen Bibliotheken der Welt verfügbar.
Wo? Staatliche Eremitage St. Petersburg
Wann? 20. 6. – 16. 8. 2007
Kolloquium: 20. – 22. 6. 2007
Hintergrundinformationen
Die Merowinger
Das Reich der Merowinger leitete den Übergang zum Mittelalter abendländischer Prägung ein. Ihre Dynastie ist namengebend für die Epoche zwischen Spätantike und frühem Mittelalter in Europa. Die Anfänge dieses Königsgeschlechts vom Niederrhein liegen im Dunkeln. Chlodwig (482-511) begründete das Regnum Francorum der Merowinger. Er verlegte seinen Regierungssitz nach Paris und ließ sich später in Reims katholisch taufen. Sein Königreich wurde die integrierende Kraft eines multiethnischen Reiches, in dem sich antike Traditionen und heidnisch-germanisches Erbe vermischten. Die fast 330-jährige Herrschaft der Merowinger endete im Jahr 751 mit der Absetzung von Childerich III. durch die Karolinger. Die exemplarische Darstellung der historisch-archäologischen Zusammenhänge ist Anliegen der Ausstellung.
Vorbereitung der Ausstellung
Während im April 2005 im Puschkin Museum noch eine Ausstellung eröffnet wurde, die den provokanten Titel „Archäologie des Krieges – Rückkehr aus dem Nichts“ trug und ohne Wissen und Einbindung der deutschen Museen organisiert worden war, stellte sich die Zusammenarbeit für die Vorbereitung der Merowinger-Ausstellung vollkommen anders dar. Nachdem die genannte Ausstellung zunächst Irritationen auf deutscher Seite ausgelöst hatte, wurde im Juli 2005 zwischen den Staatlichen Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und dem Puschkin Museum in Moskau ein „Neubeginn der Beziehungen in offener partnerschaftlicher Atmosphäre“ vereinbart. Erstmals erhielten die Berliner Wissenschaftler auch Zugang zu bislang verschlossenen Depots.
Als Folge der Vereinbarung fand schon im Oktober 2005 eine erste Konferenz von Moskauer und Berliner Museumsfachleuten in Moskau statt. Im Zusammenhang mit der Konferenz wurden erneut Besuche für die Berliner Wissenschaftler in bisherigen Geheimdepots organisiert. Damals meinte Klaus-Dieter Lehmann, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, anlässlich der konstruktiven und freundlichen Atmosphäre: „In der konkreten Zusammenarbeit der Fachleute liegen Chancen, die wir nutzen sollten, um zu Aufklärung, gegenseitigem Respekt und Verständnis zu gelangen. Entscheidend bleibt, dass wir die Ansprüche auf Rückgabe der Beutekunst und Wiedereingliederung in den ursprünglichen Sammlungszusammenhang aufrechterhalten.“
In diesem Klima konnte auch die Organisation der Merowinger-Ausstellung vorangetrieben werden. Nach einem Arbeitstreffen Ende Januar 2006 in Moskau kamen im April 2006 in Berlin erneut die Vertreter der beteiligten Institutionen zusammen. Im Rahmen der Ausstellungsvorbereitungen erhielten deutsche Wissenschaftler erneut Zugang zu den russischen Depots. Sie identifizierten zusammen mit den russischen Kollegen und mit Hilfe der alten Berliner Inventare die Objekte, bearbeiteten sie wissenschaftlich. Es zeigt sich, dass die Wissenschaft dadurch Forschungslücken schließen kann und sich völlig neue Aspekte zur Migration aus der Zeit zwischen Spätantike und Mittelalter vor allem im östlichen Europa auftun.
Initiative Deutsch-Russischer Museumsdialog
Am 8. November 2005 kamen rund siebzig Museumsfachleute aus deutschen Museen, die von der Beutekunst-Thematik betroffen sind, zu einer Vollversammlung in Berlin zusammen. Die Ergebnisse der Fachtagung fanden ihren Niederschlag in einem gemeinsamen Votum. An den dort formulierten Zielen wird sich die Arbeit der auf der Tagung gebildeten Arbeitsgemeinschaft „Initiative Deutsch-Russischer Museumsdialog“ orientieren. Sie ist ein neuer Ansatz, der darauf zielt, die Interessen der betroffenen Institutionen zu bündeln und nach innen und außen fachlich zu vertreten. Darüber hinaus sollen von diesem Kreis konkrete, in die Zukunft weisende Schritte auch mit russischen Fachkollegen initiiert und koordiniert werden.
Zunächst geht es darum, mehr Informationen über die in Russland vorhandenen Bestände aus Deutschland zu erhalten. Entscheidend dabei ist, dass deutsche Wissenschaftler zu bisher verschlossenen Depots und zu entsprechenden Archivmaterialien in Russland Zugang erhalten, damit die Altbestände lokalisiert und entsprechende Kurzinventare erstellt werden können. Darüber hinaus soll auf den unbefriedigenden Status quo durch öffentlichkeitswirksame Mittel aufmerksam gemacht werden. Die Museen beabsichtigen beispielsweise, durch gemeinsam mit russischen Museen organisierte Ausstellungen die Schätze zugänglich zu machen und sie aus der Dunkelheit der russischen Geheimdepots ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen. Erstes Beispiel für diese Kooperation ist die Merowinger-Ausstellung. Begründet in ihrem fachlichen Mandat für den Schutz und die Pflege der ihnen ursprünglich übereigneten Kulturgüter haben die Museen auch die Absicht, in Kooperation mit den russischen Museen zur Erhaltung, Konservierung und Restaurierung der Bestände durch Austausch von Wissen beizutragen. Ein weiteres Ziel ist es, zur Aufklärung generell beizutragen und das fachliche Verhältnis zu den russischen Museen auf- und auszubauen. Längere Arbeitsaufenthalte für junge russische Wissenschaftler an deutschen Museen und umgekehrt sollen ermöglicht werden. Darüber hinaus soll die wissenschaftliche Aufarbeitung der kriegsbedingt verlagerten Kunst- und Kulturgüter ebenso wie der Restitutionen durch die Sowjetunion an die DDR in den fünfziger Jahren verstärkt werden.
Die Initiative der Museen zielt darauf, die Positionen der mit Russland in Verhandlungen stehenden Bundesregierung aus fachlicher Perspektive zu unterstützen und zu befördern. Entscheidend ist, das öffentliche Problembewusstsein sowohl in Deutschland als auch in Russland zu schärfen und auf die Brisanz des Themas nachhaltiger als bisher aufmerksam zu machen.
Das Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Das Museum für Vor- und Frühgeschichte in Berlin besitzt eine der größten überregionalen Sammlungen zur Archäologie der Alten Welt. Die Schausammlung bietet anhand von Funden aus ganz Europa und Teilen Asiens einen Überblick über die Kulturgeschichte von der Steinzeit bis ins Mittelalter. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts zählte das Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte zu den drei bedeutendsten prähistorischen Sammlungen der Welt. Der Zweite Weltkrieg setzte diesem Glanz ein Ende und hatte schmerzliche Bestandsverluste zur Folge. Sämtliche Gold- und Edelmetallfunde wurden 1945 als Kriegsbeute nach Russland gebracht, wo sie bis heute in Geheimdepots lagern. Nach Fertigstellung des Neuen Museums 2009 wird das Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte auf die Museumsinsel umziehen.
Das Museum für Vor- und Frühgeschichte und der Zweite Weltkrieg
Mit seinem Bestand von mehr als 180.000 Funden aus ganz Europa und benachbarten Regionen war das Museum für Vor- und Frühgeschichte bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges eine der bedeutendsten und umfangreichsten prähistorischen Sammlungen weltweit. Schon vor Kriegsbeginn bereiteten sich die Museen auf Sicherheitsmaßnahmen vor. 1934 erfolgte die Unterteilung der Bestände des Museums für Vor- und Frühgeschichte in drei Wertgruppen: 1. Unersetzliches, 2. Wertvollstes, 3. Übriges. Mit der Schließung der Schausammlung begann 1939 die Verpackung des „Unersetzlichen“ und „Wertvollsten“ in drei „Goldkisten“ und 30 Tragekästen. Im Zuge der Auslagerungen seit 1941 gelangten diese Bestände zunächst in die Preußische Staatsbank, ab November 1941 in den Flakturm am Zoo. Teile der Sammlung wurden in andere Auslagerungsorte verbracht, ein kleiner Teil aber, vor allem die Preziosen in den drei Goldkisten, blieb bis zum Kriegsende unversehrt im Flakturm am Zoo.
Anfang Mai 1945 wurde dieser Flakbunker durch die Rote Armee erobert. Noch im Mai begann der Abtransport der ersten Kunstwerke durch die russischen Trophäenbrigaden. Der Flakbunker am Zoo wurde vollständig geräumt. Zu den nach Moskau und Leningrad verschleppten Gütern gehörte neben den Sammlungen aus Gold (Schätze der Merowinger-Zeit, Funde aus Troja und Eberswalde) unter anderem der Pergamonfries.
Ein Teil der insgesamt in die Sowjetunion verbrachten Kriegsbeute kehrte 1958 in einer Rückgabeaktion wieder nach Berlin und Dresden zurück, darunter auch der Pergamonfries. Entsprechend der damaligen Propaganda ging man davon aus, dass damit alle von den Siegermächten beschlagnahmten Sammlungsobjekte heimgekehrt waren. Wie vieles blieben die drei „Goldkisten“ verschollen und niemand glaubte daran, dass diese Schätze wieder auftauchen würden.
Anfang der 90er Jahre wurde jedoch bekannt, dass in der Sowjetunion noch immer große Mengen deutschen Museumsgutes lagern, die nicht in die Rückgabeaktion von 1958 miteinbezogen waren. Das Museum für Vor- und Frühgeschichte hat bis zum heutigen Tag etwa 11.500 Objekte aus seiner Vorkriegssammlung in russischen Museen ausfindig gemacht. Auch aus den übrigen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz werden noch zahlreiche Objekte in den GUS-Staaten und in Polen vermutet oder befinden sich nachweislich dort.
Beutekunst
Seit fünfzehn Jahren verhandeln Deutschland und Russland über die so genannte „Beutekunst“ - kriegsbedingt verbrachte deutsche Kunst- und Kulturgüter. Zu den 1945 abtransportierten Gütern gehörten unter anderem die Sammlungen aus Gold (Schätze der Merowinger-Zeit, die Funde aus Troja und Eberswalde) sowie der Pergamonfries. Die Friesplatten des Pergamonaltares sind mittlerweile wieder in Berlin und zählen zu den größten Attraktionen der Museen, die Goldfunde hingegen befinden sich immer noch in Russland.
Nach dem Friedens- und Nachbarschaftsvertrag von 1990 und dem Kulturabkommen von 1992 sind keine wirklichen Fortschritte erzielt worden, obwohl die Kulturgutrückführung ausdrücklich Vertragsbestandteil geworden war. Russland hat vielmehr durch die Verabschiedung des so genannten „Beutekunstgesetzes“ 1998 die kriegsbedingt verbrachten Kunst- und Kulturgüter aus öffentlichen deutschen Einrichtungen zu russischem Staatseigentum erklärt und damit faktisch ein Enteignungsgesetz formuliert, das sowohl gegen die Haager Landkriegsordnung von 1907 als auch gegen die völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarungen und Verträge zwischen Deutschland und Russland von 1990 und 1992 verstößt. Reparationsleistungen durch Beschlagnahme von Kulturgütern sind völkerrechtlich nicht zulässig. Eine Ermächtigung für die Sowjetunion durch den Alliierten Kontrollrat zur Kompensation hat es nicht gegeben.
Petersburger Dialog
Seit 2001 leitet Klaus-Dieter Lehmann, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, gemeinsam mit Michail Borisowitsch Piotrowskij, dem Direktor der Eremitage in St. Petersburg, die Arbeitsgruppe Kultur des Petersburger Dialogs. Dieser wurde auf Initiative des russischen Präsidenten Wladimir Putin und des damaligen deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder als offenes und breit angelegtes Diskussionsforum ins Leben gerufen und findet einmal im Jahr abwechselnd in Deutschland und Russland statt. Der Petersburger Dialog soll die Verständigung zwischen den zwei Nationen fördern, die Zusammenarbeit in allen Bereichen der Gesellschaft vertiefen, Vorurteilen in der Wahrnehmung des jeweils anderen Landes entgegenwirken und damit den deutsch-russischen Beziehungen neue Impulse geben.
Die Arbeitsgruppe Kultur des Petersburger Dialogs regt Ausstellungen und Austauschprogramme an, diskutiert aber auch kontroverse Themen der deutsch-russischen Beziehungen, wie die Fragen zur Rückführung kriegsbedingt verlagerter Kulturgüter. Entscheidend dabei ist es, die Positionen, Hoffnungen und Erwartungen der jeweils anderen Seite kennen und verstehen zu lernen.