Stiftung Preußischer Kulturbesitz restituiert Bücher aus der Sammlung Leo Baeck

Pressemitteilung vom 16.05.2006

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz konnte kürzlich siebzehn Bücher und Broschüren aus der verschollenen Privatbibliothek von Leo Baeck an dessen heute in New York lebende Enkelin Marianne C. Dreyfus übergeben. Die Objekte, deren Herkunft erst spezielle Recherchen aufdecken konnte, lagerten bislang als nicht zuzuordnende Bestände in der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz. Darunter befinden sich Sonderdrucke von Baecks Aufsatz „Der Ibri“ (1939) und Druckschriften in jiddischer Sprache.

Leo Baeck gilt als ein Hauptrepräsentant des liberalen deutschen Judentums der Vorkriegszeit. Er war Rabbiner in Berlin, der zahlreiche politische und administrative Aufgaben wahrnahm, er war Autor und eine große geistige Persönlichkeit. An seine Leistungen erinnern heute zahlreiche Schulen, Forschungseinrichtungen, Stiftungen und Synagogen, die seinen Namen tragen. Leo Baeck hatte bis zu seiner Deportation am 27. Januar 1943 nach Theresienstadt eine umfangreiche Privatbibliothek in seiner Wohnung in Berlin-Schöneberg, über deren Verbleib bis heute nichts bekannt ist.

Grundlage für die Rückgabe waren Provenienzrecherchen der Berliner Staatsbibliothek zu einem bisher unbearbeiteten Buchbestand. Wie und wann diese Objekte in die Staatsbibliothek gelangten, kann bislang mangels Unterlagen nicht rekonstruiert werden. Jedoch gelang durch Untersuchung handschriftlicher Annotierungen und Besitzvermerke die Zuordnung in die ehemalige Sammlung von Leo Baeck, woraufhin sich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz unverzüglich mit den Erben in Verbindung setzte. Sie haben für den verfolgungsbedingten Verlust der Bücher bisher keine Entschädigung beziehungsweise Wiedergutmachung erhalten.

Die Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz verstärkt seit einiger Zeit die Aufarbeitung von Objekten mit zunächst unklarer Provenienz und konnte vor einigen Tagen, wie bereits berichtet, auch Musikalien aus dem ehemaligen Besitz des Pianisten Arthur Rubinstein an die Nachfahren übergeben. Wie im Fall der Bücher von Leo Baeck handelte es sich auch hier um verfolgungsbedingten entschädigungslosen Verlust. Provenienzforschung zu Bibliotheksbeständen gestaltet sich als ungleich schwieriger als dies bei Kunstwerken der Fall ist. Umso erfreulicher ist es, wenn die Stiftung dabei zu klaren Ergebnissen kommt und dann auf eigene Initiative hin Sammlungsgegenstände an die rechtmäßigen Erben übergeben kann.

Leo Baeck wurde 1873 in Lissa geboren, einer Stadt, die damals zum Deutschen Reich gehörte und nach dem Ersten Weltkrieg polnisch wurde. Er war als Rabbiner in Oppeln, Düsseldorf und ab 1912 in Berlin (in der Charlottenburger Synagoge in der Fasanenstraße) tätig. In Berlin rief er die christlich-jüdischen Gespräche ins Leben, die die interreligiöse und kulturelle Verständigung zwischen Juden und Christen in Deutschland zum Ziel hatten. Zunächst Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Rabbinerverbandes, wurde er 1933 zum Präsidenten der Reichsvertretung der deutschen Juden berufen und blieb auch Vorsitzender der vom NS-Regime verordneten „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“ bis zu deren Auflösung 1943 durch die Gestapo. In diesem Jahr wurde Baeck nach Theresienstadt deportiert. Auch mehrere seiner Geschwister, die in Deutschland und in der Tschechoslowakei lebten, erfuhren dieses Schicksal, wohingegen seine Enkelin Marianne Dreyfus mit ihren Eltern bereits 1939 das Land verlassen hatte, um nach England zu emigrieren. Nach seiner Befreiung ließ sich Leo Baeck in London nieder, wo er das später nach ihm benannte „Institut zur Erforschung der Geschichte des Judentums in Deutschland seit der Aufklärung“ gründet. Bis zu seinem Tod 1956 bemüht er sich um Versöhnung und Dialog zwischen Juden und Christen. Sein religionsphilosophisches Werk „Das Wesen des Judentums“, das als Antwortschrift auf Adolf von Harnacks „Das Wesen des Christentums“ konzipiert war, gilt als klassisches Werk einer liberalen jüdischen Theologie.

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