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Internationale Tagung zur NS-Raubkunst
Pressemitteilung vom 11.12.2008
Aus Anlass des zehnten Jahrestages der „Principles of the Washington Conference with Respect to Nazi-Confiscated Art“ veranstalten die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste heute und morgen das internationale Symposium „Verantwortung wahrnehmen. NS-Raubkunst – Eine Herausforderung an Museen, Bibliotheken und Archive“.
In seinem Eröffnungsvortrag erklärt Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz: „Öffentliche Museen, Bibliotheken und Archive in Deutschland tragen seit jenen dunklen Tagen der nationalsozialistischen Herrschaft in unserem Land eine besondere Verantwortung bei der Wiedergutmachung des unfassbaren Unrechts, das insbesondere Mitbürgern jüdischen Glaubens widerfahren ist. Sie stellen sich dieser Verantwortung, indem sie Kunst- und Kulturgüter restituieren, die jüdischen Eigentümern verfolgungsbedingt entzogen worden waren. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz fühlt sich als Nachfolgerin des Trägers der Preußischen Staatlichen Museen und der Preußischen Staatsbibliothek, die im Laufe ihrer Entwicklung maßgeblich von jüdischen Mäzenen gefördert wurden, in besonderer Weise dazu verpflichtet, die einst empfangene Großzügigkeit zum Anlass für weitgreifende Entscheidungen im Umgang mit Restitutionsansprüchen zu nehmen.“
Seit 1999 hat die Stiftung in 28 Einzelfällen über Restitutionsfragen entschieden. In den meisten Fällen geschah dies aufgrund von Anträgen, immer wieder führten jedoch auch eigene Recherchen der Einrichtungen zu Rückgaben. Betroffen waren sowohl Werke aus den Museen als auch Bestände aus der Staatsbibliothek zu Berlin. In 22 Fällen, die zum Teil umfängliche Sammlungskonvolute umfassten, wurde zugunsten einer Rückgabe der betroffenen Objekte entschieden. Abgelehnt hat die Stiftung bisher eine Rückgabe in 6 Fällen. Einige der restituierten Werke blieben den Sammlungen dennoch erhalten, da sie nach Restitution angekauft werden oder als Dauerleihgabe dort verbleiben konnten.
Eine detaillierte, auf den Einzelfall bezogene Provenienzrecherche bildet die Grundlage für eine Umsetzung der Washingtoner Grundsätze sowie für das Verhandeln über faire und gerechte Lösungen. Für die systematische Erschließung aller Sammlungsinventare und Archivalien der Erwerbungen ab 1933 und die stiftungsinterne Provenienzforschung ist eine unbefristete Vollzeitstelle im Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin eingerichtet worden, um die Herkunft der Werke in ihren Sammlungen – insbesondere aus ehemals jüdischem Kunstbesitz – zu klären. Daneben gibt es Fragestellungen oder Bestandsgruppen, bei denen eine systematische Provenienzforschung auch ohne Bindung an einen Einzelfall erfolgt. Im Bibliotheksbereich der SPK sind es vor allem die aktiven Recherchen der Staatsbibliothek, die in den letzten Jahren immer wieder zu Restitutionen geführt haben. Das dort angesiedelte Projekt zur Aufklärung der Wirkungen der „Reichstauschstelle” fördert zahlreiche Hinweise zutage, denen intensiv nachgegangen wird.
Grundlage für die Behandlung der Restitutionsfragen bei der SPK ist ein Beschluss ihres Stiftungsrats vom 4. Juni 1999, der ganz im Geiste der Washingtoner Grundsätze und der später veröffentlichten „Gemeinsamen Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der Kommunalen Spitzenverbände“ formuliert wurde. Der Stiftungsrat begrüßte dabei die Bemühungen des Präsidenten, zur Aufklärung entsprechender Sachverhalte beizutragen und die Dokumentationen Dritten zugänglich zu machen. Ferner ermächtigte er den Präsidenten, einvernehmliche Lösungen zu suchen und akzeptiert hierbei auch die Herausgabe von Kunstwerken, selbst wenn dies nicht zwingende Folge einer gesetzlichen Regelung ist.
Hintergrund:
Im Dezember 1998 bekannten sich 44 Staaten und 13 Nichtregierungsorganisationen zu den „Principles of the Washington Conference With Respect to Nazi-Confiscated Art“. In der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Eigentum, bekannten sich die Verantwortlichen in Deutschland zur Umsetzung dieser Grundsätze. Die Frage der Auffindung und Rückgabe von NS-Raubkunst stellt auch heute unvermindert eine Herausforderung an die betroffenen Einrichtungen dar.
Die Vortragenden des Symposiums äußern sich zu Fragen der Bilanz und der Perspektiven, zu Grundproblemen der Restitution von Kulturgütern, der Provenienzrecherche und -forschung sowie den Möglichkeiten von „fairen und gerechten Lösungen“. Eine Podiumsdiskussion mit Vertreterinnen und Vertretern aus Kultur, Justiz, Interessenverbänden und Veranstaltern bildet den Abschluss. Das Symposium wird gefördert auf Grund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages durch den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.