Start eines deutsch-russischen Forschungsprojektes zu Verlusten russischer Museen im Zweiten Weltkrieg

Pressemitteilung vom 08.03.2012

Unter dem Titel „Russische Museen im Zweiten Weltkrieg“ startet ein großangelegtes deutsch-russisches Forschungsprojekt zu Verlusten wertvoller Kunstwerke und Kulturgüter russischer Museen im Zweiten Weltkrieg. Die Projektpartner freuen sich über die Förderzusage durch die VolkswagenStiftung: Deutsche und russische Forscher werden das Projekt im Rahmen des Deutsch-Russischen Museumsdialogs durchführen, der von der Kulturstiftung der Länder und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz initiiert wurde.

Die russischen Museen erlitten im Zweiten Weltkrieg hohe Verluste durch Zerstörung und Abtransport Hunderttausender wertvoller Kunstwerke und Kulturgüter während des deutschen Eroberungskriegs. Das Ausmaß der Verluste wird dokumentiert in den Verlustkatalogen, die das russische Kulturministe­rium seit 1999 herausgibt. Bis heute jedoch lässt die Erforschung der Geschichte der Museen und des Schicksals ihrer Sammlungen im Krieg viele Fragen offen, nach der Mehrzahl der Objekte wird bis heute gesucht. Vor diesem Hintergrund will das groß­angelegte wissenschaftliche Projekt der Kultur­stiftung der Länder und der Stiftung Preußischer Kultur­besitz in Kooperation von deutschen und russischen Wissenschaftlern anhand exemplarischer Fälle versuchen, die bestehenden Forschungslücken zu schließen. Die Partner freuen sich über die Förderzusage der VolkswagenStiftung, die das Projekt zu 75 Prozent finanziert. Die Kulturstiftung der Länder und die Stiftung Preußischer Kultur­besitz steuern aus Eigenmitteln zusammen 25 Prozent für das Forschungsvorhaben bei, das ein Volumen von rund 800.000 Euro hat und auf eine Dauer von zweieinhalb Jahren angelegt ist.

Das Projekt betritt inhaltlich und strukturell Neuland in der bilateralen Museumsforschung – das Forscherteam wird aus Historikern und Kunsthistorikern beider Länder bestehen. Mit den zunächst ausgewählten Museen – den Museumsstädten Nowgorod und Pskow sowie den Zarenschlössern Zarskoe Selo, Peterhof, Gatschina und Pawlowsk – ist bereits eine enge Kooperation vereinbart. Ziel ist es, in Fallstudien einen Beitrag zur Geschichte der Kulturgüter im Krieg aus der musealen Perspektive zu leisten. Damit eröffnet sich für die russischen Museen erstmalig die Möglichkeit, das Schicksal ihrer Häuser und Sammlungen während des Krieges in einer komplementären und systematischen Aus­wertung deutscher und russischer Aktenbestände zu untersuchen, ergänzt um Archivalien der west­lichen Alliierten.

In den Untersuchungszeitraum (1941 bis 1950er Jahre) werden über die Zäsur von 1945 hinaus auch die unmittelbaren Nachkriegsjahre einbezogen, um erste Rekonstruktionsversuche der Museen und ihrer Sammlungen mit in den Blick zu nehmen. Die Fallstudien sollen in zwei Bänden (jeweils in russi­scher und deutscher Sprache) publiziert werden. Die wissenschaftliche Leitung liegt bei Prof. Dr. Wolfgang Eichwede (emeri­tierter Professor für Politik und Zeitgeschichte sowie Gründungs­direktor der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen), die Projektleitung bei Dr. Britta Kaiser-Schuster, Dezernentin der Kulturstiftung der Länder. Dem Projekt steht ein deutsch-russischer Fachbeirat zur Seite.

Im Fachbeirat werden Prof. Dr. Hermann Parzinger (Vorsitz), Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Prof. Dr. Michail B. Piotrowski, Direktor der Staatlichen Eremitage St. Petersburg, Isabel Pfeiffer-Poensgen, Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder, Prof. Dr. Wolfgang Eichwede, Universität Bremen, sowie Vertreter der staatlichen Archive mitwirken.

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder, erklärte in Berlin: „Dank der Unterstützung durch die VolkswagenStiftung erhoffen wir uns mit dem neuen Forschungsprojekt Klar­heit über den Verbleib zahl­reicher Kunstschätze, die seit Kriegsende verschollen sind. Wir freuen uns, gemeinsam mit den russi­schen Wissenschaftlern neue Quellenforschungen zu den Kriegsverlusten russischer Museen beginnen zu können. Uns war es ein besonderes Anliegen, neben unseren schon vor einiger Zeit begonnenen Recherchen zu kriegsbedingt verlagerten Kunst­werken und Kultur­gütern deutscher Museen, den Fokus ebenso auf die russischen Verluste zu richten.“

Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und Sprecher des Deutsch-Russi­schen Museumsdialogs, sagte dazu: „Das über Jahre gewachsene Netzwerk zwischen deutschen und russischen Museumsexperten wird durch dieses wissenschaftliche Projekt zu dem für beide Seiten höchst sensiblen Thema der Folgen des Zweiten Weltkrieges für den Kulturbereich auf das Beste sicht­bar. Die Unterstützung durch die VolkswagenStiftung verdient großen Dank und hohe Anerkennung, ohne dieses Engagement könnte das wichtige Forschungsvorhaben nicht durchgeführt werden.“

Die Kustoden der beteiligten russischen Museen erklärten: „Unsere Erwartung ist groß, auf diese Weise nicht nur zu neuen historischen Einsichten zu gelangen, sondern auch Spuren zu finden, wo einzelne Kunst­werke geblieben sein können. Trotz der Registratur der Verluste und eigener Recherchen sind wir noch immer auf Vermutungen und Spekulationen angewiesen. Daher kommt das Projekt einem Durchbruch gleich.“

Über 80 deutsche Museen, die bis heute von kriegsbedingt verlagerten Kunst- und Kulturgüter­verlusten betroffen sind, haben im November 2005 in Berlin die Initiative „Deutsch-Russischer Museums­dialog“ gegründet, die ihre Interessen intern und extern fachlich vertritt. Ziel des Deutsch-Russischen Mu­seumsdialogs ist es, Kooperationen zwischen Wissenschaftlern beider Länder in gemeinsamen Vor­haben zu intensivieren. Damit soll nicht nur Aufklärung über die Verluste in Deutschland und Russland erzielt werden, son­dern vor allem auch Vertrauen zwischen den deutschen und russischen Fachkollegen ge­schaffen werden – frei von politischen und juristischen Überlegungen, die diese Diskussion sonst häufig überlagern.

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Hintergrundinformationen zum Forschungsprojekt und zu den russischen Kulturgutverlusten im Zweiten Weltkrieg (PDF, 151 KB, nicht barrierefrei)

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