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Pressemitteilung und -einladung: 10 Jahre Deutsch-Russischer Museumsdialog - Festakt und Kolloquium am 16. und 17. November in Berlin
Pressemitteilung vom 06.11.2015
10 Jahre Deutsch-Russischer Museumsdialog (DRMD): In Berlin treffen sich am 16. und 17. November rund zweihundert Direktorinnen und Direktoren sowie Kuratorinnen und Kuratoren der von Kriegsverlusten betroffenen russischen und deutschen Museen, um ihre langjährige Zusammenarbeit zu vertiefen und neue Projekte zu erörtern. Zu der Festveranstaltung im Bode-Museum und dem Kolloquium in der Akademie der Künste, auf denen renommierte Experten von ihren neuesten Forschungsergebnissen in Bezug auf kriegsbedingt verlagerte Kulturgüter berichten, laden wir Sie herzlich ein (Programm beiliegend).
Anlässlich des zehnjährigen Bestehens ihrer gemeinsamen Initiative wollen die Museen mit der zweitägigen Veranstaltung ein klares Zeichen für den Kulturdialog zwischen Deutschland und Russland setzen. Der zentrale Auftrag des DRMD lautet, die verschlungenen Wege zu ergründen, die Millionen von Kunstwerken in Deutschland wie in der Sowjetunion als Folge des Zweiten Weltkriegs nahmen. Die Transparenz und Zugänglichkeit der Sammlungen für die wissenschaftliche Forschung ist essenziell und wird von beiden Seiten sehr begrüßt. Erklärtes Ziel des DRMD ist es, weitere gemeinsame Ausstellungsvorhaben vorzubereiten bzw. zu initiieren. „Entscheidend ist, dass wir die Objekte in den wissenschaftlichen Diskurs zurückbringen und in Ausstellungen der Öffentlichkeit präsentieren können. Es hat sich bewährt, dass wir politische Fragen außen vor lassen. Transparenz und Aufklärung ist das Gebot der Stunde. Ich danke den russischen Kollegen für die vertrauensvolle Zusammenarbeit, die intensiver ist als je zuvor“, sagte Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und Sprecher des DRMD auf deutscher Seite.
Der DRMD benötigt weiterhin den freien Zugang für Forscher zu Depots und Unterlagen in Museen, Bibliotheken und Archiven, um die Kulturgutverluste beider Länder und die Geschichte der Sammlungen in und nach dem Zweiten Weltkrieg weiter aufklären zu können. Ein bis zu neun Experten umfassendes Wissenschaftlerteam des DRMD befragt Zeitzeugen und wertet seit 2008 öffentliche und private Archivbestände sowie Transportlisten der sowjetischen Trophäen-brigaden aus. Durch diese Erkenntnisse lassen sich tausendfach die Wege verlorener und vermisster Kunstwerke und Kulturgüter rekonstruieren. „Unsere jahrelange Provenienzrecherche beweist nun, was Forscher seit Jahren bereits vermuteten: Bei weitem nicht alle verlorenen Objekte der deutschen Sammlungen sind in Russland oder den anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion zu lokalisieren. Die Verlustgeschichte der deutschen Museen muss teilweise neu geschrieben werden“, sagte Isabel Pfeiffer-Poensgen, Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder in Berlin.
Die Teilnehmer erörtern neue Forschungsergebnisse des DRMD in Podiumsdiskussionen und Fachvorträgen. Aus Russland werden u. a. Michail Piotrowski, Generaldirektor der Staatlichen Eremitage, St. Petersburg, Marina Loschak, Direktorin des Staatlichen Puschkin-Museums für Bildende Künste, Moskau, Natalja Grigorjewa, Direktorin des Staatlichen Museums Nowgorod, Elena Kalnitskaya, Direktorin des Staatlichen Schlossmuseums Peterhof, sowie Karina Dmitriewa, Allrussische Staatsbibliothek für Ausländische Literatur M. I. Rudomino Moskau, erwartet. Sie treffen mit ihren deutschen Kolleginnen und Kollegen zusammen: Hermann Parzinger, Prä-sident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Isabel Pfeiffer-Poensgen, Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder, Britta Kaiser-Schuster, Leiterin des DRMD, Regine Dehnel, Leiterin der Arbeitsgruppe „Kriegsverluste deutscher Museen“, Wolfgang Eichwede, ehemaliger Leiter der Arbeitsgruppe „Russische Museen im Krieg“, Uwe Hartmann, Deutsches Zentrum Kultur-gutverluste, Gilbert Lupfer, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Martin Eberle, Direktor der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha, Jeanine Meerapfel, Präsidentin der Akademie der Künste, Berlin, sowie zahlreiche weitere Provenienzforscher und Museumsdirektoren.
Seit 2008 wurden die Forschungen des DRMD durch die Unterstützung eines privaten Mäzens und durch Mittel der VolkswagenStiftung finanziert. Seit einiger Zeit wird die Initiative auch durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsministerin Monika Grütters, unterstützt.
Zentrale Forschungsfelder des DRMD
Im Zentrum der Forschung des DRMD zu den Kriegsverlusten stehen für die Wissenschaftler folgende Fragen: Für welche Kunstwerke und sonstigen Kulturgüter – Schätzungen sprechen von 2,5 Millionen Objekten – ist es gesichert, dass sie nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs aus deutschen Sammlungen abtransportiert wurden? Welche Verluste erlitten die über 170 betroffenen russischen Museen im Krieg durch den staatlich organisierten Raub der Nationalsozialisten oder während der Auslagerung? Welche Werke wurden in und nach dem Zweiten Weltkrieg vermutlich zerstört oder von Armeeangehörigen und Privatleuten mitgenommen – in Deutschland wie in Russland? Wo befinden sich aus Russland mitgenommene Kulturgüter heute noch in deutschem Privatbesitz? Wohin gelangten die von sowjetischen Trophäenkommissionen verbrachten Objekte in der Sowjetunion, wohin wurden diese eventuell von dort weiterverteilt? Welche Kunstwerke kehrten im Zuge der Rückgaben der Sowjetunion von 1,6 Millionen Objekten in den 1950er Jahren an die DDR zurück? Wurden diese innerhalb der DDR wieder in die Ursprungssammlung verteilt oder befinden sich heute noch „Irrläufer“ in der falschen Sammlung? Wo befinden sich und in welchem Zustand sind die verbliebenen Objekte in Russland, kann etwas für ihre restauratorische Sicherung getan werden? Detaillierte Antworten auf diese Fragen und Einblicke in ihre Forschungsergebnisse geben die Historiker und Kunsthistoriker des DRMD sowie zahlreiche weitere deutsche und russische Provenienzforscher auf der Festveranstaltung und dem Kolloquium zu 10 Jahre DRMD.
Seit 2008 arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Auswertung von Archivalien, die den Abtransport von Kunstwerken und Kulturgütern in den Jahren 1945/47 aus Deutschland und die Übernahme dieser durch sowjetische Museen belegen. Im Zentrum des Projekts „Kriegsverluste deutscher Museen“ stehen die sehr unterschiedlichen Geschichten der bis heute gesuchten Werke. In einem Parallelprojekt „Russische Museen im Krieg“ wird in Kooperation mit russischen Partnereinrichtungen die Geschichte von sechs russischen Museen im Zweiten Weltkrieg untersucht. Hierbei stehen die Verluste durch die deutsche Besatzung und die Verschleppung von Kulturgütern aus der Sowjetunion nach Deutschland im Mittelpunkt.
Der Deutsch-Russische Museumsdialog versucht, die für die Beantwortung der Fragen verfügbaren Quellen und Archive zu identifizieren und zu erschließen. Seien es private Archive der sogenannten Kunstschutzoffiziere der deutschen Wehrmacht, Archivmaterial z. B. des Zentralarchivs der Staatlichen Museen zu Berlin, Verlustkataloge der betroffenen Sammlungen oder bisher nicht ausgewertete Transportlisten sowjetischer Trophäenbrigaden: Der DRMD bündelt seine Er-
kenntnisse der deutschen Kriegsverluste in einer zentralen Datenbank und in Publikationen, die den Weg der Kunstwerke minutiös nachzeichnen und alle verfügbaren Daten zu den Verlusten und Rückführungen versammeln. Erstmals entsteht so ein vielstimmiges Gedächtnis der Kulturgutverluste, aber auch der glücklichen Rückkehr der Kunstwerke nach Russland sowie - in den 1950er Jahren - nach Deutschland. Mithilfe der Datenbank können Provenienzforscher zukünftig präzisere und schnellere Aussagen über das Schicksal der Sammlungen in Deutschland treffen. Eine Erweiterung der Forschungen beispielweise auf die Verluste der ukrainischen Sammlungen wird angestrebt.
Der Deutsch-Russische Museumsdialog
Über 80 deutsche Museen, die bis heute von kriegsbedingt verlagerten Kunst- und Kulturgüterverlusten betroffen sind, hatten im November 2005 in Berlin die Initiative „Deutsch-Russischer Museumsdialog“ gegründet, die ihre Interessen intern und extern fachlich vertritt. Ziel des Deutsch-Russischen Museumsdialogs ist es, Kooperationen zwischen Wissenschaftlern beider Länder in gemeinsamen Vorhaben zu intensivieren. Damit soll nicht nur Aufklärung über die Verluste in Deutschland und Russland erzielt werden, sondern vor allem auch Vertrauen zwischen den deutschen und russischen Fachkollegen geschaffen werden – frei von politischen und juristischen Überlegungen, die diese Diskussion sonst häufig überlagern.
Jenseits der politischen Debatten um kriegsbedingt verbrachte Kulturgüter und deren Restitution besteht zwischen deutschen und russischen Museen seit Jahrzehnten ein intensiver fachlicher Austausch. Er mündete und mündet u.a. in gemeinsame Ausstellungsvorhaben. Er trägt vor al-lem in jüngerer Zeit auch dazu bei, lange verloren geglaubte Kunstwerke in die öffentliche Wahr-nehmung und den fachlichen Diskurs zurückzubringen. Der Deutsch-Russische Museumsdialog hat es sich zur Aufgabe gemacht, diesen Prozess zu unterstützen und durch seine Forschungen eine gute Basis für deutsch-russische Museumskooperationen zu schaffen.
Kontakt für weitere Informationen
Dr. Britta Kaiser-Schuster, Leiterin des DRMD, Kulturstiftung der Länder, Lützowplatz 9, 10785 Berlin, Tel.: +49 (0)30 893635-31, E-Mail
Dr. Stefanie Heinlein, Abteilung Medien und Kommunikation, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Tel.: +49 (0)30 266-41-1441, E-Mail
Johannes Fellmann, Leiter Kommunikation, Kulturstiftung der Länder, Lützowplatz 9, 10785 Berlin, Tel.: +49 (0)30 893635-29, E-mail
Hinweis an die Redaktionen
Am 16. November im Rahmen der Festveranstaltung im Bode-Museum gibt es von 12 bis 13.30 Uhr Gelegenheit für Interviews. Insbesondere stehen zur Verfügung:
Elena Kalnitskaya, Direktorin des Staatlichen Schlossmuseums Peterhof
Marina Loschak, Direktorin, Staatliches Puschkin-Museum für Bildend Künste, Moskau
Michail Piotrowski, Generaldirektor der Staatlichen Eremitage, St. Petersburg
Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Berlin
Isabel Pfeiffer-Poensgen, Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder, Berlin
Britta Kaiser-Schuster, Leiterin des DRMD, Dezernentin der Kulturstiftung der Länder