„Nefertiti Hack" ein Schwindel?

News vom 09.03.2016

Künstler haben im Zuge der Intervention „The Other Nefertiti” einen Scan der Nofretete-Büste online gestellt - weil kein Zugang zur Büste oder ihren Daten möglich sei. Was ist dran an der Behauptung?

Büste der Nofretete im Nordkuppelsaal des Neuen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin
© SPK / Pierre Adenis

Jan Nikolai Nelles und Nora Al-Badri geben auf ihrer Website an, der Scan sei von ihnen im Neuen Museum heimlich angefertigt worden. Die Intention der Aktivisten ist es, Kulturobjekte öffentlich verfügbar zu machen. Sie behaupten auf ihrer Website, „the Neues Museum in Berlin until today does not allow any access to the head of Nefertiti nor to the data of their scan“.

Es kann keine Rede davon sein, dass die Stiftung Preußischer Kulturbesitz den Zugang zur Büste verweigert: Diese ist seit Jahren öffentlich ausgestellt. Seit 2012 steht dem Publikum außerdem eine betastbare Replik der Büste für Sehbehinderte und Blinde in unmittelbarer Nähe zum Original zur Verfügung. Die Staatlichen Museen zu Berlin haben alle neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Büste der Nofretete immer öffentlich gemacht. Fotos stehen auf SMB digital und über die bpk Bildagentur  zur Nutzung zur Verfügung. Im Jahr 2008 wurde von Trigon Art ein 3D-Scan der Büste angefertigt. Diese Daten werden derzeit ausschließlich für wissenschaftliche Vorhaben zur Verfügung gestellt. Eine Anfrage auf Nutzung der Daten durch die Künstler haben die Staatlichen Museen zu Berlin vor deren Aktion nicht erhalten. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz geht der Frage nach, auf welcher Basis das 3D-Modell der Künstler entstanden ist, sieht im Moment jedoch keinen Anlass, juristisch zu reagieren. Sollten sich Anhaltspunkte für eine Straftat ergeben, wird die SPK klären, ob rechtliche Schritte einzuleiten sind.

Fotografierverbot im Museum

Gemäß der Benutzungsordnung der Staatlichen Museen zu Berlin ist es grundsätzlich erlaubt, ohne aufwändige technische Gerätschaften zu filmen, zu fotografieren oder eben zu scannen. Allerdings muss die kommerzielle Verwertung von Filmen, Fotos und Scans durch die Museumsleitung genehmigt werden. Für einzelne Ausstellungen und Ausstellungsräume werden in gewissen Fällen auch generelle Fotografierverbote ausgesprochen. Ein solches Fotografierverbot besteht etwa im Nordkuppelsaal des Neuen Museums, in dem sich die Büste der Nofretete als einziges Ausstellungsstück befindet. Das Fotografierverbot gewährleistet sowohl den konservatorischen Schutz des Objektes, das nur eine beschränkte Lux-Zahl verträgt, als auch den ungestörten, entspannten Besuch. Viele Besucher hatten die Büste in der Vergangenheit mit Blitzlicht fotografiert, obwohl dies untersagt war. Dadurch sahen die Museen die Notwendigkeit gegeben, ein generelles Fotografierverbot für diesen Raum auszusprechen.

Es ist noch nicht definitiv geklärt, ob die durch Nelles und Al-Badri zur Verfügung gestellten Daten tatsächlich durch einen Scan des Originals im Museum entstanden sind. Nach Meinung von Fachleuten scheint es unwahrscheinlich, dass der Scan im Museum angefertigt wurde.

Erwerbungsgeschichte

Die Büste der Nofretete befindet sich seit 1913 nach einer rechtlich einwandfreien Fundteilung in Berlin. Es gab bislang nie eine offizielle Rückgabeforderung des Ägyptischen Staates an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Zur Grabungs- und Erwerbungsgeschichte ist im Saaltext des Museums nachlesbar, dass die Büste „am 6.12.1912 von der Grabungsmannschaft der Deutschen Orient-Gesellschaft (DOG) unter Leitung von Ludwig Borchardt gefunden [wurde]. Der alleinige Finanzier und Lizenznehmer der Grabungen war James Simon, der bedeutendste Berliner Kunstmäzen und Förderer sozialer Projekte seiner Zeit sowie Mitbegründer der DOG. Daher gelangten alle Funde, die aufgrund der damals gültigen Fundteilung der Berliner Seite zugesprochen wurden, zunächst in seinen Besitz. 1920 überließ er in Form einer Schenkung den gesamten Bestand der Amarna-Grabungen“. Eine umfassende Darstellung der Grabungs- und Erwerbungsgeschichte findet sich in der 2012 deutsch und englisch erschienenen Publikation „Im Licht von Amarna“.

3D-Scans in den Museen und Veröffentlichung von Digitalisaten

Digitalisierung von Objekten schafft einen einfachen und demokratischen Zugang zu Wissen und kulturellen Inhalten. Mit dem Online-Portal SPK-digital macht die Stiftung ihre Digitalisate und die Nachweissysteme aller ihrer Einrichtungen zugänglich. Den größten Teil dieser Daten veröffentlicht sie zugleich in weiteren Informationsverbünden wie der Deutschen Digitalen Bibliothek oder der Europeana. Die Nutzung der digitalen Angebote der Stiftung ist für private wie für Forschungszwecke grundsätzlich und dauerhaft kostenfrei. Neben Bild-, Text-, Audio- und Videodateien sollen diese digitalen Angebote künftig auch 3-dimensionale digitale Modelle beinhalten, die auf Basis von 3D-Scans der Sammlungsobjekte entstehen. An sie stellt die SPK die gleichen Anforderungen wie an alle anderen digitalen Reproduktionen. So sind insbesondere auch bei Scans sämtliche Leistungsschutz- und Urheberrechte zu berücksichtigen.  Darüber hinaus gilt die unterzeichnete Erklärung zum Open Access mit den Zusätzen der SPK. Sie wurde 2014 als best practice Richtlinie veröffentlicht.

In den Einrichtungen der SPK kommen unterschiedliche Technologien des 3D-Scannings bereits in einer Reihe von Projekten zum Einsatz. In einigen stehen Präsentation und Vermittlung der Daten zu wissenschaftlichen Zwecken im Vordergrund. Die 3D-Daten von ca. 1.200 babylonischen und mesopotamischen Rollsiegeln des Vorderasiatischen Museums können beispielsweise künftig auf der Forschungsplattform des Berliner Antike-Kollegs Edition Topoi eingesehen werden.  Auch das Online Portal SMB-digital wird künftig sukzessive 3D-Daten einbinden und damit allgemein zugänglich machen. Wie alle dort veröffentlichten Digitalisate werden sie unter einer Creative Commons-Lizenz Lizenz freigegeben, die eine kommerzielle Nutzung ausschließt (by -sa –nc).

Die kommerzielle Nutzung und Verwertung der Rechte an dreidimensionalen digitalen Modellen der SPK wird künftig die Bildagentur bpk betreiben, die plant, demnächst auch 3D-Scans sowie Videodateien in ihr Angebot aufzunehmen. Die Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin erstellt im Rahmen von Kooperationsprojekten hochwertige und möglichst authentische physische Replikate auf der Basis von 3D-Modellen. Im Dezember 2015 stellte sie etwa eine neue Version der Nofretete-Replik vor, die in einem zweijährigen Arbeitsprozess entwickelt wurde. Neben der originalgetreuen Farbmischung haben die Nachbildungen jetzt – wie das Original – ein Auge aus geschliffenem Bergkristall. Die Replik ist bei der Gipsformerei bzw. im Web-Shop der Staatlichen Museen zu Berlin bestellbar. Die Gipsformerei arbeitet zudem an einer verbesserten Version ihres online-Shops.

Mit Methoden und Verfahren, Chancen und Herausforderungen der 3D-Digitalisierung des Kulturerbes befasste sich im Januar 2015 die vom Institut für Museumsforschung und der HTW Berlin veranstaltete Tagung „3D ins Museum“.

3D-Scanning-Projekte in den Staatlichen Museen zu Berlin -– Beispiele

Auf der Museumsinsel haben im Sommer 2015 die archäologischen Museen das Zentrum für digitale Kulturgüter in Museen (ZEDIKUM) eingerichtet. Damit wird es möglich sein, archäologische Kulturgüter in 3D zu digitalisieren. Es geht dabei darum, 3D-Modelle zu generieren, nachhaltig zu speichern und eine flexible Nutzung für Dokumentation, Grundlagenforschung und museale Präsentation zu ermöglichen.  Das Zentrum widmet sich ferner der Entwicklung von mobilen, kostengünstigen Verfahren zur Kulturgutdokumentation in Krisensituationen und der öffentlichen Bereitstellung der Daten (Open Access, Open Data). So entsteht ein  nationales Kompetenzzentrum für die 3D-Digitalisierung archäologischer Kulturgüter.

Auch im Projekt „Digitalisierung historischer und zeitgenössischer Instrumente Südasiens in erweiterten Objektperspektiven“ der Abteilung Musikethnologie des Ethnologischen Museums spielten 3D-Aufnahmen eine Schlüsselrolle. Mit den Daten des 2015 abgeschlossenen Projekts lassen sich die Objekte einfacher erforschen. 3D-Aufnahmen dienen zudem als Grundlage bei der Rekonstruktion beschädigter oder zerstörter Instrumente.

2015 wurde auch „Mosys 3D. Modulares mobiles System zur 3D Dokumentation von Kulturgut“ abgeschlossen. In Kooperation mit dem Museum für Islamische Kunst hat die HTW Berlin ein vollautomatisches, pixelgenaues Positionier- und Messsystem entwickelt. Es demonstriert exemplarisch die dreidimensionale Dokumentation von Sammlungsgut mit einer kostengünstigen und unkompliziert handhabbaren Technik.

Unterstützt durch das BMWi beteiligen sich die Museen außerdem an dem Projekt "Cultlab3D" zur massenhaften Erstellung von 3D Scans. 

Weiterführende Links

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