Die Kairo-Connection

20.06.2019Die Kairo-Connection

Fünf für Ägypten: Das Ägyptische Museum Berlin hat sich mit vier europäischen Partnern für ein einzigartiges Projekt am Tahrir-Platz zusammengetan.

von Gerhard Haase-Hindenberg

Außenansicht des Ägyptischen Museums am Tahrir-Platz in Kairo
Außenansicht des Ägyptischen Museums am Tahrir-Platz in Kairo © Diego Delso, CC BY-SA 3.0

An einem Wochenende im April herrscht reges Treiben in der Eingangshalle des Ägyptischen Museums in Kairo. Hier, am weltberühmten Tahrir-Platz, wo während der Ägyptischen Revolution von 2011 die größten Kundgebungen des Landes stattfanden, drängeln sich die Touristen und versuchen, sich in dem historischen Museumsbau aus dem Jahr 1902 zu orientieren. Manche beginnen ihren Rundgang anschließend im kleinen Annex unweit des Atriums mit Stücken aus der prädynastischen Zeit, andere folgen ihren Reiseführern gleich zu Tutanchamun, dem eigentlichen Superstar der Sammlung, oder sie gehen hinauf in den Mumiensaal.

Schon bald werden all diese Exponate aus den verschiedenen Epochen des Alten Ägyptens nicht mehr unter einem Dach zu bewundern sein. So sollen die Königsmumien schon in diesem Sommer in das bereits teileröffnete neue National Museum of Egyptian Civilization in den historischen Vorort Fustat umziehen. Tutanchamun wiederum wird im nächsten Jahr ein neues Domizil in Gizeh beziehen. Unweit der Pyramiden entsteht hier derzeit mit japanischer Hilfe das Grand Egyptian Museum. Dort sollen später auch Funde von Ausgrabungen aus den letzten Jahrzehnten zu sehen sein, die bislang noch in den Depots im Keller des Ägyptischen Museums lagern. Das altehrwürdige Haus am Tahrir-Platz schafft also Raum, um die verbleibenden Grabfunde und Skulpturen in neu gestalteten Räumen präsentieren zu können.

Blick in das Atrium des Ägyptischen Museums Kairo
Blick in das Atrium des Ägyptischen Museums Kairo © Ch. Haak

An jenem Wochenende im April also streben von den Touristen unbemerkt Experten bedeutender europäischer Sammlungen auf den großen Besprechungsraum zu, der im Innern des Museums verborgen liegt. Gemeinsam mit ihren ägyptischen Kollegen wollen sie eine Vision für das Museum der Zukunft entwerfen. „Transforming the Egyptian Museum Cairo“ heißt das Projekt, das anderthalb Jahre zuvor vom ägyptischen Antikenminister Khaled El-Enany zusammen mit Christian Greco, Direktor des Museo Egizio in Turin, sowie der diplomatischen Vertretung der EU in Kairo angestoßen worden ist.

Die Dreierkonstellation hat Möglichkeiten ausgelotet, mit denen man dem Ägyptischen Museum den Weg zu neuen Ufern ebnen kann. Dabei entstand die Idee, die Direktoren der anderen europäischen Sammlungen für dieses ungewöhnliche Vorhaben mit ins Boot zu holen. Man stieß auf ungeteilte Zustimmung in den Chefetagen des Pariser Louvre, des British Museum in London, des Rijksmuseum van Oudheden im niederländischen Leiden sowie bei Friederike Seyfried vom Ägyptischen Museum und Papyrussammlung der Staatlichen Museen zu Berlin.

Zum ersten Mal in ihrer Geschichte würden diese fünf bedeutenden europäischen Sammlungen an einem Museumsprojekt arbeiten, bei dem es nicht mehr nur um den Austausch von Leihgaben für Sonderausstellungen ginge. Bei aller Euphorie war daher schnell klar, dass der zur Verfügung gestellte Förderbetrag von 3,1 Millionen Euro den ehrgeizigen Plänen einen engen Rahmen stecken würde. Längst wird daher davon gesprochen, dem Projekt eine zweite Phase mit noch größerem Budget folgen zu lassen. Nur so ließe sich das Ägyptische Museum auch fit für das digitale Zeitalter machen.

Vorerst aber ist von Digitalisierung oder gar Virtualität ohnehin noch keine Rede. Stattdessen nimmt man auf schwarzen Ledersesseln um einen ovalen Besprechungstisch Platz, um unter Leitung der ägyptischen Gastgeberin, der Museumsdirektorin Sabah Abdel Rasik, darüber zu beraten, was aktuell an optischen Verbesserungen erreicht werden könne. Die sechs Museumsdirektoren kennen einander seit Jahren. Sie wissen um die jeweiligen Schwächen und Stärken. Letztere bündeln sie in Kompetenzen, die sie in diese Zusammenarbeit mit einbringen möchten. So wird sich das British Museum gemeinsam mit den ägyptischen Kollegen mit den Spätzeit-Sarkophagen beschäftigen, das Rijksmuseum van Oudheden um die prädynastische Zeit und das Museo Egizio wird dabei helfen, den Bogen zum Alten Reich in einem neuen Licht erscheinen zu lassen. Der Louvre wird mit den ägyptischen Kuratoren an der Neuinszenierung des jetzt zum Teil bereits sichtbaren Schatzes von Tanis arbeiten – die französischen Ägyptologen waren schließlich einst auch schon bei den frühen Grabungen im nördlichen Nildelta mit dabei.

Die Experten aus Berlin schließlich werden sich um die Restaurierung von Steinobjekten aus dem Alten Reich kümmern. Vor allem aber hat man ihnen alle Fragen rund um den Bau ans Herz gelegt. Die Erfahrungen, die man in Berlin bei der Sanierung der historischen Gebäude auf der Museumsinsel sammeln konnte, haben dabei offensichtlich eine Strahlkraft bis an den Nil entfacht.

Bei dieser wichtigen Aufgabe werden Friederike Seyfried und ihr Team nicht allein agieren müssen: Durch die Vermittlung von Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, können sie auf Unterstützung des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) und dessen Präsidentin Petra Wesseler setzen.

Friederike Seyfried, Direktorin des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung
Friederike Seyfried, Direktorin des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung © Staatliche Museen zu Berlin /Juliane Eirich

Transforming the Egyptian Museum Cairo

Friederike Seyfried, Direktorin des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung, erklärt im Interview, wie es zum Projekt „Transforming the Egyptian Museum Cairo“ kam.

Zunächst aber gilt es herauszufinden, was in Kairo am dringlichsten benötigt wird. Bereits Mitte Mai kamen hierfür ägyptische Restauratoren, Bauexperten und Kuratoren zu Gesprächen nach Berlin, und demnächst werden Berliner Museumskollegen gemeinsam mit Experten vom BBR in entgegengesetzte Richtung reisen.

Doch wenn die Veränderungen am Ägyptischen Museum in Kairo wirklich zukunftsweisend sein wollen, dann braucht es ganz sicher mehr als nur schnelle und gut sichtbare Veränderungen. Friederike Seyfried jedenfalls hat langfristige Ziele: „Letztlich braucht das Haus eine Grundsanierung. Aber wenn man daraus einen realisierbaren Plan machen möchte, dann muss man sich zunächst Gedanken über Zeitraum und Finanzierung machen.“ Im Moment könne man bestenfalls eine grobe Schätzung abgeben.

Sicher ist: Das Museum in Kairo, Kernstück aller ägyptischen Sammlungen, hat einen derartigen Einsatz verdient. Noch aber ist es auch für Friederike Seyfried zu früh, um Spekulationen über ein mögliches Konsortium für eine derartige Generalsanierung anzustellen: „Vorerst werden wir uns die Dinge genau anschauen, um dann zu entscheiden, welche Präventivmaßnahmen auch schon heute durchgeführt werden können.“

Die beteiligten Museumsdirektoren haben sich daher darauf verständigt, einen Masterplan zu entwerfen, der über den März 2021 hinausgeht. Erneut hat man sich für die dann anstehenden Aufgaben an den jeweiligen Kompetenzen der einzelnen Museen orientiert. So gelten beim „Storytelling“ die Engländer und beim „Art-Handling“ die Italiener als führend. Das Rijksmuseum wird die Expertise für Publikation, Wissenschaft und Archivierung erstellen, und der Louvre wird für Restaurierung, Konservierung und Digitalisierung verantwortlich sein.

Zitat

„Das Projekt ist eine einzigartige Glückserfahrung“ Friederike Seyfried

„Transforming the Egyptian Museum Cairo“ – der Titel des EU-Projekts klingt vielleicht ein bisschen nach Entwicklungshilfe europäischer Museen für ägyptische Kollegen. Auf der akademischen Ebene aber liegt durchaus eine Winwin-Situation vor, wie Friederike Seyfried, die das Projekt schon jetzt als „einzigartige Glückserfahrung“ bezeichnet, betont: „Die Tätigkeit eröffnet uns Zugang zu neuen wissenschaftlichen Inhalten. Denn für alles, was man in einem Museum für das 21. Jahrhundert sichtbar machen will, braucht es wissenschaftliche Grundlagenarbeit. Diese wird jetzt zusammen mit den fantastischen jungen Wissenschaftlern vor Ort, mit den einmaligen Objekten sowie mit den europäischen Kollegen entwickelt. Wenn man die dortigen und die hiesigen Bestände miteinander in Bezug setzt, kann man zu ganz neuen Ergebnissen und Präsentationen in der Forschung kommen.“

Der Kairoer Ägyptologe Tarek Sayed Tawfik, Mitglied im Beraterteam von Direktorin Sabah Abdel Rasik, teilt diesen Berliner Optimismus: „Das EU-Projekt bietet zum ersten Mal sichere Rahmenbedingungen, um gemeinsam mit unseren europäischen Partnern an wissenschaftlichen Projekten zu arbeiten und um neue interessante Informationen über die Sammlungen aller beteiligten Museen zu bekommen.“

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