221 Bücher aus NS-Raubgut an Nachfahren von Henry Torrès restituiert
News vom 26.06.2025
In einer gemeinsamen Aktion haben fünf deutsche Kultureinrichtungen 221 Bücher an die Nachkommen des französischen Anwalts und Politikers Henry Torrès übergeben. Die Rückgabe ist ein Beispiel für gelungene Kooperation im Bereich Provenienzforschung.

Am 26. Juni 2025 wurden in Paris 221 Bücher an die Nachfahren des französischen Juristen, Journalisten und Politikers Henry Torrès (1891–1966) übergeben. Die Bücher waren während der NS-Zeit entzogen worden und gelangten auf unterschiedlichen Wegen in deutsche Bibliotheken. Dank der systematischen Provenienzforschung konnten sie eindeutig Torrès oder einer seiner beiden Ehefrauen zugeordnet werden – vielfach durch persönliche Widmungen in den Büchern.
An der Restitution beteiligt waren fünf deutsche Institutionen: Die Staatsbibliothek zu Berlin gab 95 Bände zurück, das Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin (ZfL) 93. Weitere Bücher stammen aus der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, der Universitätsbibliothek Rostock sowie der Staatlichen Bücher- und Kupferstichsammlung Greiz.
Die Rückgabe basiert auf Forschungsergebnissen aus dem Projekt „NS-Raubgut nach 1945: Die Rolle der Zentralstelle für wissenschaftliche Altbestände (ZwA)“, das an der Staatsbibliothek zu Berlin durchgeführt wurde. Die ZwA war in der DDR für die Weiterverteilung von Bibliotheksgut zuständig – darunter auch von NS-Raubgut. Viele der jetzt zurückgegebenen Bücher gelangten auf diesem Weg nach 1945 in deutsche Bibliotheken.
„Diese Rückgabe ist ein Musterbeispiel der Kooperation verschiedener deutscher Kultureinrichtungen im Bereich Provenienzforschung“, sagte Marion Ackermann, Präsidentin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. „Ich danke besonders auch der französischen CIVS für ihren maßgeblichen Anteil an der Ermöglichung der Restitution.“
Das Provenienzforschungsteam der Staatsbibliothek zu Berlin übernahm die Koordination der Rückgabe und wurde dabei eng von der französischen Commission pour la restitution des biens et l’indemnisation des victimes de spoliations antisémites (CIVS) begleitet – eine bewährte Partnerschaft, die erneut zu einer erfolgreichen Restitution führte.
Henry Torrès, der aus einer jüdischen Familie stammte, war ein prominenter Anwalt und Politiker, der wegen seiner Herkunft und seiner antifaschistischen Haltung verfolgt wurde. Nach der Besetzung Frankreichs durch das nationalsozialistische Deutschland floh er in die USA. Dort war er unter anderem als Strafrechtsdozent tätig. Nach dem Krieg kehrte er nach Frankreich zurück und war ab 1948 zehn Jahre lang Senator für die von De Gaulle gegründete RPF.
Die zurückgegebenen Werke stammen größtenteils aus den 1920er- und 1930er-Jahren und waren Torrès – teils gemeinsam mit seinen Ehefrauen Jeanne Levylier oder Suzanne Rosambert – von Autorinnen und Autoren mit handschriftlichen Widmungen geschenkt worden. Der Inhalt der Bücher reicht von politischen und historischen Publikationen bis zu belletristischen Werken. Einige tragen einen klaren Bezug zur linken, patriotischen Haltung des Empfängers.
Diese Rückgabe würdigt nicht nur die Lebensgeschichte einer beeindruckenden Persönlichkeit, sondern auch die Verantwortung von Kulturerbeeinrichtungen, historisches Unrecht sichtbar zu machen und – wo möglich – zu beheben.