Die Entzifferung der Stempelschrift

News vom 08.12.2014

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat Anfang Dezember 13 Bücher aus dem Bestand der Staatsbibliothek zu Berlin an die Israelitsche Kultusgemeinde Wien (IKG) restituiert. Michaela Scheibe, wissenschaftliche Referentin in der Abteilung Historische Drucke, erzählt, wie sie dabei vorgegangen ist.

Deckblatt mit Schwärzung des Herkunftsstempels
© Staatsbibliothek zu Berlin

Wie sind Sie bei der Restitution vorgegangen?

Die Druckschriftenbestände der Staatsbibliothek werden seit 2007 systematisch auf vom NS-Regime geraubte Bücher überprüft. Grundlage für die Suche nach NS-Raubgut sind historische Akten und Zugangsbücher, die den Eingang von Büchern in den Bestand der Staatsbibliothek tagesgenau verzeichnen. Hier eingetragene Bücher, die von „verdächtigen“ Lieferanten (z.B. NS-Dienststellen) stammen, werden auf Besitzeinträge wie Stempel oder handschriftliche Vermerke überprüft. Die Stempel in den nach Wien restituierten Bänden wurden so von den Mitarbeiterinnen der Abteilung Historische Drucke entdeckt und im Online-Katalog der Staatsbibliothek sowie in der Lost Art-Datenbank der Koordinierungsstelle Magdeburg recherchierbar gemacht. Bereits bevor die Suche nach den rechtmäßigen Eigentümern hier im Haus abgeschlossen war, hat sich die Israelitische Kultusgemeinde Wien aufgrund dieser im Internet verfügbaren Informationen an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz gewandt. Schließlich konnten nicht nur die vier Bände aus der Bibliothek der IKG Wien, sondern auch neun Bücher aus drei weiteren, heute nicht mehr existierenden jüdischen Organisationen in Wien an die IKG als Rechtsnachfolger übergeben werden. Diese Bände gehörten vor 1945 dem Verein Jüdisches Museum sowie zwei jüdischen Lehranstalten, dem 1863 von Adolf Jellinek gegründeten Bet ha-Midrasch und der Israelitisch-Theologischen Lehranstalt in Wien.

Stimmt es, dass Sie ein Verfahren gefunden haben, um den Stempel der IKG sichtbar zu machen?

Schwierig war die Identifizierung der Stempel vor allem bei einem Band aus dem Eigentum des Vereins Jüdisches Museum Wien. In diesem Band waren alle Stempel mit schwarzer Farbe überstrichen, um sie unkenntlich zu machen. Mit Hilfe von UV-Licht konnten dennoch Teile der Stempelschrift entziffert und so die Frage nach der Herkunft des Bandes eindeutig beantwortet werden. Vermutlich kam dieser Band über das Reichssicherheitshauptamt (als zentrale Behörde der SS) an das eng mit dem NS-Regime verbundene Deutsche Auslandswissenschaftliche Institut in Berlin und erst nach 1945 in die Bestände der Staatsbibliothek. Die Bücher, die auf diesem Weg in die Staatsbibliothek gelangten, sind in vielen Fällen ihren rechtmäßigen Eigentümern nicht mehr zuzuordnen. Die Bibliotheksstempel und andere Besitzkennzeichen wurden im Rahmen der Beschlagnahme systematisch herausgeschnitten oder so geschwärzt, dass sie oft trotz aller Hilfsmittel nicht mehr zu erkennen sind.

Welchen Wert haben die Bücher und um welche Art von Schriften handelt es sich?

Es handelt sich insgesamt um 13 Bände, die zwischen 1840 und 1914 gedruckt wurden. Seltene Erstausgaben oder gar hebräische Inkunabeln (Drucke aus der Zeit bis 1500), die besondere Schätze der Bibliothek der IKG Wien darstellten, sind nicht darunter. Bei den restituierten Bänden handelt es sich durchweg um jüdisch-theologische Gebrauchsliteratur, darunter einige Zeitschriftenbände und Ausstellungskataloge aus London, Paris, (Buda-)Pest, Pressburg und Breslau und eine Berliner Ausgabe mit Werken Abraham Geigers.

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