Eine Freistätte für Kunst und Wissenschaft in der Mitte Berlins

09.02.2018Eine Freistätte für Kunst und Wissenschaft in der Mitte Berlins

2016 beschloss der Bundestag den Wiederaufbau der Berliner Bauakademie. Joachim Brand, Leiter der Kunstbibliothek der Staatlichen Museen, erklärt, warum diese Entscheidung richtig und wichtig ist, wie Schinkels Konzept der Denk- und Kreativfabrik im 21. Jahrhundert aussehen könnte und welche Rolle die SPK in dem neuen Architekturzentrum spielen könnte.

von Joachim Brand

Die Bauakademie am Schinkelplatz 1890
Die Bauakademie am Schinkelplatz 1890 © bpk
Die 1836 vollendete Bauakademie war Karl Friedrich Schinkels Wohnung, Arbeitsstätte und sein Meisterwerk als Staatsarchitekt Preußens. Der revolutionäre „rote Kasten“ avancierte als Träger innovativer technischer und gestalterischer Ideen rasch zu einem das Stadtbild Berlins prägenden ikonischen Zeichen des beginnenden bürgerlichen Zeitalters. Die Bauakademie nahm die Ästhetik und Bautechnik der Moderne in Material, Normierung, Rasterung und Serialität vorweg. Sie repräsentierte gleichermaßen den architektonischen Blick in Vergangenheit und Zukunft in einem verdichteten Punkt auf der Zeitachse, mit dem man den Beginn der modernen Architektur in Preußen assoziieren konnte. 

Zugleich war die Bauakademie nach Oper, Bibliothek, Universität und (Altem) Museum der Schlussstein in der Bildungslandschaft von Berlin-Mitte. Sie stand am Ende eines einhundertjährigen Prozesses der Formierung des bürgerlichen Staates als Bildungsstaat, der im Zeitalter der napoleonischen Kriege zur Staatsräson Preußens wurde. Friedrich Wilhelm IV. machte sich 1841 die Bildungsideen der Weimarer Klassik und der Brüder Humboldt in seinem berühmten Diktum „die ganze Spree-Insel hinter den Museen zu einer Freistätte für Kunst und Wissenschaft umzuschaffen“ zu eigen. Die Schulung des Bewusstseins für Schönheit und das Streben nach Bildung waren in der „Schinkelzeit“ die vornehmsten Pflichten des Bürgers. Sein Weg zur Freiheit führte durch das Reich der Künste und der Wissenschaften. In der ästhetischen Verfeinerung und Vollendung der Mitte Berlins durch Karl Friedrich Schinkel wurde der Staat Preußen selbst zum Kunstwerk und ein in seiner räumlichen und gedanklichen Verdichtung einmaliges Areal geschaffen. 

Zwischen Lustgarten und Brandenburger Tor, Humboldt Forum und Charité werden sich in naher Zukunft in der auferstandenen Stadtgestalt des frühen 19. Jahrhunderts wieder Wissenschaften und Forschung, Oper und Museum, Bildung und Kunstgenuss, Text-, Bild- und Objektkulturen begegnen. Die wiedererrichtete Bauakademie wird mit der Museumsinsel und dem Humboldt Forum die neue Mitte Berlins maßgeblich prägen und als kulturelles Schaufenster eine Visitenkarte der Hauptstadt und des Landes sein. In der äußeren Gestalt der Gebäude und Platzgestaltungen wird weitgehend der von Schinkel geplante und umgesetzte Zustand wiederhergestellt werden. Damit diese neue Berliner Mitte keine bloße historisierende Kulisse bleibt, sondern Museumsinsel, Humboldt Forum und Neue Bauakademie ein auch aufeinander bezogenes System bilden, bedarf es noch großer Anstrengungen der sie tragenden Institutionen. 
Das Berliner Schloss, Schlossplatz und der angrenzende Lustgarten um 1919. Im Hintergrund ist die Bauakademie zu sehen
Das Berliner Schloss, Schlossplatz und angrenzender Lustgarten um 1919. Im Hintergrund ist die Bauakademie zu sehen © bpk / Luftbild Berlin GmbH
Johann Eduard Wolff: Karl Friedrich Schinkel um 1820
Johann Eduard Wolff: Karl Friedrich Schinkel um 1820 © bpk / Nationalgalerie, SMB / Jörg P. Anders

Karl Friedrich Schinkels Konzept der Denk- und Kreativfabrik, die Wissenschaft und Kunst, Technik und Ökonomie, Forschung und Lehre, Architekturtheorie und Baupraxis unter dem Dach der Architektur zukunftsweisend zusammenführt, kann in der Neuen Bauakademie sein großes Potential entfalten und die Bildung aller Bürgerinnen und Bürger in allen Aspekten der Architektur und des Bauens fördern.

Gleichzeitig repräsentiert die Neue Bauakademie die außergewöhnliche und auch im weltweiten Vergleich herausragende Architekturgeschichte Berlins. Es gibt kaum einen anderen Ort, an dem sich eine derartige Fülle wichtiger Bauwerke hochkarätiger Architekten betrachten lässt. Sie reflektieren prägende politische Kräfte und gestalterische Ideen der letzten Jahrhunderte: vom preußischen Barock über die frühe Moderne bis zu den Totalitarismen im 20. Jahrhundert und dem Neuaufbruch nach der Wiedervereinigung. Die Neue Bauakademie wird damit zum idealen Ausgangspunkt für Menschen aus aller Welt, um in Berlin die Faszination Architektur zu erleben.

Die SPK bewahrt in ihren Einrichtungen den umfangreichen künstlerischen Nachlass von Karl Friedrich Schinkel sowie umfängliche Archivalien und Schriftquellen zu seinem Leben und Wirken. Sie möchte dieses Erbe von Preußens größtem Baumeister in die Programmarbeit der Neuen Bauakademie einbringen. Schinkel ist nicht nur eine für Architekturhistoriker relevante Persönlichkeit, sondern seit jeher auch ein Publikumsmagnet.

Das in den Dialogforen wiederholt geäußerte Motto „so viel Schinkel wie möglich“ gilt daher nicht nur in Bezug auf die Gestalt des Gebäudes, sondern auch hinsichtlich seiner Attraktivität für Berlinerinnen und Berliner und die vielen Touristen. Schinkel kann einer der Anker sein, mit dem es der SPK und den anderen die Bauakademie und das Humboldt Forum tragenden Institutionen gelingen kann, die Mitte Berlins zu einer demokratischen Wissens- und Bildungslandschaft zu entwickeln, in der die preußische Bildungstradition eine lebendige Basis für ein reiches und differenziertes Programm an Lern-, Lehr- und Dialogangeboten bildet.

Zitat

„Schinkel kann einer der Anker sein, mit dem es der SPK und den anderen die Bauakademie und das Humboldt Forum tragenden Institutionen gelingen kann, die Mitte Berlins zu einer demokratischen Wissens- und Bildungslandschaft zu entwickeln, in der die preußische Bildungstradition eine lebendige Basis für ein reiches und differenziertes Programm an Lern-, Lehr- und Dialogangeboten bildet.“ Joachim Brand

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz strebt eine Mitwirkung an einem kooperativen Nutzungskonzept für die Neue Bauakademie an. Sie sieht den Schwerpunkt ihrer Expertise im Bereich der Realisierung der Dauerausstellung zu Karl Friedrich Schinkel, einer Beteiligung an wechselnden Ausstellungsprojekten und der programmatischen Vernetzung mit der Museumsinsel und dem Humboldt Forum. Die SPK steht für Offenheit und Anschlussfähigkeit und setzt sich dafür ein, die Neue Bauakademie nicht zu einem Ort institutioneller und disziplinärer Grenzziehungen zu machen, sondern ein offenes, partizipatives Architekturforum zu errichten, das dazu beiträgt, diese Grenzen zu überwinden. Die Neue Bauakademie als Plattform ist ein Experiment und eine Chance, einen neuen zeitgemäßen Typus eines Ausstellungs- und Veranstaltungshauses in der Mitte Berlins zu erproben.

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