Von Münzen und Menschen

News vom 08.01.2016

Seit 2007 können Interessierte im Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin Patenschaften übernehmen. Mit dem gespendeten Geld werden die Objekte digital erschlossen und Nachwuchswissenschaftler gefördert. Wir sprachen mit Prof. Dr. Bernhard Weisser, dem Direktor des Münzkabinetts.

Prof. Dr. Bernhard Weisser
Prof. Dr. Bernhard Weisser © SMB / A. Kleuker

Was begeistert Sie an der Numismatik, also der Münzkunde?

Münzen sind für mich keine leblosen Objekte. Sie sind von Menschenhand gefertigt und sind Ausdruck zwischenmenschlicher Beziehungen. Die Münzen in unseren Sammlungen wurden von Menschen in Auftrag gegeben, künstlerisch gestaltet und hergestellt. Menschen haben die Münzen besessen und als Zahlungsmittel verwenden. Heute erforschen Wissenschaftler die Münzen und Besucher betrachten sie in unseren Ausstellungen. Seit einigen Jahren ist ein stetig wachsender neuer Personenkreis hinzugekommen: unsere Münzpaten.

Was können die Münzpaten bewirken?

Unsere Münzpaten interessieren sich für die Numismatik und möchten diese fördern. Mit einem Beitrag von 20€ pro Münze helfen die Paten dabei, unsere Bestände Stück für Stück zu digitalisieren und online verfügbar werden zu lassen. Über 200 Münzpaten haben sich bislang gefunden, manche spenden sogar einen fünfstelligen Betrag. Hinter jeder einzelnen Spende steht eine Geschichte und eine neue faszinierende Form der Kommunikation mit dem Münzkabinett. Wir können mit dem gespendeten Geld Nachwuchswissenschaftler beschäftigen. Sie erschließen die Münzen und werden gleichzeitig in der numismatischen Dokumentation trainiert. Dank der mäzenatischen Unterstützung konnten bislang 9.505 zusätzliche Objekte in unseren Interaktiven Katalog eingetragen werden. Insgesamt sind mittlerweile über 25.500 Einträge abrufbar. Damit kommen wir unserem Ziel näher, möglichst unseren gesamten Sammlungsbestand der Öffentlichkeit zugänglich werden zu lassen. Mein Ziel war von Anfang an, unsere Objekte online leuchten zu lassen.

Wie bringen Sie die Münzen zum Leuchten?

In unserem Interaktiven Katalog können die Münzen und Medaillen auf einer Weltkarte angezeigt oder nach Epochen sortiert werden. Sie erfahren, mit welchen Personen die Münzen verbunden waren und lernen die Objektgeschichte kennen. Auf diese Weise vermitteln wir dem interessierten Publikum ergänzend zur Ausstellung vertiefende Informationen. Die Inhalte des Interaktiven Kataloges wurden von Anfang so konzipiert, dass sie nicht nur der Dokumentation für Spezialisten dienen, sondern auch allgemeinverständlich sind. Das unterscheidet unseren Ansatz von vielen Museumsdatenbanken. Bei diesen steht häufig der Inventarisierungsgedanke für interne Zwecke im Vordergrund. Der Informationswert des Interaktiven Katalogs steht und fällt mit der Qualität der Daten. Dank der Unterstützung der Münzpaten, können wir unsere Objekte auf sehr hohem Niveau digitalisieren und dokumentieren.

Wie sieht ein solcher Digitalisierungs- und Dokumentationsvorgang aus?

Der Aufwand der Dokumentation unserer Bestände in hoher Qualität ist immens. Es kann leicht eine Stunde dauern, eine Münze oder Medaille in die Datenbank aufzunehmen. In 70 Datenfeldern werden alle gewünschten Inhalte untergebracht. Eines der Datenfelder ist den Paten vorbehalten. Jeder Eintrag wird mit zwei hochaufgelösten Fotografien ergänzt.
Die Inhalte werden von einer Person erstellt und dann von zwei weiteren geprüft. Unser Schlussredakteur sorgt dafür, dass alle Begriffe und Schlagworte richtig verwendet werden. Über die Jahre haben wir uns hinsichtlich der Normdaten immer mehr professionalisiert. Wir arbeiten auf nationaler und internationaler Ebene mit Numismatikern eng zusammen. So können wir sicherstellen, dass unsere Daten auch an andere Kataloge anschlussfähig sind, etwa mit denen der American Numismatic Society in New York, dem British Museum in London und der Bibliothèque Nationale in Paris. Wir haben etwa gerade angefangen, in einem internationalem Projekt 3.000 antike Münzen zu erschließen, die mit dem Namen Alexanders des Grossen verbunden sind. Die in seinem Namen geprägten Münzen erschlossen Regionen des Vorderen Orients erstmals für den Gebrauch von Münzgeld. Sie waren für lange Zeit eines der ersten überregionalen Zahlungsmittel, vergleichbar mit unserem Euro. Bei der Arbeit hilft uns dankenswerterweise seit November ein aus Syrien stammender Kollege.

Haben Sie seit Beginn der Digitalisierung eine Veränderung in der Wahrnehmung des Münzkabinetts bemerkt?

Unser Interaktiver Katalog trägt wesentlich dazu bei, dass das Münzkabinett stärker wahrgenommen wird. Unsere Digitalisate werden bei der bpk Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte deutlich öfter angefragt. Auch Bildanfragen zu Ausstellungen haben sich diversifiziert. Früher wurde oft nur nach den Stücken gefragt, die schon einmal in einem Katalog publiziert wurden. Nun bieten sich für Wissenschaftler und Kuratoren aus der ganzen Welt ganz andere Recherchemöglichkeiten.
Diese positive Resonanz ist natürlich sehr wichtig, um weitere Münzpaten zu gewinnen oder auch Drittmittel zu beantragen. Gleichzeitig wirkt diese Wertschätzung auch nach innen. Die Ergebnisse der eigenen Arbeit sind unmittelbar sichtbar und Fortschritte lassen sich gut verfolgen. Wegen dieser Erfolge identifizieren sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr gut mit ihrer Arbeit für den interaktiven Onlinekatalog des Münzkabinetts.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Münzkabinetts?

Wir verstehen uns als Ort für Numismatiker aus aller Welt. Vor diesem Hintergrund möchten wir weiterhin Kooperationen eingehen, aber auch eigene Projekte generieren. Wir sind davon überzeugt, dass Kulturgüterschutz mit einer möglichst guten Objektveröffentlichung der eigenen Bestände beginnt. Unsere Expertise würden wir gerne dafür einsetzen, Musterdatenbanken und Typenkataloge zu entwickeln. Wir haben dies in einer Zusammenarbeit mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie für Wissenschaften bereits in einer Pilotstudie für die Region Thrakien gezeigt. Die Übertragung auf andere Regionen wie etwa Syrien wäre möglich und wünschenswert. All dies könnte international zum Schutz von Kulturgütern beitragen.  Nicht zuletzt wollen wir weiterhin gut mit unseren Münzpaten zusammenarbeiten und weitere Paten gewinnen. Ich wünsche mir, viele Münzpaten für unsere Arbeit zu gewinnen. Für Fragen stehe ich jederzeit zur Verfügung.

Das Interview führte Julia Lerche.

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