Wir kannten die antiken Vasen in Moskau nur von Fotos

News vom 12.11.2015

Was hat der Deutsch-Russische Museumsdialog gebracht? Eine Reihe zum zehnjährigen Jubiläum. Fragen an Ursula Kästner, Kustodin in der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin und von deutscher Seite für eine Kooperationsvereinbarung der SPK mit dem Historischen Museum Moskau verantwortlich

Hydria mit dem Parisurteil
© Antikensammlung, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz

Nach der Wiedervereinigung wurden in der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin über 1540 antike Vasen und –fragmente als Kriegsverluste dokumentiert. Durch Publikationen, aber auch Kontakte mit russischen Kollegen konnten in den letzten zehn Jahren kriegsbedingt verlagerte Bestände aus der Antikensammlung in verschiedenen russischen Museen erkannt werden. Davon befinden sich etwa 800 Vasen und Fragmente  im Staatlichen Historischen Museum Moskau. Seit 2005 steht die Antikensammlung im Kontakt zu den Kollegen im Staatlichen Historischen Museum Moskau. Im Frühjahr 2015 wurde eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet. Deren Ziel ist es, die kriegsbedingt verlagerten Bestände gemeinsam zu identifizieren, zu restaurieren und wissenschaftlich zu erschließen. Die Ergebnisse des Projektes sollen publiziert, auf einer internationalen Konferenz diskutiert und ausgestellt werden. Von deutscher Seite für die Kooperation verantwortlich ist Frau Dipl. phil. Ursula Kästner, Kustodin in der Antikensammlung.

Was haben Sie empfunden, als Sie die kriegsbedingt verlagerten Vasen im Staatlichen Historischen Museum Moskau zum ersten Mal gesehen haben?

Ursula Kästner: Bis zum Juni diesen Jahres kannte ich die meisten Vasen nur durch Vorkriegsfotos und Beschreibungen. Als ich diese vielen Fragmente sah, war mir klar, dass dieser Schatz  darunter auch etliche Meistervasen wieder der internationalen Wissenschaft zugängig gemacht werden muss. Die Mehrzahl der Objekte ist zerscherbt und in einem restaurierungsbedürftigen Zustand. Die russischen Kollegen haben schon eine Reihe sehr wichtiger und auch komplizierter Vasen restauriert. Der  größte Teil ist aber erst noch physisch wiederherzustellen, manches ist zu identifizieren und dann wissenschaftlich neu zu bewerten.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit den russischen Kolleginnen und Kollegen?

Viele Kolleginnen und Kollegen in den großen russischen Museen wie dem Puschkin-Museum oder der Staatlichen Eremitage St. Petersburg sind uns seit Jahrzehnten gut bekannt. Zu DDR-Zeiten gab es regelmäßige Austausche und  gemeinsame Projekte. Die Kontakte zum Historischen Museum Moskau sind dagegen relativ neu. Die Kollegen dort kannte ich von internationalen Tagungen und Workshops. Sie kamen nach der Veröffentlichung unseres Verlustkataloges auf uns zu und deuteten an, dass manches Gesuchte noch vorhanden wäre. Diese Offenheit und die Einladung zu einer gemeinsamen Bearbeitung des Materials sind die Grundlage der jetzt vereinbarten Kooperation. Ich bin sicher, dass der gute Start eine Garantie für die nächsten vier Projektjahre ist. 

Könnte der Einsatz von 3D-Digitalisierung für das Projekt hilfreich sein? Welche Untersuchungen werden bei der Restaurierung und Dokumentation der Vasen eingesetzt?

Ich denke, eine 3D-Digitalisierung ist nicht notwendig. Durch Fotos ist der komplette – oft auch restaurierte - Vorkriegszustand der meisten Gefäße bekannt , so dass die Vasen auf dieser Basis wieder aufgebaut werden können. Wichtig sind aber naturwissenschaftliche Untersuchungen. Sie unterstützen oder ermöglichen zum einen die Behandlung der Kriegsschäden. Zum anderen helfen sie dabei, die antiken und die nachantiken, also konservierungswissenschaftlichen  Bearbeitungen zu entschlüsseln. Je nach den Möglichkeiten sind das UV- und Infrarotaufnahmen sowie verschiedene Materialuntersuchungsmethoden.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der deutsch-russischen Beziehungen?

Ich wünsche mir weitere offizielle Kooperationen mit Museen. Das ist die Basis für die vertrauensvolle und offene Zusammenarbeit vor allem auch für die kriegsbedingt verlagerten Bestände der Antikensammlung. Diese  befinden sich nach unserem heutigen Kenntnisstand auch in der Staatliche Eremitage St. Petersburg, dem Puschkin-Museum Moskau sowie dem Staatlichen Burganov-Haus Moskau.  Mit  der in unseren Museen dokumentierten Geschichte eines Objektes können wir ihm seinen Sammlungs- und vielleicht auch antiken Kontext zurückgeben. Indem die russischen Kollegen das Vorhandene offenlegen, helfen sie uns, die Ungewissheit von Kriegsverlusten zu beseitigen oder zu minimieren. Dies ist jedoch nur möglich, wenn die kriegsbedingt verlagerten Bestände in gemeinsamer Verantwortung erforscht werden.

Die Fragen stellte Julia Lerche

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