Start ins neue Jahr mit logistischem Kraftakt

News vom 17.12.2020

Auch wenn das Humboldt Forum – der Corona-Pandemie geschuldet – gestern Abend zunächst nur digital eröffnen konnte, laufen die Arbeiten auf den Flächen der Museen unter Hochdruck weiter. Toralf Gabsch, Chefrestaurator des Museums für Asiatische Kunst und auch zuständig für den Umzug des Ethnologischen Museums, ist permanent zwischen Dahlem und Mitte unterwegs.

Zwei Männer beim Aufbau in einem Ausstellungsraum
© SPK / Stefan Müchler

Die Südseeboote und die Höhle der Ringtragenden Tauben waren in Dahlem ganz besondere Highlights. Wie werden sie im Humboldt Forum gezeigt?

Toralf Gabsch: Die Südseeboote werden in einem eigens dafür konzipierten Kubus im Humboldt Forum gezeigt, der sich höhenmäßig über zwei Geschosse erstreckt. Anders als in Dahlem können die Besucherinnen und Besucher über eine im Ausstellungssaal befindliche Treppe zu den Booten herunterlaufen und sie von einer Galerie aus bewundern. Ähnlich wird es übrigens im gegenüberliegenden, baugleichen Kubus sein, der zukünftig das Hausensemble der Südsee mit dem Männerhaus aus Palau zeigt. Erstmalig werden auch diese Großobjekte aus der Vogelperspektive erlebbar.
Die „Höhle der Ringtragenden Tauben" ist im Humboldt Form von einer doppelstöckigen Vitrinengalerie umgeben. In dieser werden zahlreiche Funde von den Turfan-Expeditionen zwischen 1902 und 1914 zu sehen sein. Diese Kleinfunde, unter anderem Skulpturen, Reliefs, Werkzeuge, Schmuck, Münzen und Kapitelle waren bisher überwiegend für die Besucherinnen und Besucher verborgen und nur für die Forschung in den Dahlemer Depots zugängig. Die bauliche Besonderheit der Höhlenkonstruktion liegt in ihrer Doppelschalen Systematik. Die innere Tragkonstruktion aus Holz ist nur für die Wandgemälde konzipiert und in sich tragend. Die äußere Konstruktion trägt die Galerie und die Vitrinen und ist aus Metall. Das ist deshalb notwendig, damit sich Erschütterungen, die zum Beispiel beim Begehen der oberen Galerie durch die Besucherinnen und Besucher entstehen, nicht auf die Holzkonstruktion und den daran befestigten Gemälden übertragen.

Im Vergleich zur Präsentation in Dahlem wird sich das Museum für Asiatische Kunst vergrößern. Was wird anders?

Das Museum für Asiatische Kunst wird sich sogar deutlich vergrößern. Im Vergleich zur ehemaligen Ausstellung in Dahlem kommen ganze 1.000 Quadratmeter Fläche hinzu. Doch nicht nur der Flächenzuwachs, sondern auch die teilweise spektakuläre Raumarchitektur wird uns eine bestmögliche Präsentation unserer Sammlung ermöglichen. Ein besonderes Besucherhighlight wird sicher der von Wang Shu gestaltete Raum mit seiner markanten, an die chinesische Pagodenform angelehnte Holzbalkendecke, sein. Hier wird unter anderem die chinesische Hofkunst, aber auch das Teehaus von Ai Weiwei gezeigt. Zusätzlich zur eben erwähnten „Höhle der Ringtragenden Tauben" können wir im Humboldt Forum auch die Teilrekonstruktion der „Höhle der 16 Schwertträger" zeigen. Aus Platzgründen waren aus dieser Kulthöhle bislang stets nur einzelne Gemälde zu sehen – jetzt wird sie mit ihren einzigartigen Darstellungen der tocharischen Fürsten in den Seitenwänden der Gänge erstmals seit über 100 Jahren wieder in Gänze erlebbar. Diese Höhlen sind in ihrer Art in Museen weltweit einmalig. Die archäologischen Gemälde zeugen vom Leben und Sterben des Buddha und eröffnen darüber hinaus einen Blick in die weitreichenden kulturellen und künstlerischen Verflechtungen entlang der Seidenstraßen.

Solch einen Museumsumzug macht man wahrscheinlich nur einmal im Arbeitsleben, oder? Was sind die größten Herausforderungen?

Die größten Herausforderungen in den letzten 11 Jahren waren die teilweise späten Festlegungen auf einzelne Objektgruppen im Humboldt Forum und die schiere Größe der umziehenden Sammlungen. Mit 27.000 Museumsobjekten zieht man nur einmal im Leben um. Um die Dimension zu verstehen, bietet sich ein Vergleich mit der Nachbarschaft an. Unsere Fläche im Humboldt Forum ist praktisch identisch mit der kombinierten Fläche des Alten Museums, der Alten Nationalgalerie und der Hälfte des Neuen Museums. Wir ziehen also praktisch mit der Hälfte der Flächen der ganzen Museumsinsel in einem Rutsch um, was logistisch und in Bezug auf das Objekthandling in der Museumswelt in dieser Dimension vermutlich einmalig ist.
Eine besondere Herausforderung ist zudem ein stabiles Klima in den Ausstellungsräumen, damit die zum Teil sehr empfindlichen Objekte, die insbesondere im Falle des Ethnologischen Museums häufig aus organischen Materialien bestehen, keinen Schaden nehmen. Das war bei den Dimensionen des Humboldt Forums eine technische Herkulesaufgabe, die uns und die damit befassten Gewerke lange beschäftigt hat. Aber auch das ist inzwischen geglückt, sodass dem Umzug Anfang nächsten Jahres nun nichts mehr im Wege steht. Ungefähr 140 LKW-Ladungen werden wir dabei von Dahlem nach Mitte bringen. Da steht uns also noch ein Kraftakt bevor.

Die Fragen stellte Stefan Müchler

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