Der Kunst auf den Grund gegangen: Caspar David Friedrich-Werke Schicht für Schicht

News vom 22.01.2016

Die Alte Nationalgalerie hat die Gemälde „Mönch am Meer“ und „Abtei im Eichwald“ aufwendig restauriert. Ina Reiche, Leiterin des Rathgen-Forschungslabors, spricht über die Analyse der Werke, versteckte Firnisschichten und das Spektrum ihrer Arbeitsmethoden.

Caspar David Friedrich „Mönch am Meer“, 1808-10
Restauriert (li) und im Vorzustand © Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin / Foto: Andres Kilger

In den letzten zwei Jahren hat die Alte Nationalgalerie zwei ihrer Spitzenwerke der deutschen Romantik, Caspar David Friedrichs „Mönch am Meer“ und „Abtei im Eichwald“, restauriert. Sie haben von den Bildern genommene Proben vorab im Rathgen-Forschungslabor untersucht. Besteht die Faszination Ihrer Arbeit darin, der Kunst auf den Grund gehen zu können?

Reiche: Ja, das ist schon etwas Besonderes. Kunst fasziniert, und die Arbeit im Labor ist auch sehr vielfältig! Mit unseren Analysemethoden können wir Objekte von der Ur- und Frühgeschichte bis zur modernen Kunst untersuchen. Wenn wir dem Geheimnis ihrer Schönheit auf die Spur kommen, dann wird es wirklich überwältigend.

Wie läuft das eigentlich praktisch? Gehen Sie zu den Bildern oder kommen sie zu Ihnen?

Meist erreicht uns ein Anruf oder eine Mail, dann beraten wir und entwickeln eine Analysestrategie. Wenn wir wissen, dass es ohne Probeentnahme geht, dann können wir mit unseren transportablen Geräten in die Sammlungen gehen und dort die Werke untersuchen. Dabei kommen etwa tragbare Spektrometer wie Röntgenfluoreszenz- oder Raman-Geräte zum Einsatz. Wenn nicht, entnehmen wir vor Ort minimale Proben, die man mit dem bloßen Auge nicht sehen kann. So war das auch bei den Friedrich-Gemälden. Mit der Probe geht man dann von der zerstörungsärmsten zur am meisten zerstörenden Methode. Die Probe bleibt bei manchen Messungen vollständig erhalten. Solche Techniken nutzt man dann natürlich zuerst. Am Ende wenden wir die Behandlungsweise an, bei der die Probe während der Untersuchung aufgebraucht wird, das ist zum Beispiel die Chromatographie oder Massenspektroskopie zur Bindemitteluntersuchung. Je komplizierter die Fragestellung, desto komplizierter die Analysestrategie. Wir erarbeiten dann einen Bericht, der als Grundlage für Entscheidung der Restauratoren, Kuratoren oder Archäologen dient.

Und wie war das bei den Bildern von Caspar David Friedrich?

Jeder weiß, dass die Gemälde nicht mehr im Zustand ihrer Entstehungszeit sind. Wir können mit unseren Untersuchungen ein Bild Schicht um Schicht analysieren, sind in der Lage, die verschiedenen Schritte seiner Entstehung nachzuvollziehen und zu sagen, welche Pigmente und welche Materialien zur Veränderung des ästhetischen Eindrucks geführt haben. Wir sehen, ob sich Blautöne vergraut haben oder warum andere Farbnuancen plötzlich verblasst sind. Bei Caspar David Friedrich wurden die Bildschichten vor Ort in der Alten Nationalgalerie erforscht. Dabei entdeckten wir nicht nur sehr, sehr feine Farbschichten und Techniken, die über Jahrhunderte nicht getestet wurden, sondern auch eine eiweißhaltige Schicht. Gemeinsam mit den Kuratoren und Restauratoren, deren Fachwissen über die Entstehung unerlässlich ist, kamen wir zu dem Schluss, dass diese Schicht wahrscheinlich als temporäre Firnis zum Schutz aufgetragen wurde, damit das Bild sofort verkauft werden konnte. Es war also noch ganz frisch, sozusagen nicht mal getrocknet, als es weggegeben wurde.

Welche Aufgaben hat das Rathgen-Forschungslabor neben solcher Analysetätigkeit noch?

Wir kümmern uns um die präventive Konservierung, die dem Verfall vorbeugen soll. Dazu gehört zum Beispiel, Klimabedingungen in Räumen möglichst konstant zu halten und Licht- und Schadstoffeinflüsse so zu begrenzen, dass die Objekte nicht geschädigt werden. Natürlich untersuchen wir auch Zerfallsprozesse, wie es Friedrich Rathgen, der Gründer des Labors, im 19. Jahrhundert schon getan hat. Ein weiteres Feld sehe ich in der Konservierungswissenschaft. Hier arbeiten  wir eng mit den Restauratoren zusammenarbeiten, denn die Restaurierung ist ja nicht unser Geschäft. Die vierte Säule ist die Kunsttechnologie, bei der es unter anderem darum geht, Fälschungen zu untersuchen. Wir können genau bestimmen, ob Verfahren angewendet wurden, die es bei Entstehen des Bildes noch gar nicht gab. Auch können wir feststellen, ob Pigmente zum Einsatz kamen, die unmöglich aus der Ursprungszeit des Gemäldes stammen können. Ein weiteres Arbeitsfeld ist die Archäometrie, die sehr eng mit der archäologischen Forschung verbunden ist. Gemeint sind dabei Aufgaben wie Datierung, Herkunftsbestimmung, Material- und Isotopenanalyse. Aus Materialanalysen lassen sich beispielsweise häufig Rückschlüsse auf soziale, politische oder wirtschaftliche Entwicklungen schließen. Ein Beispiel sind eisenzeitliche Korallendekorationen, die wir gerade  zusammen mit der Uni Mainz und der Uni Paris untersuchen. Mit der Zeit verlieren die Korallen ihre rote Farbe und sind kaum noch als solche erkennbar. Mit der Ramanspektroskopie können wir sie jedoch wieder als rote Edelkorallen identifizieren. Das ist immens wichtig, denn die Edelkoralle war in der Eisenzeit ein wertvolles Importgut. Wenn wir diese Korallen auf Schmuckstücken aus keltischen Fürstengräbern in Süddeutschland nachweisen können, dann wird es möglich Austauschnetze mit dem Mittelmeerraum genauer zu bestimmen. Eine zentrale Aufgabe des Labors ist außerdem die Spurenelementeanalytik. Momentan können wir sie allerdings nur in Kooperation mit anderen Museen und Instituten anbieten.

Sie müssen also kooperieren?

Ja, und der Netzwerk-Gedanke wird immer wichtiger. Wir sind dabei, eine europäische Forschungsinitiative aufzubauen, die inzwischen 27 Partner umfasst – vom British Museum über den Louvre bis zum Prado, von Rom bis Krakau, und zwar universitäre, museale und wissenschaftliche Einrichtungen. So bringen wir uns gegenseitig auf den neuesten Wissensstand und erforschen gemeinsam neue Analysestrategien für Kunst- und Kulturgut.

Die Fragen stellten Birgit Jöbstl und Ingolf Kern.

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