Das Geschäft mit illegalen Antiken: Hermann Parzinger appelliert an den Münzhandel

News vom 11.08.2015

Interessenvertreter reagieren auf Namensartikel des Präsidenten in der FAZ zum Kulturgutschutzgesetz. Hermann Parzinger hat jetzt geantwortet.

Für Ihr Schreiben vom 24. Juli 2015 danke ich Ihnen, auch wenn es mich in Inhalt, Diktion und Verteiler sehr verwundert hat. Die wirkliche Intention meines FAZ-Beitrags zur Debatte scheint im Kern nicht bei Ihnen angekommen zu sein.
 

Die Umstände, die zur massenhaften Zerstörung von antikem Kulturgut wie auch zum unüberschaubaren illegalen Handel mit diesen Objekten führen, sind in der Tat wenig transparent. Trotzdem ist doch mehr als offensichtlich, dass Plünderungen in Museen und Raubgrabungen weltweit, nicht nur im Nahen Osten, ein noch nicht dagewesenes Ausmaß erreicht haben. Davor kann man doch nicht die Augen verschließen! Vorsichtige Schätzungen lassen für den gesamten Bereich der illegalen Archäologie im globalen Maßstab sehr wohl den Schluss zu, dass man sich hier im Milliardenbereich bewegt, und genau das habe ich in meinem Beitrag zum Ausdruck gebracht. Auf solchen Beobachtungen basieren seriöse Maßnahmen wie die verschiedenen öffentlich zugänglichen „Red Alert Lists“ von ICOM und UNESCO, deren Berechtigung Sie hoffentlich nicht in Abrede stellen wollen.
 

Darüber hinaus wird gewiss auch Ihr Verband nicht leugnen, dass Terrororganisationen wie der IS sich indirekt auch aus solchen Quellen finanzieren. Diese Wege zu ergründen, haben unter hohem Einsatz bis hin zur Lebensgefahr einige Journalisten gewagt. Die daraus entstandenen seriösen Berichte wie zuletzt in der ZDF-Sendung Aspekte im März 2015 oder auf ARTE am 02. September 2014 unter dem Titel „Blutige Beute“ werden auch Sie nicht als unwahr einordnen können. Wenn Handelswege bekannt wären und Akteure in diesem schmutzigen Geschäft offen agieren würden, fielen auch Gegenmaßnahmen und Abwehraktionen weniger schwer. Diese Netzwerke zu ergründen und aufzudecken, um dann gezielt dagegen vorzugehen, ist Teil eines umfangreichen Forschungsprogramms unter Federführung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, zu dem Sie unter der Bezeichnung ILLICID im Netz leicht eine Fülle an Informationen finden werden.
 

Bislang standen die zu erwartenden Ausfuhrregelungen im Fokus der medialen Auseinandersetzung zum neuen Kulturgutschutzgesetz. Hier besteht in der Tat noch Klärungsbedarf, wie ich in meinem FAZ-Beitrag auch deutlich gemacht habe. Doch glauben Sie mir, es ist der falsche Weg, die derzeit sehr aufgeheizte Diskussion um die Ausfuhrregelungen jetzt nutzen zu wollen, um hier auch die neuen Einfuhrregelungen zum Problemfeld zu erklären. Das sollte der Münzhandel nicht tun. Es ist ganz einhellige Meinung quer durch alle Gesellschaftsbereiche, den illegalen Handel mit antiken Beständen in Deutschland zu ächten. Alles, was legal ist, soll auch frei zu handeln sein, aber die ganz überwiegenden antiken Bestände verlassen ihre Herkunftsländer illegal und dazu unter unwiederbringlicher Verwüstung von Fundstätten. Solche „Ware“ ohne jede nachprüfbare Provenienz soll zukünftig in Deutschland nicht mehr auf den Markt kommen. Das sollte auch in Ihrem Interesse sein.
 

Ich denke durchaus, dass ich die besonderen Bedürfnisse des Münzhandels mit der notwendigen Differenziertheit zu betrachten vermag. Ob und welche Sonderregelungen bei der Novellierung des Kulturgüterschutzgesetzes hier noch erreichbar sind, vermag ich nicht zu übersehen. Ich hoffe jedoch, dass das Gesetz am Ende auf eine breite Akzeptanz bei allen trifft, die sich aktiv für den Schutz von und den legalen Umgang mit Kulturgütern einsetzen, unabhängig davon, ob sie wissenschaftliche oder kommerzielle Interessen verfolgen.


Schreiben des Verbands der deutschen Münzenhändler e.V. und des Berufsverbands des Deutschen Münzenhandels e.V. vom 24. Juli 2015

Mit großem Interesse haben wir Ihren Artikel mit dem Titel „Genug ist genug“ gelesen, in dem Sie die Rückkehr zu einem sachbezogenen Dialog über das neue Kulturgutschutzgesetz fordern.
 

Wir sind vollkommen Ihrer Meinung, dass wir zu einem echten Dialog kommen müssen, wo auf Augenhöhe sachbezogen und ohne Emotion diskutiert wird.
 

Deshalb bitten wir Sie im Namen der Berufsverbände des deutschen Münzenhandels, bei den Fakten zu bleiben und Spekulationen aus der Presse herauszuhalten. Die Behauptung, der Antikenhandel zur Terrorfinanzierung sei ein Milliardengeschäft, ist durch nichts belegt.
 

Weder die Bundesregierung, noch die UNESCO, noch das Bundeskriminalamt haben auf Nachfrage dazu verlässliche Zahlen vorlegen können. Das sollte Ihnen in Ihrer Position bekannt sein.
 

Die US-Regierung hat gerade in den letzten Tagen bekannt gegeben, dass sie in dem Haus eines IS-Führers einen Antikenschatz gefunden haben. Der Schatz soll aus 70 Antiken bestehen, der Wert wird je nach Berichterstattung zwischen 2.000,00 und 40.000,00 US-Dollar geschätzt.
 

Bemerkenswert ist die Aussage des US-Botschafters in Bagdad, Timothy Gerhardson: “Zum ersten Mal haben wir einen klaren Beweis dafür, dass der ‘Islamische Staat‘ Antiken und alte Kunstschätze geraubt und gesammelt hat, um sie auf dem internationalen Markt zu Geld zu machen.“
 

Wenn die  US-Amerikaner erst im Juli 2015 davon sprechen, dass sie erstmalig einen Beweis gefunden haben, dass der IS sich mit Antikenhandel in o. g. Höhe finanziert, wie können Sie in diesem Zusammenhang von einem „lukrativen Milliardengeschäft auf Kosten des kulturellen Erbes der Menschheit“ sprechen? Wieso wird diese Behauptung seit Jahren vorgetragen und wird sogar von unseren Spitzenpolitikern im Bundestag wiederholt, wenn es dafür bislang gar keine Beweise gab?
 

Sollten Sie konkrete Beweise zum Ausmaß des Antikenhandels zur Terrorfinanzierung haben, bitten wir Sie, diese jetzt endlich vorzulegen. Sollten Sie diese nicht haben, fordern wir von Ihnen, dass Sie Ihre privaten Vermutungen auch als solche kennzeichnen, dazu sind Sie in Ihrer Position moralisch verpflichtet.
 

Leider müssen wir Ihnen auch noch an einer anderen Stelle vehement widersprechen: Es ist ganz und gar nicht so, dass es einen breiten Konsens über den Teil des vorliegenden Gesetzesentwurf gibt, der die Einfuhr betrifft. Zumindest der Münzhandel ist strikt dagegen.
 

Zunächst gibt es keinen äußeren völkerrechtlichen Zwang für diese Einfuhrregelung. Weder die EU-Richtlinie 2014, noch die UNESCO-Konvention 1970 fordern eine solche Einfuhrregelung. Es ist also ein deutscher Alleingang. Das ist Ihnen bekannt, denn das hat auch Herr Dr. Winands in der Anhörung vom 22. April 2015, bei der Sie zugegen waren, klar gesagt.
 

Darüber hinaus ist die vorgeschlagene Forderung im Bereich der Numismatik schlicht nicht erfüllbar. In vielen Ländern, unabhängig davon, ob sie UNESCO-Konventionspartner sind oder „nur“ EU-Mitgliedsstaaten, ist ein solches Ausfuhrgenehmigungsverfahren für Münzen gar nicht vorgesehen.
 

Der Münzenhandel kann also ganz und gar nicht damit einverstanden sein, wenn die legale Einfuhr regelmäßig daran scheitert, dass ein Dokument vorgelegt werden soll, das gar nicht existiert.
 

Wenn das Protokoll der Anhörung vom 22. April in Berlin bereits vorläge, wäre Ihnen dieser Umstand aufgrund unserer Ausführungen zu dem Thema vermutlich noch geläufig. Leider ist es dem Ministerium für Kultur und Medien bisher nicht gelungen, dieses Protokoll vorzulegen; das ist enttäuschend.
 

Wir freuen uns auf einen offenen und sachbezogenen Dialog zwischen Politik, Kunsthandel, Sammlerschaft und Kultureinrichtungen und würden es sehr begrüßen, wenn Sie uns darin unterstützen würden, diesen Dialog endlich zu beginnen.
 

Wir möchten mit Ihren eigenen Worten schließen: „Das Thema ist zu wichtig für unser Land, um es allein den Emotionen preiszugeben."


Weiterführende Links

zur Übersicht