Was kommt eigentlich ins neue Schloss? Kuratoren des Humboldt-Forums erzählen

News vom 03.02.2015

Heute: Martina Stoye über die Faszination indischer Götterbilder

Der Nandi, eine fast lebensgroße Prozessionsfigur aus Südindien
© Museum für Asiatische Kunst - Staatliche Museen zu Berlin

Schlossplatz 1, drittes Obergeschoss. Hier wird ab 2019 in mehreren Räumen die Kunst- und Kulturgeschichte Indiens zu erleben sein.  Stefan Müchler sprach mit Martina Stoye, Kuratorin am Museum für Asiatische Kunst, über real empfundene Heilige, Vasen des Überflusses und ein anmutiges, religiöses Reittier.

Was zeigen Sie im Humboldt-Forum?
Martina Stoye: Im Bereich „Religiöse Kunst Südasiens“ wird die Faszination sakraler Bildwerke  aus Afghanistan, Pakistan, Indien, Bangladesch und Sri Lanka zu erleben sein. Wir konzentrieren uns dabei auf die Bildwelt jener Religionen, in denen die Verehrung von plastischen Götterbildern aus Stein und Bronze eine prominente Rolle spielt, also die Kunst des Buddhismus, des Jainismus und des Hinduismus. Indo-islamische Kunst, soweit in unserer Sammlung, wird im Humboldt-Forum dagegen im benachbarten Bereich der höfischen Kunst Indiens zu sehen sein.

Wie unterscheidet sich die neue Präsentation von der bisherigen Dahlemer Ausstellung?
Wir können deutlich mehr zeigen; es werden sehr viele interessante und schöne Objekte endlich für eine große Öffentlichkeit sichtbar werden. Bislang war Vieles in den Magazinen verborgen. An bestimmten Punkten des Ausstellungsverlaufes planen wir zudem visuell sehr reizvoll gestaltete „verdichtete Präsentationen“, in denen die Fülle und Varianz der Berliner Sammlung deutlich zum Ausdruck kommen.
Eine weitere Neuerung ist die Gliederung der Ausstellung: In Dahlem sind die religiösen Bildwerke vorwiegend nach Kunstschulen und Stilen, also formalen kunsthistorischen Gesichtspunkten geordnet. Im Humboldt-Forum werden diese Objekte nach den Religionen gruppiert.  Die Ausstellung wird so viel wahrnehmbarer als bisher davon erzählen, was  diese Bilder einem Gläubigen auch inhaltlich bedeuten. Denn das Anliegen ihrer Schöpfer - der Künstler wie der Auftraggeber - war ja niemals, Bilder für eine Ausstellung zu schaffen. Man wollte vielmehr einem als real empfundenen Heiligen eine sichtbare und berührbare Form geben, die in einen feierlich aus der Welt herausgehobenen Raum gebettet wurde den Gläubigen auf einem spirituellen Heilsweg ein Gegenüber, eine Orientierung bieten konnte.

Was hat das alles mit unserem heutigen Leben zu tun?
Den Bezug zur Gegenwart werden wir auf unterschiedlichste Weise herstellen, zum Beispiel durch Zusammenarbeit mit Migranten-Communities in Berlin. Ein gutes Beispiel, wie so etwas aussehen kann, ist die Purnakumbha-Installation, die bei der Probebühne 1 des Humboldt-Lab Dahlem zu sehen war. »Purnakumbha« ist ein sehr bekanntes Element im Zeremoniell indischer Religiosität, nämlich die Vase des Überflusses. Für viele Rituale genügt ein einziger Purnakumbha, bei besonderen Gelegenheiten arrangiert man jedoch eine bestimmte Zahl von Vasen des Überflusses, z. B. wie in der Installation 2 + 8 heilige Töpfe. Die temporäre Ritual-Installation hat das Museum gemeinsam mit dem Sri Mayurapathy Murugan Tempel in Berlin-Britz erstellt. Wichtig ist aber auch die Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Künstlern aus den Herkunftsländern, die noch einen besonderen Bezug zu alten Kunstformen haben. Wunderbar funktioniert hat dies schon mit dem zeitgenössischen Miniaturenmaler Waseem Ahmed im Projekt Dahlem Karkhana, das derzeit im Rahmen des Humboldt-Lab gezeigt wird.

Was ist ihr Lieblingsobjekt und warum?
Ganz besonders gerne mag ich den Nandi aus Südindien, eine fast lebensgroße, wunderschön bemalte hölzerne Nachbildung eines weißen Zeburindes. Nandi ist in der Hindumythologie das getreue Reittier des Gottes Shiva. In südindischen Tempelstädten wird Shiva anlässlich großer Tempelfeste mit Prozessionen in Form eines festlich mit Blumengirlanden geschmückten Bronzebildnisses auf solche Holzstiere gesetzt und mit großem Pomp um die Tempelstadt herumkutschiert.
Dem unbekannten Schöpfer unseres Prozessionsstieres ist es gelungen, dem Tier einerseits etwas unverwechselbar ‚Rindvieh-haftes‘, andererseits aber doch eine große Anmut, fast Eleganz in seiner würdevoll ausschreitenden Bewegung zu verleihen. Damit ist ihm ein großes Kunststück gelungen! Der südindische Nandi begeistert Erwachsene wie Kinder gleichermaßen. Er stand viele Jahre im Depot des Dahlemer Museums. Im Humboldt-Forum wird er - zwischen Prozessionsbilder aus Bronze platziert - zum farbig leuchtenden Mittelpunkt der Hinduismus-Sektion werden.

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