Wem gehört die Kunst?
04.07.2018Wem gehört die Kunst?
Die Bildstrecke der Berliner Fotografen Guido Borgers und Andreas Müller betrachtet die Geschichte verschiedener Objekte der ethnologischen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Ihnen geht es darum, das Faktische und Dokumentarische der Provenienzforschung durch eine Inszenierung am Ort des Geschehens in einen neuen Bedeutungszusammenhang zu stellen. Die Anordnung als Triptychon verweist auf eine Darstellungsform der Kunst, die einen Zusammenhang aus ihren Teilen erzeugt.
Kriegertuch der Naga
19. JH. | Herstellung durch Weberin der Naga, Nutzung bei Zeremonien durch Krieger der Naga |
2.HÄLFTE 19. | JH. S.E. Peal, brit. Teeplantagenbesitzer |
1892 | Otto Ehrenfried Ehlers (1855 – 1895) |
1895 | Eduard von Ohlendorff-Gresse |
1896 | Schenkung an das Königliche Museum für Völkerkunde; Verzeichnung im Inventarbuch |
Das Objekt stammt aus der Sammlung Otto E. Ehlers, der 1892 im Auftrag des damaligen Direktors des Völkerkundemuseums Adolf Bastian die Region bereiste. Von Ehlers Reise sind heute noch über hundert historische Fotografien im Museum vorhanden. Über den eigentlichen Erwerbungsvorgang des Tuches bei den Naga ist jedoch nichts bekannt. Möglich ist, dass die Besitzer im Zuge der fortschreitenden Missionierung zum Christentum konvertierten. Manch traditionellem Objekt maß man dann keine große Bedeutung mehr bei, vernichtete es als vermeintliches Teufelszeug oder verkaufte es.
Rund 1500 Naga-Objekte befinden sich heute im Ethnologischen Museum, das eine open access Plattform dazu plant. Gemeinsam mit den Naga wird das Museum an den vielen offenen Fragen weiterforschen: Wie heißt es in der lokalen Sprache? Welche Bedeutung hat das Objekt für die Naga heute? Was können die heutigen Menschen damit anfangen? All dies soll auch in die Präsentation im Humboldt Forum einfließen.
Mangaaka (Kraftfigur)
2.HÄLFTE 19. JH. (?) | Herstellung, in Zusammenarbeit mit einem religiösen Spezialisten, durch einen Künstler aus der Gruppe der Yombe in der Region des Flusses Chiloango, Demokratische Republik Kongo, Republik Kongo oder Cabinda, Angola, Nutzung als Kraftfigur, wahrscheinlich im Besitz eines religiösen Spezialisten |
1902/ 03 | Robert Visser (1860 1937) |
1904 | Schenkung an das Königliche Museum für Völkerkunde |
1945/ 46 | kriegsbedingt in die damalige Sowjetunion verlagert |
1977/ 78 | Rückführung an das Museum für Völkerkunde, Leipzig |
1 990 –1992 | Rückführung an das Ethnologische Museum |
Eine besondere Art von Kraftfiguren sind die mangaaka aus der Region des Flusses Chiloango. Ein Bildhauer schnitzte die nackte männliche Figur, und ein nganga, ein religiöser Spezialist, verlieh ihr Macht, indem er wirkmächtige Materialien hinzufügte. Diese bilongo wurden in einen Hohlraum am Nabel gestopft und am oder im Kopf angebracht. Bei besonderen Anlässen trieb der nganga Nägel und Klingen in die Figur: etwa bei einer Eidablegung, einem Friedenschluss oder dem Verkauf von Land. Wer die Vereinbarung brach, gegen den sollte der mangaaka seine Macht richten.
Als die europäischen Kolonialmächte die Bedeutung der Kraftfiguren erkannten, konfiszierten und zerstörten sie viele Exemplare. 17 mangaaka gelangten in westliche Sammlungen. Bevor sie abgegeben wurden, entfernte der nganga die wirkmächtigen Materialien. So wurden die Objekte unwirksam, eine leere Hülle.
Die Nägel hingegen blieben und zeugen von den intensiven kulturellen Verflechtungen – sie sind Nachmachungen eines europäischen Importgutes, wie auch die Spiegel, die bei den minkisi oft das Kraftzentrum bedeckten, Importgüter waren. So gesehen sind mangaaka Hybride, die europäische Objekte als Ingredienzen ihrer Macht inkorporieren.
Kopfschmuck
19. JH. | Brondina, Suriname |
CA. 1850 | Missionar Johann Jansa |
1857/ 1858 | Übergabe an Archivar Ludwig Schweinitz |
Kaufmannsfamilie Just | |
1861 | Königliche Kunstkammer |
In Jansas Reisetagebüchern ist seine Beschreibung und Sicht der Geschehnisse zu lesen: „Wir besuchten die alte Negerin Brondina, die letzte Götzenpriesterin auf dieser Plantage, mit welcher eine besondere Veränderung vorgegangen ist. Sie war früher eine ausgemachte Feindin des Evangeliums. Gegen alle Ermahnungen (…) überhäufte sie Schw. Hartmann, die sich mit ihr mühte, öfter mit Schmähungen.“ Laut Jansa war eine schwere Erkrankung, während der Brondina von ebenjener Schwester Hartmann gepflegt wurde, Anlass für einen Sinneswandel: „Sie ließ sofort Schwester Hartmann um ihren Besuch bitten (…) Sie bekannte offen ihre Sünden und lieferte alle ihre abgöttischen Dinge aus. “
Eines dieser Objekte war mit großer Sicherheit der Federschmuck. Vermutlich wurden Reif und Federbesatz von der indigenen Bevölkerung hergestellt, der rote Stoff aber von Brondina angenäht – eventuell Hinweis auf eine Verwendung bei bestimmten Ritualen. Den Sammler „Meyer“ vom historischen Etikett hat es übrigens nie gegeben. Aufgrund eines Übertragungsfehlers aus dem Eingangsbuch der Kunstkammer wurde aus der damals gängigen, rassistischen Bezeichnung »Neger« ein „Meyer“. Im Humboldt Forum wird der Kopfschmuck zusammen mit 27 anderen Objekten, darunter 16 aus der Sammlung Jansa, unter dem Titel „Afroamerikanische Diaspora. Nachleben der Sklaverei in Suriname“ ausgestellt.
Wappenpfahl der Haida
Auftrag von Häuptling Stilta an Charles Edenshaw anlässlich der Neuerrichtung seines Hauses einen Wappenpfahl zu schnitzen | |
1875/ 76 | Errichtung des Pfahls in Old Masset auf Haida Gwaii (Inselgruppe vor British Columbia, Kanada) |
1881 | Erwerb von J.A. Jacobsen während einer Sammlungsreise nach dem Tod von Stilta von dessen Bruder |
1883 | Eintrag im Inventarbuch des Berliner Völkerkundemuseums |
1939 | Auslagerung in den Flakbunker am Zoo |
1945 | kriegsbedingt verlagert nach St. Petersburg |
1975 | Transport in die DDR ans Grassi Museum in Leipzig |
22.8.1990 | Rückkehr nach Berlin als erster Teil „Leipzig-Rückführung“ |