Menschliche Überreste: Verwandtschaftsverhältnisse zu lebenden Personen festgestellt

News vom 05.09.2023

Das Museum für Vor- und Frühgeschichte verwahrt eine Sammlung von rund 7.700 Gebeinen. Nach jahrelanger Herkunftsforschung wurde nun bei 3 Schädeln eine genetische Übereinstimmung mit lebenden Menschen bestätigt

Die untersuchten menschlichen Überreste gehören zu der anthropologischen Sammlung von rund 7.700 Schädeln, die die SPK 2011 von der Charité übernommen hatte. In einem ersten Pilotprojekt hatte das Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin die Provenienz von rund 1100 Schädeln aus der ehemaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika untersucht. Jetzt gelang es durch DNA-Analysen erstmals, klare Verwandtschaftsverhältnisse zu belegen. So zeitnah wie möglich werden nun die Angehörigen und die Regierung von Tansania informiert

Hermann Parzinger, Präsident der SPK, erklärte: „So eine Übereinstimmung zu finden ist ein kleines Wunder und wird auch trotz sorgfältigster Provenienzforschung wahrscheinlich eher ein seltener Fall bleiben. Umso mehr freuen wir uns und danken auch Konradin Kunze und Berlin Postkolonial für die Unterstützung.“

Kunze und Berlin Postkolonial beschafften die Speichelproben von Vergleichspersonen aus Tansania; die DNA-Untersuchung fand an der Universität Göttingen statt.  Für einen Schädel ließ sich vollständige genetische Übereinstimmung mit einer heute noch lebenden männlichen Person feststellen. Bei zwei weiteren der insgesamt acht untersuchten Schädel ist eine direkte biologische Verwandtschaft in ununterbrochener väterlicher Linie zu anderen Personen zumindest wahrscheinlich.

Der Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, Joe Chialo, ließ in seinem Statement vom 07.09.2023 zur Pressemitteilung Folgendes mitteilen:

„Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um mich bei den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Ruanda, dem Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin und dem Verein Berlin Postkolonial zu bedanken. In einem innovativen und aufwendigen Forschungsprojekt ist es den Beteiligten gelungen, anhand von DNA-Analysen menschlicher Gebeine Verwandtschaftsverhältnisse zu Menschen in Tansania heute festzustellen.

Das ist ein Durchbruch in der Diskussion und im Umgang mit menschlichen Gebeinen in deutschen Sammlungen. Und dieser Durchbruch bietet uns als Gesellschaft die Chance, in der Auseinandersetzung um unsere Kolonialgeschichte weiter zu kommen und uns bei den Nachkommen heute für das in der Vergangenheit verursachte Leid zu entschuldigen.

Die menschlichen Gebeine, um die es sich handelt wurden während der Kolonialzeit in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika geraubt und in deutschen Sammlungen über Jahrzehnte unwürdig lagerten. Das ist eine für mich sehr persönliche Geschichte. Meine Familie stammt aus Tansania. Die deutsch-tansanische Geschichte ist deshalb auch unmittelbar meine Familiengeschichte.

Umso mehr freue ich mich, dass die Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Kooperation mit der Zivilgesellschaft, namentlich mit Berlin Postkolonial und afrikanischen Experten ein Forschungsvorhaben umsetzen konnten, welches uns für die Erinnerungskultur neue Türen öffnet und eine würdige Bestattung der menschlichen Gebeine ermöglicht. Ich hoffe, dass wir ähnliche Erfolge auch in weiteren Fällen erzielen können. Und dass diese Formen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit uns in eine gute gemeinsame Zukunft führen.“

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