Himmlische Heerscharen
21.11.2018Himmlische Heerscharen
Julien Chapuis, Leiter der Skulpturensammlung, stellt vor: „Drei Engel mit dem Christuskind“
© SPK / Jonas Dehn
Die aus Lindenholz gefertigte Engelsgruppe aus dem 15. Jahrhundert, die sich heute im Bode-Museum der Staatlichen Museen zu Berlin befindet, stammt aus der 1936 durch die Nationalsozialisten gepfändeten Kunstsammlung des Ehepaars Ernst und Agathe Saulmann. 2017 wurde sie an die Erben der Saulmanns restituiert und anschließend wieder erworben. Entstanden ist das kleine Relief vermutlich in den Jahren zwischen 1430 und 1440 im Umfeld des Ulmer Künstlers Hans Multscher. Besonders der französische Stil der Arbeit mit seinen eigentümlichen Gesichts- und Stoffdarstellungen deutet auf eine solche Herkunft hin. Multscher, ein um das Jahr 1400 in Reichenhofen geborener Maler und Bildhauer, der wahrscheinlich um 1420 eine Ausbildung am französischen Hof erhalten hatte, gilt als Schlüsselfigur bei der Überführung des damals angesagten Pariser Stils in die deutsche Kunst. Und so enthält auch dieses Relief eindeutig Pariser Stilelemente: Der reichhaltige Lockenschmuck etwa oder die kindlichen Physiognomien der Engel waren in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ungewöhnlich für hiesige Sakralskulpturen. Anzunehmen ist, dass das Relief als Hilfestellung bei der Meditation und der Anbetung Gottes gedient hat.
Ursprünglich war das Relief bemalt. Wahrscheinlich waren die Flügel der Engel in leuchtenden Farben gehalten, während die angedeuteten Wolken unter dem Tuch des Christuskindes in Blau und Weiß bemalt waren. In seiner einstigen Farbigkeit muss das Relief auf den Betrachter einen immensen Eindruck gemacht haben.
Die Anordnung der Flügel in einem angedeuteten Bogen an der Oberkante des Reliefs folgt in etwa dem gleichen Kurvenverlauf wie das Tuch und die darunter befindlichen Wolkendarstellungen. Letztere verorten die Szenerie mit den beinlosen Engeln in eine himmlische Sphäre. In der mittelalterlichen Skulptur ist dies eine wiederkehrende Darstellungsform.