Joachim Marzahn, Oberkustos der Keilschriftsammlung

Endlich Preuße!

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Joachim Marzahn über das große Aufräumen im Keller des Pergamonmuseums nach der Wende. Marzahn war 1989 wissenschaftlicher Mitarbeiter des Vorderasiatischen Museums (Ost-Berlin) und wurde 1990 Leiter, später Oberkustos der Keilschriftsammlung.

„Das war es mit der DDR“, sagte ich zu meiner Frau am Tag, an dem die Mauer fiel. Aber ich war mir genauso sicher: Die Staatlichen Museen zu Berlin, die machen nicht zu. Ich machte mir um meinen Arbeitsplatz also keine Gedanken. Es war dann an einem Sonntag: Ich wachte auf und war „Mitarbeiter der Stiftung Preußischer Kulturbesitz“, ohne jegliches Zutun. Ich fand das gut, zumal ich ja ein alter Preuße bin, mich immer gerne mit preußischer Geschichte auseinandergesetzt habe.

Dann folgte die Zeit der Anpassung an das, was kommen würde, also an die Stiftung. Wir haben einen provisorischen Personalrat gegründet, der auch von der Generaldirektion (Ost) anerkannt wurde, um die in Aussicht stehenden Veränderungen in Angriff nehmen zu können. Wir verhandelten mit Herrn Schade über die strukturelle Anpassung an die Struktur der Staatlichen Museen Berlin (West). Denn darauf lief es ja hinaus.

Geändert hat sich für mich nach der Wende die wissenschaftliche Arbeit kaum – wir hatten viel Freiheit und gute Kontakte. Sie wurde nur intensiver und noch internationaler als vorher. Und wir kamen natürlich leichter an Informationen und Publikationen. Vor der Wende musste man als Wissenschaftler zusehen, wie man an Fachliteratur kam, denn die entsprechenden Bücher erschienen zu fast 100 Prozent im Westen und waren natürlich schwer zu bekommen.

Nach der Wende wurde aber zum Glück verstanden, dass wir hier sehr viel Nachholbedarf hatten. Bei der Verteilung der Mittel ist daher das Vorderasiatische Museum besonders berücksichtigt worden. Wir haben wie die Verrückten nachgekauft und beschafft, so dass die Bibliothek heute in einem ordentlichen Zustand ist. Sonst wären wir als Wissenschaftler nicht arbeitsfähig gewesen.

In der museumsinternen Arbeit konnten wir endlich die Situation in den Magazinen verändern. Das Vorderasiatische Museum hatte große Steinmagazine in einem riesigen Gewölbe unten im Keller des Pergamonmuseums, über fünf Meter hoch, die waren vollgepackt mit ungeordneten Objekten. Teilweise lagen die in Schränken, teilweise auf der Erde, alles war total verstaubt. Als ich im Museum angefangen hatte, war meine erste Aufgabe die Erfassung dieses Steinmagazins. Aber man kann das halt nur schlecht machen, wenn man keine Regale hat, in denen man die Objekte lagern kann, und eigentlich alles nur auf dem Boden hin- und herschiebt.

Joachim Marzahn, Oberkustos der Keilschriftsammlung
Joachim Marzahn © SPK/ Werner Amann
Ischtar-Tor (Rekonstruktion des äußeren Tores), 6. Jahrhundert v. Chr., glasierte Keramikziegeln, Höhe 14,75 x Breite 26,41 x Tiefe 4,38 m
© bpk / Vorderasiatisches Museum, SMB

Joachim Marzahn

Geboren 1949 in Berlin. Seit 1970 bei den Staatlichen Museen (Ost-Berlin) auf der Museumsinsel. Ab 1979 wissenschaftlicher Mitarbeiter des Vorderasiatischen Museums. Seit 1990 Leiter, später Oberkustos der Keilschriftsammlung

Über die Jahre haben wir es dann wenigstens geschafft, die Schränke aufzuräumen. Es waren zehntausende Inschriftenfragmente, manche vermeintlich ohne Nummer – die lag nämlich meistens unter den Dreckschichten verborgen. In West-Berlin war das in den Jahren nach Kriegsende vermutlich auch nicht besser, aber dann erhielten die Museen dort eine richtig gute Ausstattung. Wir im Osten konnten erst in den Neunzigerjahren so richtig anfangen, unsere Bestände zu sortieren, da erst bekamen wir Mittel für den Ausbau unserer Magazine.

Ich konnte mir die dann einrichten, wie ich wollte! Endlich gab es Platz, um die Schätze zu sichten, die wir im Keller hatten. Das veränderte den Charakter der Sammlungen völlig, denn man konnte auf einmal richtig damit arbeiten.

Vorderasiatisches Museum

Das Vorderasiatische Museum beherbergt eine der bedeutendsten Sammlungen orientalischer Altertümer. Zudem kann es ein Wunder vor Augen führen: die Mauern von Babylon. Sie zählten einst zu den sieben Weltwundern der Antike, bis sie verfielen. Ein Teil von ihnen aber wurde geborgen und rekonstruiert: das farbenprächtige Ischtar-Tor und die Prozessionsstraße von Babylon. Durch sie und zahlreiche weitere Objekten entsteht ein Bild von 6.000 Jahren Kunst- und Kulturgeschichte in Mesopotamien, Syrien und Anatolien. Das Vorderasiatische Museum präsentiert seine Sammlungen im Pergamonmuseum auf der Museumsinse

Website des Vorderasiatischen Museums