Rede von Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz

Pressemitteilung vom 05.03.2009

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

das Neue Museum ist wiederhergestellt, das ist ein Grund zu großer Freude und es gleicht einem Wunder! Von Bombentreffern des Zweiten Weltkriegs stark beschädigt, in Teilen ganz zerstört und als Ruine hinterlassen, über viele Jahrzehnte Wind und Wetter ausgesetzt – und nun erstrahlt es wieder.

Man könnte versucht sein, seine Zerstörung mit dem Untergang Pompejis zu vergleichen, den der Fries von Schievelbein hier im Griechischen Hof uns schildert. Aber wie selbst da nicht nur der Untergang vorherrscht, sondern auch Menschen fliehend ihre Kostbarkeiten retten, so steht das Neue Museum nicht nur für Zerstörung, sondern auch für Neuanfang, nicht nur für Krieg, sondern auch für die glückliche Wiedervereinigung Deutschlands, die den heutigen Festtag erst möglich machte. Am Ende des Frieses werden die flüchtenden Einwohner Pompejis von Stüler, dem Architekten dieses Hauses, und dem damaligen Generaldirektor der Museen Olfers empfangen. Man müsste heute dort wohl auch David Chipperfield hinzufügen, hat er das Haus doch für uns gerettet und wie eine archäologische Kostbarkeit behandelt, die Zeugnis ablegt von einer vergangenen Zeit.

Doch nicht nur dieser Fries, auch andere historische Ausschmückungen haben sich in Teilen glücklicherweise erhalten, herrliche Bodenmosaike, Wand- und Deckenmalereien. Sie dienten nicht als reiner Dekor, sondern sollten die Exponate in ihren historischen Kontext einbetten. Die Betrachter konnten förmlich eintauchen in eine alte, fremde Kultur, die es zu entdecken galt. Diese Inszenierungen waren Teil eines Bildungsprogramms, dem sich die Museen verschrieben, und Bildung zählt bis heute zu den Kernaufgaben des Museums. Das Haus war Mitte des 19. Jahrhunderts hochmodern, technisch und museumsgeschichtlich. Es brach mit der klassizistischen Strenge, die noch das Alte Museum verkörpert. Hier ging man neue Wege in der Vermittlung von Kunst und Kultur. Die Exponate waren Objekte kulturhistorischer Forschung der Museen, einer Forschung, die weltweit führend war. Erinnert sei an Richard Lepsius, einen der Begründer der Ägyptologie, aus dessen Forschungsexpeditionen so manche Schätze der Berliner Sammlung stammen.

Ohne Wissenschaft keine Museen – das war immer ein Kennzeichen Berlins. Das ist, meine Damen und Herren, auch für uns heute ein entscheidender Leitsatz. Und wir bauen nicht nur wieder auf, sondern wir schließen auch inhaltlich an diese bedeutende Tradition Institutionen übergreifender altertums- und kulturwissenschaftlicher Großforschung an. Wir tun dies heute in Exzellenzclustern, wie z. B. in TOPOI, und anderen Verbünden, und die Staatlichen Museen zu Berlin wie die gesamte Stiftung Preußischer Kulturbesitz sind integraler Bestandteil dieser Verbünde.

Wenn das Neue Museum im Oktober als drittes saniertes Haus auf der Museumsinsel – nach der Alten Nationalgalerie und dem Bode-Museum – endlich für das Publikum wieder als Museum seine Türen öffnet, dann wird das eine ganz besondere Eröffnung sein, denn wir werden eine wahre Wiedergeburt der Museumsinsel erleben. Nach siebzig Jahren werden dann alle fünf Häuser der Insel als Museen öffentlich zugänglich sein. Das war in der Geschichte der Insel bisher nur knapp zehn Jahre lang überhaupt der Fall, von 1930 bis 1939. Im Jahre 1930 wurde das Pergamonmuseum eröffnet, 1939 wurde aufgrund des Ausbruchs des von Hitler-Deutschland angezettelten Zweiten Weltkriegs das Neue Museum als erstes Haus wieder geschlossen, die anderen folgten. Auch wenn sich der Masterplan Museumsinsel mit der Sanierung der übrigen Häuser noch über viele Jahre hinziehen wird, so beginnt jetzt trotzdem eine glücklichere Zeit für die Insel.

Aber ich will nicht vorgreifen auf die Eröffnung des Museums im Oktober diesen Jahres. Heute steht das Gebäude im Mittelpunkt! David Chipperfield und sein Team haben das Haus nicht nur wieder funktionstüchtig gemacht und – optisch kaum wahrnehmbar – mit zeitgemäßer Technik ausgestattet. Sie haben es als ein Juwel wiedererstehen lassen. Dabei sind sie, gemeinsam mit Julian Harrap als Restaurierungsarchitekt, überaus behutsam zu Werk gegangen. Jederzeit standen ihnen die Denkmalschutzbehörden beratend zur Seite. Die hohe Kompetenz und kritische Aufgeschlossenheit von Jörg Haspel und Michael Petzet war uns dabei stets eine große Hilfe, Ihnen beiden herzlichen Dank dafür!

Zusammen mit den Museen als den zukünftigen Nutzern wurde ein Wiederherstellungskonzept entwickelt, das von einer raumweisen Betrachtung ausging, dabei aber immer das Ganze im Blick behielt. Manche Räume waren komplett zerstört, andere wiederum erstaunlich gut erhalten. All die unterschiedlichen Grade der Zerstörung wurden berücksichtigt und für jeden Fall hatte man eine angemessene Lösung gefunden. Und das war oft schwieriger als gedacht! Bekannte und bewährte Restaurierungstechniken reichten oft nicht aus. Denn Stüler war überaus innovationsfreudig: unterschiedlichste neuartige Baustoffe kamen zur Anwendung, neueste Eisentechnologie kombinierte er mit antiker Leichtbauweise, und sogar eine damals noch kaum verbreitete Warmwasserheizung ließ er einbauen. Viele historische Techniken mussten für die Sanierung zunächst restauratorisch und naturwissenschaftlich „neu“ erforscht werden. Circa 300 Fachfirmen und Restauratoren waren schließlich beteiligt – ich kann sie nicht alle aufzählen, aber Ihnen allen gebührt mein Dank. Denn sie haben wirklich Großartiges geleistet, das Haus wieder zu einem Ganzen gemacht und zum Glänzen gebracht.

Dieses Haus heute übernehmen zu dürfen, ist für mich – exakt ein Jahr im Präsidentenamt – eine ganz besondere Freude und ein herausragendes Ereignis. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und ihre Staatlichen Museen werden dabei aber den Beitrag, den Klaus-Dieter Lehmann und Peter-Klaus Schuster zum Gelingen des Projekts geleistet haben, stets in dankbarer Erinnerung behalten.

Eine Bauübergabe bedeutet normalerweise auch ein Abschiednehmen von den Beteiligten. Ich freue mich, dass es in diesem Fall nicht bei allen so ist: Das Büro Chipperfield zeichnet planerisch auch für die James Simon-Galerie verantwortlich, das neue Eingangsgebäude, dessen Grundsteinlegung – gleich nebenan – nicht mehr fern ist.

Auch das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung wird uns weiter begleiten. Ihnen, Präsident Mausbach, gilt – stellvertretend für alle Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – mein herzlicher Dank für die gute fachliche Betreuung. Dass die Gesamtbaukosten nun bei 200 Millionen Euro liegen und dass der ursprünglich kalkulierte Kostenrahmen um mehr als 30 Millionen Euro unterschritten wurde, das ist nicht zuletzt auch das Verdienst Ihres Teams.

Ihnen, Herr Bundesminister Tiefensee, danken wir für die stets nachhaltige Unterstützung des Vorhabens, die Sie auch durch Ihre Mitwirkung am heutigen Tage noch einmal deutlich sichtbar werden lassen.

Sie, Herr Staatsminister Neumann, sorgen seit Jahren tatkräftig und mit großem Erfolg dafür, dass Regierung und Parlament die notwendigen Mittel für den Masterplan Museumsinsel bereitstellen. Nachdem der Bund 2003 die finanzielle Verantwortung komplett übernahm, konnten die Bauarbeiten hier am Neuen Museum beginnen. Sie haben einmal gesagt, Sie sähen Ihre wichtigste Aufgabe darin, die Rahmenbedingungen für Kultur zu verbessern. Die Museumsinsel stellt dies glanzvoll unter Beweis! Dafür sind wir Ihnen und dem Deutschen Bundestag zu großem Dank verpflichtet.

Und trotzdem ist es gut, weitere starke Partner an der Seite zu haben. Das Kuratorium Museumsinsel, dem die führenden Wirtschaftsunternehmen in Deutschland angehören, ermöglicht uns Vieles, um dieses einzigartige UNESCO-Weltkulturerbe bekannter und in der Öffentlichkeit noch sichtbarer zu machen. Dem Vorsitzenden des Kuratoriums, Herrn Schulte-Noelle, und allen seinen Mitgliedern sei dafür sehr gedankt!

Bildung, Kultur und Wissenschaft, dafür stehen die Staatlichen Museen zu Berlin und die gesamte Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Und Bildung, Kultur und Wissenschaft sind das große Potenzial Berlins! Wir sind deshalb froh, dass Sie, Herr Regierender Bürgermeister, mit Ihrer aktiven Teilnahme an diesem Festakt Ihre Verbundenheit mit der Stiftung und ihren Museen zum Ausdruck bringen, denn für eine gedeihliche Zukunft unserer Einrichtung brauchen wir auch die Unterstützung des Sitzlandes.

Vielen Dank!

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