Jochen Haug, Joachim Jäger und Maria Lopez-Fanjul in der Staatsbibliothek

Ein offenes Haus

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María López-Fanjul y Díez del Corral, Kuratorin für Outreach am Bode-Museum, Jochen Haug von der Benutzungsabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin, und Joachim Jäger, Leiter der Neuen Nationalgalerie, sprechen über einladende Orte, Besucherwünsche und die Frage, wie sich Museen und Bibliotheken wandeln müssen, um gesellschaftlich relevant zu bleiben.

Rendering des neuen Museums des 20. Jahrhunderts

Blick von Nordosten auf den Haupteingang des zukünftigen Museums des 20. Jahrhunderts © Herzog & de Meuron

Fangen wir doch mit Ihrer interessanten Berufsbezeichnung an, Frau López-Fanjul. Sie sind Kuratorin für Outreach. Was kann man sich darunter vorstellen?

María López-Fanjul: Es gibt keine feste Definition von Outreach im Museum. Deswegen kann ich nur beschreiben, was es am Bode-Museum bedeutet. Eine Kuratorin für Outreach ist hier eine Kunsthistorikerin, die über breites Wissen über die gesamte Sammlung verfügt und Strategien entwickelt, um das Museum relevant in der Gesellschaft zu positionieren. Dafür muss man Brücken schlagen: Brücken vom Museum in die Gesellschaft, aber auch Brücken zwischen den einzelnen Abteilungen innerhalb des Museums. Dabei ist mir sehr wichtig, mit dem gesamten Team zusammenzuarbeiten: mit den anderen Kuratorinnen und Kuratoren, mit demn Leiter, mit den Restauratorinnen, mit der Depotverwalterin und natürlich auch mit den Vermittlern. Nur zusammen können wir das Museum stärker öffnen und dadurch auch attraktiver machen. Museen gibt es seit Jahrhunderten, meist in der Mitte der Stadt. Man würde also denken, sie sind ohnehin Teil der Gesellschaft.

Ist das so?

MLF: Ich arbeite am Bode-Museum mit alter Kunst, auch wenn ich sie ungern so nenne, denn für mich gibt es nur eine Kunst. Aber um diese Kunst zu verstehen, benötigt man ein paar Tools, wie man heute sagt, und die wurden in den letzten Jahren verlernt oder vergessen. Viele Menschen haben gar keinen Zugang mehr zu alter Kunst. Sie fühlen sich nicht repräsentiert und verstehen nicht, was alte Kunst mit ihrem heutigen Leben zu tun haben soll.

Vermittlungsabteilungen an Museen sind freilich nichts Neues.

Joachim Jäger: Grundsätzlich nicht. Eine verstärkte Vermittlung gibt es seit den 1970er-Jahren. Die 1970er-Jahre waren ein sehr didaktisches Jahrzehnt, eine Zeit, in der sich die Rolle des Museums noch einmal stark verändert hat. Museen und andere Kultureinrichtungen haben sich damals schon kritisch gefragt, welche Gesellschaftsschichten gar nicht mehr ins Museum kommen, und wie man diese besser ansprechen kann. Es wurden mehr Museen gebaut, ihre Programme änderten sich, und die ersten Abteilungen für Vermittlung wurden gegründet.

Aber nun scheint es offenbar eine neue, eine andere Notwendigkeit für diese Vermittlungsarbeit zu geben. Ist der Bevölkerungsanteil, der keinen Zugang zur Kunst hat, größer geworden?

MLF: In gewissem Sinne ja, insbesondere hinsichtlich der jetzt nachfolgenden Generationen von Museumsbesuchern und Besucherinnen, also Kindern und Jugendlichen. Deshalb ist die Zusammenarbeit mit den Vermittlerinnen von lab.Bode, die neue Formate der Vermittlung für Schülerinnen und Schüler erproben, ein wichtiger Teil meiner Arbeit. Darüber hinaus muss ich aber das gesamte Spektrum der Besucher im Auge behalten. Darunter sind auch Leute, die sich fragen, warum sie mit ihren Steuern etwas bezahlen sollen, das nichts mit ihnen zu tun hat. Meine Perspektive ist stark durch Großbritannien geprägt, wo ich studiert und angefangen habe, zu arbeiten. Dort kann man kostenlos in die Dauerausstellungen der Museen gehen. Wenn man keinen Eintritt nimmt, kommen Menschen vielleicht nur für eine halbe Stunde ins Museum, um sich drei Werke anzuschauen, und grübeln nicht darüber, dass es für eine Familie mit zwei Kindern am Ende vielleicht 50 € kostet. Hier kommt auch meine Erfahrung als Mutter ins Spiel. Auch wenn die Kinder kostenlosen Eintritt haben – das Café und der Shop sind ein wichtiger Teil des Museumsbesuchs, und alles kostet eben doch Geld.

Sie sprechen die Hemmschwelle an, erst einmal eine finanzielle Sie – und das lab. Bode – haben es sich zur Aufgabe gemacht, die kulturelle Hemmschwelle herabzusetzen. Wie gehen Sie dabei vor?

MLF: Das lab.Bode ist ein gemeinsames Programm der Kulturstiftung des Bundes, des Bode-Museums und der Abteilung Bildung und Vermittlung der Staatlichen Museen. Es beschäftigt vier zusätzliche Wissenschaftliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen allein im Bode-Museum, um neue Vermittlungsformate zu erarbeiten. Sie arbeiten eng mit neun Partnerschulen aus verschiedenen Stadtteilen Berlins zusammen. Wir wollen verstehen, was für Kinder und Jugendliche wichtig ist und wie sie das Museum wahrnehmen. Das Ziel ist, bundesweit die Vermittlungsarbeit der Museen zu stärken. Die in vier Jahren gewonnenen Ergebnisse werden in einem digitalen Baukastensystem künftig online zur Verfügung stehen. Darüber hinaus fördert lab.Bode bis 2020 bundesweit 23 wissenschaftliche Volontariate im Bereich Bildung und Vermittlung.

Wie sehen denn die Bedürfnisse und Wünsche von Kindern und Jugendlichen aus?

MLF: Sie brauchen mehr Erklärung! Im Bode-Museum haben wir gerade die Räume mit den Werken von Donatello und zu Florenz neu eingerichtet. Dort bieten wir jetzt auf vier Ebenen eine andere Auseinandersetzung mit den Werken an: durch Raumtexte, Labels, QR-Codes mit direktem Anschluss an unsere Online-Datenbank und durch Infoblätter. Das kommt bei den Besucherinnen und Besuchern sehr gut an. Sie verstehen endlich, was sie sehen, und fragen sich nicht nur, ob es ihnen gefällt oder nicht. Und sie können die Menge an Informationen, die sie bekommen wollen, selbst bestimmen. Durch die QR-Codes können sie sich jetzt sogar die Informationen mit nach Hause nehmen und die Sammlungen online entdecken. Besucher wollen das Museum als einen Raum erfahren, in dem sie sich wohlfühlen, und nicht als einen, in dem die Kunst etwas Unerreichbares bleibt.

Wir reden nicht mehr nur von offenen Orten, sondern auch von offenen Daten.

Herr Haug, Sie arbeiten in einem sehr beeindruckenden Gebäude, der Staatsbibliothek an der Potsdamer Straße, entworfen von Hans Scharoun. Ist das Problem der Hemmschwelle etwas, das Sie umtreibt, oder können Sie sich vor Besuchern kaum retten?

Jochen Haug: Dieses wunderbare Gebäude bietet wirklich optimale Bedingungen. Und da wir als wissenschaftliche Bibliothek natürlich eine bestimmte Zielgruppe bedienen, finden wir einander auch: Die Forscher suchen und brauchen unsere Bestände – ob gedruckt oder elektronisch –, und wir stellen ihnen eben diese zur Verfügung. Und durch unseren sehr guten Service schaffen wir exzellente Arbeitsbedingungen. Wir verstehen uns seit vielen Jahrzehnten als eine offene Einrichtung; das Sich-Öffnen ist dabei ein kontinuierlicher Prozess, der niemals abgeschlossen sein wird. Wir reden heute nicht mehr nur von offenen Orten und Gebäuden, sondern auch von offenen Daten, offen zugänglichen digitalen Texten und Bildern – sofern es das Urheberrecht erlaubt – und dem Publizieren via Open Access. Durch die teilweise Verlagerung von Print zum Digitalen erfährt natürlich die Bibliothek auch als Ort einen Bedeutungswandel. Früher hatten große Bibliotheken das Image von reinen Bücherspeichern, das ist seit geraumer Zeit aber nicht mehr so. Wir stellen immer noch Medien bereit, sind inzwischen aber auch ein Lernort, ein Ort zum wissenschaftlichen Arbeiten und gleichzeitig ein Ort der kulturellen Begegnungen und der Kultur- und Wissenschaftsvermittlung.

MLF: Ich muss sagen, dass ich sehr viel von Bibliotheken gelernt habe – wie sie zum Beispiel mit digitalen Medien arbeiten und sie als selbstverständliches Werkzeug ansehen. Davon können sich viele Museen eine Scheibe abschneiden.

Herr Haug, Sie haben eben von dem Bedeutungswandel der Bibliotheken gesprochen und von der Notwendigkeit, die Bibliothek weiter zu öffnen. Können Sie Beispiele geben?

JH: Zum einen findet die Bibliothek heute zu immer größeren Teilen online statt – als Datenspeicher, und natürlich ganz wesentlich über unsere offen zugänglichen digitalen Sammlungen und andere digitale Angebote, wie etwa die großen Online-Portale zu Humboldt und E.T.A. Hoffmann. Außerdem haben wir ein breites Kultur- und Veranstaltungsprogramm, mit dem wir unsere Themen vermitteln, zum Beispiel Autorenlesungen, Table Talks oder wissenschaftlichen Podiumsdiskussionen.

Stellt die Digitalisierung keine Bedrohung der „Institution Bibliothek“ als Ort des gedruckten Buches dar?

JH: Es gibt Bereiche, in denen das gedruckte Wort irgendwann vielleicht komplett verschwinden wird. Fachzeitschriften etwa haben im Gegensatz zu einer mittelalterlichen Handschrift nichts Auratisches. Der Nutzungskomfort ist in einem solchen Fall mit Volltextsuche und Download-Möglichkeiten digital um ein Vielfaches größer. Eine Bedrohung der Bibliothek sehe ich aber in keiner Weise, denn wir bewahren hier ja auch kulturelles Erbe, also Handschriften, Musikautografen, historische Drucke und Karten. Auch als Ort des Lernens und des Forschens werden Bibliotheken Bestand haben. Schauen Sie etwa in unseren Lesesaal im Haus Unter den Linden, der ist Tag für Tag sehr gut gefüllt – Tendenz steigend.

Sammlungen verändern sich stark. Deshalb muss das Innere eines Museums flexibel sein.

Herr Jäger, Sie sind gerade dabei, das Museum des 20. Jahrhunderts zu planen. Es wird in direkter Nachbarschaft von Staatsbibliothek, Philharmonie und Neuer Nationalgalerie entstehen. Was wird die Hauptfunktion dieses neuen Museums sein?

JJ: Es kommt überhaupt zu dem Bau, weil die Sammlung des 20. Jahrhunderts in der Nationalgalerie nur in einzelnen Ausschnitten ausgestellt werden kann. Das hat hauptsächlich mit den Begrenzungen der Neuen Nationalgalerie von Mies van der Rohe zu tun. Sie ist Ende der 1960er-Jahre für die damals noch relativ kleine Sammlung der Nationalgalerie gebaut worden. Diese ist aber seitdem so angewachsen, auch durch die Wiedervereinigung und die Zusammenlegung der Bestände, dass der Hamburger Bahnhof sehr viel auffangen muss und dadurch seiner Funktion als „Museum der Gegenwart“ kaum gerecht werden kann. Joseph Beuys oder Andy Warhol – Künstler, die tief im 20. Jahrhundert verankert sind – werden dort gezeigt. Wir wollen den Hamburger Bahnhof entlasten und gleichzeitig hier am Kulturforum mehr von der Kunst des 20. Jahrhunderts zeigen.

Was ist die Vision für den Neubau?

JJ: Die Vision ist ein „anderes Museum“. Der neue Museumsbau soll nicht das wiederholen, was die Neue Nationalgalerie auszeichnet. Der Mies-Bau ist letztlich ein Tempel, ein Gebäude, das durch seine Anlage und sein imposantes Dach auch Ehrfurcht einflößt. Das neue Museum soll wesentlich niedrigschwelliger sein und in seiner Struktur schnell erkennbar. Uns fehlt ein Museum, das auch die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts stark abbildet, in dem das Performative, das Installative, das Raumgreifende eine größere Rolle spielt. Es muss aber auf die Bedürfnisse des 21. Jahrhunderts zugeschnitten sein, beispielsweise dadurch, dass es sich dort auch leichter mit Gruppen arbeiten lässt. Ein Museum, in dem so etwas wie das lab.Bode quasi schon Teil der Architektur ist. Das Gebäude hat auch eine wichtige Funktion für das Kulturforum. Hier strömen abends Tausende Besucher aus der Philharmonie und wissen nicht, wohin. Mit einer großen Gastronomie ergibt sich die Chance, eine Infrastruktur zu schaffen, die für mehrere Häuser sinnvoll ist.

Jochen Haug, Joachim Jäger und Maria Lopez-Fanjul in der Staatsbibliothek
Jochen Haug, Joachim Jäger und Maria Lopez-Fanjul sprechen über Vermittlung © SPK/Benne Ochs
Schüler diskutieren bei einem Workshop im Bode-Museum
lab.Bode Workshop Staatliche Museen © Staatliche Museen zu Berlin/Lina Ruske 2017
Treppenhaus in der Staatsbibliothek zu Berlin, Haus Potsdamer Straße
Blick in die Staatsbibliothek zu Berlin, Haus Potsdamer Straße © SPK/Benne Ochs
María López-Fanjul y Díez del Corral, Kuratorin für Outreach am Bode-Museum
María López-Fanjul y Díez del Corral, Kuratorin für Outreach am Bode-Museum © SPK/Benne Ochs
Joachim Jäger, Leiter der Neuen Nationalgalerie
Joachim Jäger, Leiter der Neuen Nationalgalerie © SPK/Benne Ochs

Wird es ein großes Veranstaltungsprogramm geben?

JJ: Wir haben ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm vorgesehen. Denn   das ist der Wunschtraum für dieses Museum: dass sich verschiedene Generationen, ein ganz diverses Publikum in ihm einfinden und sich gerne dort aufhalten. Wir haben beispielsweise einen Multifunktionsraum vorgesehen, der auf unterschiedlichste Weise genutzt werden kann. Überhaupt haben wir uns für das Gebäude auf vielen Ebenen Orte gewünscht, wo sich Gruppen treffen können.

MLF: Im Bode-Museum hat das lab.Bode einen sogenannten Denkraum konzipiert, offen für alle Besucher, eintrittsfrei, mit WLAN, einer Bibliothek, einer großen Matratze, auf die man sich legen kann. Der wird extrem gut angenommen. Darüber hinaus hat das lab.Bode-Team die Räumen „Plattform“ und „Freiraum“ entwickelt, die auch in die Dauerausstellung integriert wurden. Dort finden viele der Schul-Workshops und Präsentationen statt, die auch den Besuchern und Besucherinnen die Möglichkeit geben, die Projekte des Programms zu verfolgen.

Um noch einmal auf das Schreckenswort der Hemmschwelle zurückzukommen: Die ist bei alter Kunst wesentlich höher als bei der hippen Gegenwartskunst, obwohl die oft schwieriger zu verstehen ist.

MLF: Das liegt daran, dass die Sammlung des Bode-Museums meistens als ausschließlich religiöse Kunst betrachtet wird. Aber das stimmt nicht. Wir erzählen die Geschichte Europas, und die Geschichte Europas hat viel mit der christlichen Religion zu tun: Etliche unserer Werte sind damit verbunden. Aber viele Menschen sagen, Religio interessiert mich nicht, deshalb hat diese Kunst nichts mit mir zu tun. Unsere Herausforderung besteht darin, die Geschichte unserer Sammlung aus mehreren Perspektiven zu erzählen. Auf der einen Seite müssen wir die christliche und mythologische Ikonografie erklären, auf der anderen Seite auch den Kontext der Werke erläutern, um die Gemeinsamkeiten mit der Gegenwart zu verdeutlichen. Ich arbeite zum Beispiel gerade an Projekten, die die Rolle von Frauen vom 4. bis zum 18. Jahrhundert beleuchten. Die Sammlung des Bode-Museums ist perfekt dafür geeignet.

Ich wünsche mir Museen als Orte, an denen wir verstehen können, woher wir kommen und wer wir sind.“ María López-Fanjul

Wir reden über Heranführung, Öffnung, Debatten. Aber braucht es nicht vielleicht sogar eine gewisse Hemmschwelle in Museen, sozusagen die Erfahrung der Differenz, weil Kunst eben Kunst ist und eine besondere Wahrnehmung erfordert?

MLF: Natürlich muss die Erfahrung der Kunst als Kunst erhalten bleiben. Ich finde es sehr wichtig zu betonen, dass alle Werke des Bode-Museums historische Unikate sind. Es ist einfach wunderbar, dass sie sich bis heute erhalten haben. Aber man muss sie auch verstehen. Wir planen deshalb gerade im Bode-Museum weitere Räume, in denen auch die kunsthistorischen Epochen erklärt werden, wie zum Beispiel die Renaissance oder die Spätgotik in den verschiedenen europäischen Ländern. Darüber hinaus wollen wir unsere Highlights mehr in den Mittelpunkt stellen, wie wir es gerade mit der Pazzi-Madonna von Donatello getan haben.

JJ: Das Bode-Museum teilt sich in ganz verschiedene Räume auf, die aus meiner Sicht jeweils für unterschiedliche Wahrnehmungsformen stehen. Es gibt Passagen, in denen man das Gefühl hat, „durchzulaufen“, und Räume, die eine Ruhe ausstrahlen. Im Museum des 20. Jahrhunderts am Kulturforum wird es Bereiche geben, vielleicht nah an der Straße und fast öffentlich, in denen man gut performative, spielerische Projekte durchführen kann. Und dann wird es Räume geben, die einem „white cube“ angenähert sind und in denen ich als Besucher eingeladen werde, intensiver zu gucken, um stärker zu fokussieren. Gerade auch mit Mitteln der Architektur kann man den Weg und den Blick der Besucherinnen und Besucher lenken: Man kann Zonen schaffen, in denen sich der Besucher eher in die Kunst vertiefen, und solche, in denen er sich mit anderen darüber austauschen kann.

In den letzten Jahren nutzen die Besucher verstärkt Audioguides. Das Angenehme: Als Besucher wird man an die Hand genommen und bekommt die wichtigsten Werke gezeigt und erklärt.

JJ: Audioguides haben Vor- und Nachteile. Ich glaube, es wird sie immer geben, aber sie haben den Nachteil, akustische Erfahrungen im Museum auszuschließen. Im Hamburger Bahnhof gibt es dezidiert keine Audioguides, weil man viele Arbeiten dort auch hören muss. Der Vorteil ist natürlich, dass durch Erzählungen manchmal Besucher sehr viel länger vor einzelnen Objekten stehen. Viele Menschen lassen sich gerne führen, haben aber keine Zeit für eine klassische Führung. Man kann unterschiedliche Gruppen auch einladen, eigene Führungen zu entwerfen. Das ist ein sehr spielerisches Medium, und wir werden es sicher auch einsetzen.

Wenn Sie zwanzig oder dreißig Jahre in die Zukunft sehen – wird es dann noch Museen und Bibliotheken geben oder werden sie zu Super-Institutionen des Wissens verschmolzen sein: Universität, Schule, Museum, Bibliothek, alles eins?

JH: Einerseits werden sich Bibliotheken hinsichtlich der Verfügbarmachung und Vermittlung von Inhalten noch mehr „entortet“ haben und zu noch größeren Teilen als heute im Netz stattfinden. Andererseits wird die Bibliothek als Ort in einem Bauwerk immer auch eine Sammlung physischer Medien und Objekte sein – und immer mehr ein Begegnungsort, Treffpunkt und Forum für den wissenschaftlichen und kulturellen Austausch. Bei alldem wird sich die zentrale Funktion von Bibliotheken, nämlich das Beschaffen, Bewahren und Vermitteln von Inhalten und Informationen, jedenfalls nicht ändern.

JJ: Es ist schwer vorherzusagen, aber ich würde denken, dass die gebauten Räume, die Architektur, für eine gewisse Konstanz sorgen. Wenn sie gelungen sind und beeindrucken, wird es interessant bleiben, Museen zu besuchen. Die Sammlungen aber werden sich stark verändern. Dinge, an die man jetzt vielleicht nicht denkt, werden in den Vordergrund treten. Auch deshalb ist es wichtig, das Innere eines Museums sehr flexibel anzulegen, sodass in Zukunft Objekte auch in andere Kontexte gestellt werden können.

MLF: Ich bin absolut der Meinung von Herrn Jäger. Ich wünsche mir, dass die zukünftigen Museen eine viel größere Rolle im Alltag der Menschen spielen. Dass sie Orte sind, an denen wir verstehen können, woher wir kommen und wer wir sind.


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