Ein Museum geht ins Kino

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Im Humboldt Forum wird es ein Kino geben. Was es dort zu sehen geben könnte, sagen Viola König, Direktorin des Ethnologischen Museums, und Maryanne Redpath, Kuratorin der Berlinale-Sonderreihe „Native“.

Seit 2013 gibt es auf der Berlinale die Sonderreihe „Native. A Journey Into Indigenous Cinema“. Für das Ethnologische Museum der Staatlichen Museen zu Berlin ist das ein idealer Kooperationspartner für ein besseres Verständnis der eigenen Sammlung. Die Leiterin des Ethnologischen Museums, Viola König, spricht mit „Native“-Kuratorin Maryanne Redpath über Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Museum und Kino.

Viola König (li) und Maryanne Redpath im Ethnologischen Museum in Dahlem © Foto: Andreas Meichsner
© Foto: Andreas Meichsner
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Ethnologisches Museum in Dahlem © Staatliche Museen zu Berlin / Achim Kleuker

Frau König, noch ist das Ethnologische Museum in Dahlem beheimatet. Am 8. Januar 2017 aber wird Ihr Haus schließen, um dann 2019 im Humboldt Forum wieder neu eröffnet zu werden. Welche Pläne haben Sie für die Zeit bis zur Wiedereröffnung?

Viola König: Wir werden zwischenzeitlich die Ausstellungen schließen müssen, doch wir bleiben das, wofür wir auch weltbekannt sind: ein Forschungszentrum. Das bedeutet, dass angemeldete Besucher auch weiterhin Zutritt zu den  Studiensammlungen und Depots bekommen werden. Zudem sind bis zur Eröffnung des Humboldt Forums jährlich drei Ausstellungen in der provisorischen Humboldt Box geplant. Diese Ausstellungen sind so etwas wie ein Modul, mit dem neue interdisziplinäre Ansätze getestet werden. Und dann wird es auch noch einige Highlight-Projekte geben, mit denen wir bei unseren Kollegen auf der Museumsinsel eine vorübergehende Bleibe finden. 2017 etwa werden wir afrikanische Skulpturen im Bode-Museum präsentieren.

Maryanne Redpath

Geboren 1957 in Neuseeland. Studium der Theater- und der klassischen Kunstwissenschaften. Seit 2008 Leiterin der Berlinale-Sektion Generation. 2013 rief sie die Berlinale-Reihe „Native“ ins Leben, die sie kuratiert.

Frau Redpath, Sie sind Kuratorin der Berlinale-Sonderreihe „Native“. Was versteckt sich hinter diesem Namen?

Maryanne Redpath: Mit „Native – A Journey into Indigenous Cinema“ widmen wir uns seit 2013 dem indigenen Kino. Die Idee ist zusammen mit Dieter Kosslick, dem Leiter der Berlinale, auf einer Australienreise geboren worden. Kosslick war von Anfang an mit großer Leidenschaft dabei. Das war wichtig; denn so eine Sonderreihe ist ein komplexes Unterfangen. Dafür ein Profil zu entwickeln braucht Zeit. In jedem zweiten Berlinale-Jahr widmet sich „Native“ einem regionalen Schwerpunktthema. Am Anfang waren es Filme aus Australien, Neuseeland, USA und Kanada. Dann folgten indigene Filme aus Lateinamerika. Und zur nächsten Berlinale 2017 werden Filme aus der Arktis im Mittelpunkt stehen. Es ist also ein spannendes Abenteuer, auf das wir uns da eingelassen haben.

Wie sieht der Austausch zwischen dem Ethnologischen Museum und der Filmreihe „Native“ aus?

Redpath: Es hat von Anfang an eine Annäherung zwischen beiden Institutionen gegeben. Wir haben über die Jahreimmer mehr überlegt, wie wir uns ergänzen und miteinander arbeiten können.

König: Bei vielen meiner früheren Berlinale-Besuche hatte ich Wünsche und Visionen, die sich mangels Ansprechpartner aber nicht erfüllen ließen. Der Anteil an Filmen, die nicht westlich sind, ist in den letzten 15 Jahren stark China, Neuseeland, Lateinamerika, dem Iran oder der Türkei. Viele haben Preise gewonnen und rückten mit jedem Jahr stärker in den Fokus der Medien. Was mir indes fehlte, war eine
professionelle Begleitung der Inhalte. Ich habe mir lange den Kopf darüber zerbrochen, wie man das ändern könnte. Und mitten in diesen Überlegungen fiel Maryanne mit ihrer „Native“-Reihe quasi wie vom Himmel. Da trafen sich zwei Bedürfnisse, flankiert durch eine andere Art des Erlebens.

Unsere Kooperation ist noch längst nicht erschöpft

Redpath: Die Zusammenarbeit ist sehr interessant. Sie zeigt natürlich auch die Unterschiede zwischen unseren Institutionen. Aber ich denke, solche Differenzen sind gut.

König: Wir sehen durch die Kooperation Möglichkeiten, mit unseren umfangreichen Sammlungen und dem riesigen Filmarchiv anders zu arbeiten. Wir können sie mit der Gegenwart in eine direkte Verbindung bringen und sie so neu hinterfragen. Vieles, was wir in unseren Sammlungen haben, sieht man tatsächlich in den Filmen. Unsere Kooperation ist noch längst nicht erschöpft.

König: Wir sehen durch die Kooperation Möglichkeiten, mit unseren umfangreichen Sammlungen und dem riesigen Filmarchiv anders zu arbeiten. Wir können sie mit der Gegenwart in eine direkte Verbindung bringen und sie so neu hinterfragen. Vieles, was wir in unseren Sammlungen haben, sieht man tatsächlich in den Filmen. Unsere Kooperation ist noch längst nicht erschöpft.

Redpath: Auf jeden Fall. „Native“ arbeitet nicht ethnologisch, nicht anthropologisch und auch nicht immer historisch. Wir haben innerhalb des Festivals eine Plattform ins Leben gerufen und ein kuratorisches System kreiert. Wir laden indigene Filmexperten als Berater ein, die Filme aus ihrer Region vorschlagen und uns konzeptuelle Hilfestellung geben. „Native“ hat keine Sammlung und kein Archiv. Der Fundus wird im Rahmen unserer Arbeit immer wieder neu entdeckt. Das unterscheidet uns von einer Institution wie dem Ethnologischen Museum.

König: Die Gemeinsamkeit ist, dass es uns um das Erzählen von Geschichten geht. Die Methode und das Medium sind unterschiedlich, aber die Protagonisten sind zum Teil identisch. Sie erstrecken sich über riesige Zeitspannen und geografische Räume. Was mir bei „Native“ immer wieder wichtig ist: dass die Filme in den indigenen Sprachen mit englischen Untertiteln zu sehen sind. Über die gesprochenen Sprachen werden noch andere Eindrücke vermittelt: die Art, wie Menschen miteinander kommunizieren, Emotionen, Gesten, kulturspezifische Ausdrucksformen.

Viola König

Geboren 1952. Studium der Ethnologie, Frühgeschichte und Soziologie. Seit 1979 im Museum tätig - zunächst in Hamburg, Hannover, Köln und Bremen. Seit 2001 Direktorin des Ethnologischen Museums in Berlin.

Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit mit indigenen Künstlern, Wissenschaftlern und Filmemachern in Ihrer jeweiligen Arbeit?

König: Hermann Parzinger, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, ist mit mir und sämtlichen Kuratoren der Meinung, dass wir in Zukunft mit den heutigen Nachkommen der Produzenten zusammenarbeiten müssen. Das ist ein sehr ehrgeiziges Ziel. Allein aus Museumsmitteln ist das nicht zu bewältigen. Dafür braucht es Synergien. Insofern schauen wir mit großer Neugier auf die jeweiligen Themenschwerpunkte von „Native“. Arktis etwa ist für uns sehr interessant. Wir haben intensive Beziehungen in diese Region. Wir verfügen über Sammlungen aus Sibirien und Kanada.

Redpath: Die Filme, die wir zeigen, sind zumeist mit modernen Mitteln gedreht worden. Natürlich gibt es auch Geschichten über Kolonialisierung, Legenden, Rituale und Mythen. Aber vieles thematisiert das Leben der Gegenwart. „On the Ice“ etwa, ein Film aus Alaska, der bei der Berlinale 2011 den „Gläsernen Bären“ gewinnen konnte, ist dafür ein gutes Beispiel. Der Film zeigt, wie das Leben für junge Iñupiat heute aussieht. Er bietet ein intensives Erlebnis – wie gutes Kino generell.

Ethnologisches Museum

Das aus der königlichen Kunstkammer hervorgegangene Ethnologische Museum gehört seit seiner Gründung 1873 international zu den bedeutendsten seiner Art. In seinen Sammlungen befinden sich Objekte aus Afrika, Asien, Amerika, Australien und der Südsee. Sie werden ergänzt durch 140.000 musikethnologische Tondokumente, 285.000 ethnografische Fotografien, 20.000 Filme und 200.000 Seiten Schriftdokumente. Das Ethnologische Museum wird künftig als größter Partner im Humboldt Forum am Schlossplatz in der Mitte Berlins vertreten sein.

Website des Ethnologischen Museums